Am Montagmorgen fliegt Nationalcoach Vladimir Petkovic mit seiner Auswahl von Zürich nach Montpellier und bezieht dort das Schweizer EM-Quartier. Es folgt der taktische Feinschliff im Hinblick auf den EM-Auftakt vom 11. Juni in Lens gegen Albanien. Doch grundsätzlich ist Petkovics Vorbereitungsarbeit abgeschlossen. 21 Monate nach seinem Debüt in Basel gegen England und nach 18 weiteren Spielen steht seine EM-Mannschaft.
Auf Umwegen ist dabei so etwas wie ein Klon der Mannschaft seines Vorgängers Ottmar Hitzfeld entstanden: Ein Team, das gegen einen offensiv starken Gegner wie Belgien gut aussieht und den einen oder anderen spielerischen Akzent setzt. Ein Team aber auch, das sich gegen einen defensiven Gegner wie Moldawien schwer tut und Mühe hat mit dem offensiven Output.
Nach dem 2:1 im letzten Testspiel vom Freitag in Lugano gegen die Osteuropäer ist die Besetzung der Startformation auf mindestens neun Positionen klar: Yann Sommer im Tor; Captain Stephan Lichtsteiner und Ricardo Rodriguez auf den Aussenbahnen sowie Fabian Schär und Johan Djourou in der Innenverteidigung; Granit Xhaka und Valon Behrami sowie in etwas offensiverer Rolle Blerim Dzemaili im Mittelfeld; Xherdan Shaqiri auf dem rechten Flügel. Sieben von diesen neun Spielern waren auch unter Hitzfeld unbestritten.
Wenn Petkovic sagt, dass er die Mannschaft auf zehn Positionen im Kopf habe, «sofern alle Spieler zu 100 Prozent fit sind», dann zählt er auch Breel Embolo entweder auf der linken Seite oder als Mittelstürmer zum Stamm. Beim Basler Stürmer ist aber gerade betreffend Fitness ein grösseres Fragezeichen zu setzen. Dass Embolo gegen Moldawien rund eine Stunde lang im Einsatz war, ist als gutes Zeichen zu werten.
Doch erst in Montpellier erhalten der Trainer und die medizinische Abteilung die Antwort auf die Frage, wie das Knie nach der Entzündung der Patellasehne auf die Belastung der Tessiner Trainings und der Partie gegen Moldawien reagiert haben wird.
Um den letzten Platz kämpfen Admir Mehmedi und Haris Seferovic. Kaum in Frage kommt Eren Derdiyok, der in beiden Testspielen keinen Akzent setzen konnte. Mehmedi wäre die Lösung auf dem linken Flügel. Er spielte eine gute Halbzeit mit dem entscheidenden Tor gegen Moldawien, hatte zuvor aber mehrmals enttäuscht.
Seferovic war unter Petkovic als Mittelstürmer gesetzt, doch hat er den Coach mit seinem blöden Platzverweis gegen Belgien verärgert und in den letzten Monaten ebenfalls seine Form gesucht. Mehmedi nimmt die Ungewissheit gelassen. «Ich habe mein Bestes gegeben, jetzt muss der Trainer entscheiden. Jeder Spieler hat eine tolle Vorbereitung gemacht. Alle 23 hätten es verdient, gegen Albanien dabei zu sein.»
Einer, der sich in den Tessiner Tagen seinen Platz nicht nur verdient, sondern auch erobert hat, ist Blerim Dzemaili. In den beiden Testspielen schoss er einen Treffer, provozierte ein Eigentor und war an der Entstehung des Siegtreffers gegen Moldawien beteiligt. «Ich fühle mich so gut in Form wie lange nicht und kann dem Trainer mit guten Leistungen für das Vertrauen danken», so der Zürcher Mittelfeldspieler von Genua.
Dass er zweimal in Folge von Beginn weg spielen durfte, war für ihn eine seltene Erfahrung. In seiner fast zehnjährigen Karriere im Nationalteam war das zuvor erst fünfmal vorgekommen. Immer war Dzemaili dabei bloss der Lückenbüsser, um einen verletzten oder gesperrten Stammspieler zu ersetzen.
Unter Petkovic aber ist er kurz vor EM-Beginn zum Stammspieler aufgestiegen. «Wenn Blerim im Kopf frei und physisch in Form ist, ist er ein ganz anderer Spieler. Dann hat er die Möglichkeit, verschiedene Rollen zu übernehmen und sich zwischen den Linien von Mittelfeld und Angriff zu bewegen», lobte Petkovic.
Mit Dzemaili hat das Schweizer Team taktisch an Tiefe gewonnen. Aus dem 4-3-3 ist mehr und mehr ein 4-2-3-1 geworden. Allerdings interpretiert Dzemaili diese Rolle hinter den Spitzen sehr flexibel. Er ist kein hängender Stürmer, wie es Xherdan Shaqiri auf dieser Position wäre. Eher spielt er auf dieser Position, wie es Granit Xhaka unter Ottmar Hitzfeld getan hat.
706 Tage nach dem WM-Achtelfinal gegen Argentinien und dem letzten Spiel unter Hitzfeld ist die Auswahl von Petkovic auch taktisch fast wieder am Ausgangspunkt angelangt. Mit dem gleichen System wie damals und mit mindestens sieben gleichen Feldspielern wird sie am nächsten Samstag ins EM-Startspiel gegen Albanien steigen. (pre/sda)