Jugend-Trend auf dem Matterhorn – Experten mahnen zur Vorsicht
Hätte Sam Evermore nicht ein Schild mit der Aufschrift «Youngest Ascent» hochgehalten, also der jüngste Mensch, der den Berg bestiegen hat, hätten nur wenige Schweizer Medien über die erfolgreiche Besteigung des Matterhorns durch den 11-jährigen Amerikaner berichtet. Seit einigen Tagen erinnern jedoch mehrere Medien daran, dass Sam Evermore – so mutig und begabt er auch sein mag – nicht der jüngste Mensch ist, der je den Gipfel des «Horu» erreicht hat.
Dieser Rekord für Frühreife gehört nach wie vor einem Jungen aus der Region namens Kevin Lauber. Der Oberwalliser war erst acht Jahre alt, als er 1999 das Dach des Matterhorns erreichte. Seine Leistung wurde durch seine Bergkenntnisse ermöglicht. Als Sohn des Hörnli-Hüttenwarts Kurt Lauber lernte der kleine Kevin schon früh das Klettern, verbrachte jeden Sommer auf der Hütte und beobachtete jeden Morgen mit einem Hauch von Neid, wie sich die Seilschaften vorbereiteten.
So benötigte er im Jahr 2000 – also ein Jahr nach seiner Erstbesteigung – nur fünf Stunden für den Aufstieg. Um ihm alle Erfolgschancen zu geben, hatten seine Eltern, die ihn bei seinem Abenteuer begleiteten, ihn mit speziell für seine kleinen Füsse angefertigten Steigeisen ausgestattet. «Das war Kevins grosser Traum», erinnert sich sein Vater im «Blick».
Erster Versuch mit 7 Jahren
Der Bub hätte den Gipfel sogar noch früher erreichen können, wenn er im Alter von sieben Jahren nicht aufgrund schlechten Wetters an der Solvay-Hütte umkehren musste. So musste er ein weiteres Jahr warten. Trotzdem ist eine Matterhornbesteigung mit acht Jahren natürlich aussergewöhnlich. «Das ist für einen Achtjährigen nicht normal, aber Kevin war perfekt akklimatisiert. Sonst wäre es unsinnig gewesen», gibt sein Vater zu.
Und wie hat Kevin Lauber seinen Aufstieg erlebt, der nun in die Geschichte dieses symbolträchtigen Berges eingegangen ist? In diesem Moment war sich der Oberwalliser der Leistung, die er gerade vollbracht hatte, noch nicht bewusst.
Der mittlerweile 34-Jährige erinnert auch daran, dass solche Leistungen für die Einwohner von Zermatt nichts Ungewöhnliches sind: «Unter den Einheimischen gibt es einige, die das Matterhorn bereits mit 12 oder 13 Jahren bestiegen haben.»
Nicht die erste Falschmeldung
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Kind einen Rekord für Frühreife auf dem Matterhorn für sich beansprucht und damit die Geschichte von Kevin Lauber wieder ins Rampenlicht rückt. Im Jahr 2020 hatte der junge Jules Molyneaux nur wenige Tage vor seinem 12. Geburtstag den Gipfel erreicht. «Diese Glanzleistung sorgte in Grossbritannien für grosses Aufsehen, wo einige Medien behaupteten, der Schotte sei der jüngste Bezwinger des legendären Berges geworden», berichtet der Walliser Bote.
Crieff boy, 11, youngest to climb the Matterhorn https://t.co/nfOzEMVOsv pic.twitter.com/32WfadB3AO
— BBC Scotland News (@BBCScotlandNews) July 10, 2020
Auch damals musste die Schweizer Presse klarstellen, dass zwar die Briten die Erstbesteigung des Matterhorns im Jahr 1865 für sich beanspruchen konnten, der Titel des jüngsten Bergsteigers, der den Gipfel erreicht hatte, jedoch unbestreitbar einem Walliser gehörte.
Aufrufe zur Vorsicht
Anjan Truffer nutzte die Gelegenheit auch, um junge Bergsteiger zur Vorsicht zu mahnen: «Eine solche Besteigung erfordert eine ausgezeichnete körperliche Verfassung.» Der Bergführer und Rettungschef in Zermatt kennt sich mit diesem Thema bestens aus, da er selbst im Alter von 12 Jahren das Matterhorn bezwungen hatte.
«Nichts hindert einen 11-Jährigen daran, erfolgreich zu sein, aber man muss sich fragen, ob es nicht zu früh für solche extremen Unternehmungen ist», betonte auch der Walliser Bergsteiger Hermann Biner im Walliser Bote. Auch Biner weiss, wovon er spricht, denn er hatte 1953 im Alter von 15 Jahren den Gipfel erreicht und einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt, der 60 Jahre lang ungebrochen blieb.
Kurt Lauber hatte damals betont, dass der Schlüssel zum Erfolg bei den Kindern liege. Damit eine Besteigung sinnvoll ist, muss der Entschluss dazu von den Kindern selbst kommen. «Bergsteigen ist ein Leistungssport, und es ist normal, dass Rekorde gebrochen werden», erklärte er gegenüber der Oberwalliser Zeitung. «Man muss jedoch darauf achten, dass dies nicht zu einem unangebrachten Ehrgeiz führt.»
Als Kevin Lauber 1999 Geschichte schrieb, gab es noch keine sozialen Medien. Heute werden Abenteuer im Hochgebirge häufig geteilt, was manchmal den Eindruck erweckt, dass sie leicht zu bewältigen sind. Präventionsbotschaften waren noch nie so wichtig wie heute.