Ein Schwimmtraining hat sie bereits absolviert, als Nicola Spirig morgens um 9 Uhr ausgewählte Journalisten zum Video-Chat begrüsst. Ihre Tage sind durchgeplant, müssen es sein. Denn die Triathlon-Olympiasiegerin von 2012 hat ein letztes, grosses Projekt im Auge, bevor sie ihre Karriere beendet. Spirig will es als erste Frau schaffen, einen Ironman-Triathlon in weniger als acht Stunden zu absolvieren.
Spirig sagt, sie fühle sich bereit: «Seit drei, vier Wochen habe ich endlich keine Schmerzen mehr.» Bei einem Trainingssturz hatte sie sich im Februar das Schlüsselbein und zwei Rippen gebrochen, später war sie auch noch krank. «Es sind nur noch knapp drei Wochen bis zum grossen Tag, das ist eine sehr kurze Zeit. Aber ich kann gut trainieren und die Wettkämpfe zuletzt zeigten, dass ich in Form komme.» Am Wochenende gewann sie den 16-km-Lauf Grand Prix Bern, eine Woche davor wurde sie Zweite beim Halb-Ironman auf Mallorca.
Beim Projekt «Sub7/Sub 8» versuchen Alistair Brownlee und Kristian Blummenfelt, den Ironman in weniger als sieben Stunden zu schaffen, Spirig und die Britin Katrina Matthews in weniger als acht. Die aktuellen Bestleistungen stehen bei 7:21 Stunden (Männer, aufgestellt von Blummenfelt im letzten Jahr) bzw. 8:18 Stunden (Frauen, aufgestellt 2011 von Chrissie Wellington).
Es müssen also markante Steigerungen her, sollte am 5. Juni eine der Schallmauern geknackt werden. Möglich machen sollen es Voraussetzungen, die anders sind als bei herkömmlichen Rennen. Das fängt bei der flachen Strecke auf dem Lausitzring in Ostdeutschland an. Was aber gegenüber einem klassischen Ironman vor allem anders sein wird, ist das Vorhandensein von Tempomachern. Sie erlauben das sonst verbotene Windschattenfahren.
Nicola Spirig organisierte sich diese Pacemaker selber – und hätte dabei gerne auf Männer gesetzt. Die Organisatoren hatten jedoch Bedenken, dass dabei ein falsches Bild transportiert würde. «Dann wären es endlich einmal Männer, die Frauen helfen, und nicht umgekehrt», wendete Spirig ein, doch es blieb dabei: Sie musste sich nach weiblichen Helferinnen umsehen.
«Der erste Anruf ging an Marlen Reusser», verriet die 40-jährige Zürcherin. Die Bernerin gewann bei den Olympischen Spielen im Zeitfahren die Silbermedaille und konnte Spirig ebenso Ratschläge geben wie der Rad-Nationaltrainer und weitere Fachleute. Reusser kann Spirig allerdings nicht helfen, weil ein Einsatz nicht in ihre Saisonplanung passt. «Es war schwierig, geeignete Tempomacherinnen zu finden», sagte Spirig.
Im Wasser kann sie auf Angela Maurer zählen. Die deutsche Schwimmerin gehörte während Jahren zur Welt-Elite. «Ich muss nur schauen, dass sie mir dann nicht davonschwimmt», scherzte Spirig, als sie über ihre schwächste Teildisziplin sprach. 3,8 Kilometer muss sie im Senftenberger See absolvieren, ehe der Wechsel aufs Rennvelo folgt. Nach 180 Kilometern im Sattel wartet zum Abschluss ein Marathon.
Nicht nur diese Distanzen sind anders als das, was sich Spirig sonst gewohnt ist. Neu ist auch, dass das Rennen nicht taktisch sein wird, da sie gegen die Zeit kämpft, anstatt gegen Konkurrentinnen. Es geht nicht «nur» darum, als Erste ins Ziel zu kommen. «Leiden werde ich trotzdem, das ist klar.»
Beim Velofahren haben sich Spirig und ihr langjähriger Trainer Brett Sutton auf die Taktik festgelegt, lange Ablösungen zu fahren. Nicola Spirig selber wird sich dabei stets im Windschatten aufhalten, um Kraft zu sparen. Ihre Aufgabe: Stets so nahe wie möglich am Hinterrad der Frau vor ihr zu sein. «Das wird auch immer die gleiche Frau sein und die Tempomacherinnen vor ihr rotieren. Das macht es mir einfacher.»
Anders als sonst beim Ironman üblich, ist eine Funkverbindung gestattet. Spirig liess auch hier ihre Kontakte spielen und erhält das Material von Michael Albasini ausgeliehen. Der langjährige Radprofi ist nun Schweizer Nationaltrainer. Im Training hilft ihr unter anderem ihr Vater. Für ihn hat sie ein Motorrad gekauft, damit sie hinter diesem das Windschattenfahren üben kann.
Auch beim Laufen kann Spirig auf den Support einer Vertrauten setzen. Maja Neuenschwander, die den Schweizer Rekord im Marathon hält, wird ihre Haupt-Tempomacherin sein. Angepeilt wird eine Laufzeit von 2:45 Stunden. Mit rund 50 Minuten im Wasser und 4:20 Stunden auf dem Velo könnte es aufgehen mit den «Sub8». Letztlich komme es sehr auf die Tagesform und auch die Windverhältnisse an, sagte Spirig. Falls das Wetter am geplanten Tag ganz schlecht ist, würde der Versuch um einen Tag verschoben werden.
Über allem steht die Frage: Ist es wirklich realistisch, dass einer Frau das Knacken der Acht-Stunden-Marke gelingt? Das Projekt ist vergleichbar mit «Breaking 2», bei dem Eliud Kipchoge versuchte, einen Marathon in weniger als zwei Stunden zu laufen. Im zweiten Versuch unterbot er diese magische Schallmauer um 20 Sekunden.
Spirig bestritt erst einmal, vor acht Jahren, ein Rennen über die Ironman-Distanz. Ihre Heimat ist die Kurzdistanz, auf der sie Olympiasiegerin wurde. Coach Brett Sutton halte eine Frauen-Zeit unter acht Stunden für möglich. «Die Frage ist, ob es für mich möglich ist mit den Umständen der Vorbereitung. Das ist schwierig zu beantworten. Es wird eine riesige Herausforderung.» Für sie sei auch nach dem Unfall im Februar klar gewesen, dass sie den Rekordversuch trotzdem wagen wolle. Sie will locker bleiben: «Wenn es nicht gut läuft, dann ist es halt so.»
Eine Unbekannte, die ihr etwas Kummer zu bereiten scheint, ist die Ernährung während eines so langen Wettkampfs. Sie habe nach Gesprächen mit Ironman-Athleten erkannt, dass man auf dieser Distanz auch improvisieren müsse. «Ich muss das auf mich zukommen lassen», sagte die als Perfektionistin bekannte dreifache Mutter.
Vieles am Projekt wirkt drei Wochen vor der Durchführung noch etwas gar unklar. Ein neues Schuhmodell etwa hat sie zwar getestet, finale Tests mit einem angepassten Schuh stehen aber erst noch bevor. Spirig meinte, sie hätte gerne noch ein halbes Jahr länger Zeit für eine bessere Vorbereitung gehabt. «Die drei, vier Tage vor dem Wettkampf werden intensiv, weil wir vieles testen müssen. Ich vertraue Brett, dass er das Gespür für die richtige Taktik hat.» In der Vergangenheit hat das schliesslich schon sehr oft gepasst.
Für mich eine Plauschveranstaltung.
Klar, ist Nicola Spirig Weltklasse, in dem, was sie macht. Einfach dieses Format finde ich jetzt ohne jeden sportlichen Wert.