Dominik Kahun hat den Linienrichter absichtlich geschubst. Der Tatbestand ist auch vom deutschen Nationalstürmer nie bestritten worden. Die Strafe dafür ist hingegen höchst umstritten: Nur eine Spielsperre.
Warum das milde Urteil? Bis und mit letzter Saison haben alle Vergehen gegen die Schieds- und Linienrichter eine Mindeststrafe von drei Sperren nach sich gezogen. Es galt also: Freispruch oder mindestens drei Partien zuschauen. Auf Druck der Klub-Manager ist diese strikte Regel nun aufgeweicht worden: Ab dieser Saison ist es möglich, nur eine oder zwei Spielsperren zu verhängen. Davon profitiert Dominik Kahun. Eine Anmerkung: Es ist heikel, wenn Klubmanager Einfluss auf die Hockey-Justiz nehmen. Aber das nur nebenbei.
Vergehen gegen die Schiedsrichter sind in drei Kategorien aufgeteilt. Der «Fall Kahun» fällt in die zweite Kategorie für Fälle, bei denen ein Spieler physischen Kontakt mit dem Schieds- oder Linienrichter macht – über das übliche Mass hinaus, das in der entsprechenden Situation erwartet werden kann. Beispielsweise einen fahrlässigen Zusammenstoss oder wenn ein Schieds- oder Linienrichter zwar absichtlich angegangen (geschubst) wird, die Intensität aber so tief ist, dass der Unparteiische keiner Gefährdung ausgesetzt ist. Das Strafmass: Mindestens eine bis maximal fünf Spielsperren plus Busse.
Obwohl in der Hockeyjustiz – anders als im richtigen Leben – das «Vorstrafenregister» höchstens strafverschärfenden, nicht aber strafmildernden Einfluss hat, dürfte Dominik Kahun als «Schillerfalter» mit geringem «Aggressionspotenzial» (diese Saison noch keine Strafminute) von seinem Sanftmut profitiert haben. Wenn Engel Schiedsrichter schubsen, ist es nach der neuen Rechtsprechung offenbar nicht so schlimm, wie wenn es Bösewichte tun. Der Chronist stellt ganz sachlich und ohne jede polemische Absicht fest: Chris DiDomenico hätte für das genau gleiche Vergehen die Maximalstrafe von fünf Sperren kassiert.
Das milde Urteil im Fall des freundlichen Dominik Kahun hat eine gefährliche Nebenwirkung: die Präjudiz. Als Präjudiz wird ein richtungsweisender Gerichtsentscheid bezeichnet, der die nachfolgenden Urteile in gleicher Sache beeinflusst. Die Bedeutung liegt in einer «Bindungswirkung» im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung. Oder einfacher gesagt: Alle künftigen Vergehen dieser Art werden nun am Kahun-Urteil gemessen. Fallen von jetzt an Urteile bei ähnlichen Vergehen härter aus, wird es nicht zu Unrecht heissen, das milde Urteil gegen Dominik Kahun sei ein politisches und dem SCB-Einfluss geschuldet. Ein Problem ist das nicht. Diese Sicht der Dinge führt zu Polemik, bleibt also weitgehend Folklore.
Entscheidend und tatsächlich gefährlich ist etwas anderes: Zum ersten Mal hat die Hockeyjustiz den nicht verhandelbaren Schutz der Schiedsrichter stark aufgeweicht. Absichtlicher, bewusster und nicht versehentlicher physischer Kontakt mit dem Schieds- oder Linienrichter (wie im «Fall Kahun») muss in einem so intensiven, emotionalen Spiel mit erlaubter Aggression im Rahmen der Reglemente tabu sein und die Maximalstrafe (fünf Sperren) nach sich ziehen. Punkt. Alles andere ist eine gefährliche Milde und ein verantwortungsloses Aufweichen des Schutzes der Schiedsrichter, die in letzter Konsequenz so zum Freiwild erklärt werden. Punkt.
Halt doch ein wenig "Ligamafia"?