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Triathlon: Nicola Spirig will eine magische Ironman-Grenze knacken

ARCHIV -- ZUM RUECKTRITT DER SCHWEIZER TRIATHLETIN NICOLA SPIRIG --- Nicola Spirig of Switzerland smiles as she speaks to journalists after the women's individual triathlon competition at the 202 ...
Noch einmal alles geben, dann ist die Karriere vorbei: Nicola Spirig.Bild: keystone

Es gilt ernst – Nicola Spirig will eine magische Triathlon-Grenze knacken

Vier Triathlon-Stars haben Grosses vor. Am Sonntag wollen sie in Deutschland die Rekordmarken auf der traditionellen Ironman-Distanz pulverisieren. Weil sie dabei «Laborbedingungen» haben werden, kommt das Projekt nicht überall gut an.
04.06.2022, 06:3905.06.2022, 12:52
Ralf Meile
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Worum geht es?

Über die Ironman-Distanz sollen beim Projekt «Sub7/Sub8» zwei Triathlon-Schallmauern durchbrochen werden. Die 3,862 Kilometer Schwimmen, die 180 Kilometer auf dem Velo und der 42,195 Kilometer lange Marathon zum Abschluss sollen in weniger als 7 Stunden (Männer) bzw. in weniger als 8 Stunden (Frauen) bewältigt werden. Die bisherigen Rekordmarken liegen jeweils rund 20 Minuten darüber.

Wer versucht sich?

  • Nicola Spirig 🇨🇭
    Olympiasiegerin 2012 auf der Kurzdistanz
  • Katrina Matthews 🇬🇧
    Vize-Weltmeisterin 2022 im Ironman​
  • Kristian Blummenfelt 🇳🇴
    Olympiasieger 2020 auf der Kurzdistanz,
    Weltmeister 2022 im Ironman
  • Joe Skipper 🇬🇧
    Fünffacher Sieger eines Ironman​
Blummenfelt, Spirig, Matthews und Skipper (von oben links im Uhrzeigersinn).

Wo findet es statt?

Auf dem Lausitzring in Ostdeutschland, nachdem der Auftakt in der Nähe im Senftenberger See erfolgt. Von dort führt der erste Teil der Velostrecke auf die Rennstrecke.

Die Wetteraussichten für den Sonntag sind gut. Es dürfte eher wenig Wind und angenehme Temperaturen haben.

Ein ausführliches Gespräch mit Nicola Spirig vor zwei Wochen:

Was ist besonders?

Der Wettkampf findet gewissermassen unter Laborbedingungen statt: Strecke und Regeln wurden so angepasst, dass die Rekordmarken fallen können. Beide unterscheiden sich von einem gewöhnlichen Ironman.

Das fängt bei der Strecke an: Geschwommen wird praktisch geradeaus, weil jede Wende zusätzliche Zeit kosten würde. Dazu sind dickere Neopren-Anzüge erlaubt, was Auftrieb verschafft und damit schneller macht.

Hier geht der Versuch über die Bühne.Video: YouTube/Pho3nix

Die 5,7 Kilometer lange Velostrecke führt über eine Autorennstrecke. Sie hat zwei lange Geraden und ist durch Wald gut vor dem Wind geschützt. Lars Wichert vom Fachmagazin «Triathlon» testete sie dieser Tage und stellte fest: «Der Asphalt rollt astrein, er ist extrem glatt.» 27 Runden werden gefahren.

Was noch mehr hilft, ist die Tatsache, dass anders als bei Ironman-Wettkämpfen das Windschattenfahren erlaubt ist. Dadurch kann enorm viel Kraft gespart werden. Und der Abschnitt auf dem Rad ist, weil er die längste Zeit der drei Sportarten beansprucht, der wohl entscheidendste Faktor.

In der Vorbereitung trainierte Spirig auf dem Velo oft hinter ihrem Vater auf einem Töff.

Was sagen die Athleten?

Für Nicola Spirig geht es beim Versuch auch darum, mit einem Paukenschlag abzutreten. Die Olympiasiegerin beendet damit ihre erfolgreiche Laufbahn. «Ich bin jetzt 40 Jahre alt, habe drei Kinder und eine 25-jährige Karriere hinter mir», zog Spirig Bilanz. «Man kann viel erreichen, wenn man sich wirklich anstrengt und viel dafür gibt. Ich hoffe, dass das andere Menschen inspiriert, das Gleiche mit ihren Träumen, Hoffnungen und Zielen zu machen.»

«Es geht darum, unsere Leistungsgrenzen als Kollektiv herauszufordern», sagte Kat Matthews. «Es geht nicht nur um mich, sondern um den Sport an sich. Wir versuchen, Barrieren zu durchbrechen und herauszufinden, was physisch möglich ist. Das wird mir eine neue Definition dafür geben, was es heisst, am Limit zu sein.» Matthews erklärte weiter, sie habe zwei Ziele für den Sonntag: «Ich wäre nicht zufrieden, Nicola zu schlagen und nicht unter acht Stunden zu bleiben. Und ich wäre auch nicht zufrieden, wenn ich unter acht Stunden wäre und hinter Nicola Zweiter würde.»

Kristian Blummenfelt ist der Star der Szene, entsprechend gross war im Vorfeld besonders um ihn ein Hype entstanden. «Zu sehen, wie das Team zusammengewachsen ist, gibt mir viel Selbstvertrauen», meinte der Norweger. «Ich hoffe, ich kann beweisen, dass zurecht ein grosses Brimborium veranstaltet wurde.»

Der Brite Joe Skipper reiste selbstbewusst nach Deutschland. Dort angekommen stellte er Nervosität fest. «Um ehrlich zu sein, hatte ich es mir leichter vorgestellt. Nachdem ich auf dem Rad war und eine Vorstellung davon bekommen hatte, wie sich das Tempo beim Schwimmen anfühlt, denke ich, dass es definitiv machbar ist, aber es wird ziemlich hart werden.»

Was sagen Kritiker?

Daniela Ryf, die gegenwärtig weltbeste Triathletin auf der Ironman-Distanz, wurde von den Ausrichtern des Rekordversuchs angefragt, sagte aber ab. «Es ist kein richtiger Ironman und daher habe ich etwas Mühe mit dieser Idee», sagte die Solothurnerin unlängst in der NZZ. Zudem sei das Ziel, unter 8 Stunden zu bleiben, nicht sehr ambitioniert. «Man könnte sogar versuchen, unter 7:40 Stunden zu bleiben», so Ryf.

Andere Triathleten sehen vor allem die Laborbedingungen und das Gestatten von Windschattenfahren kritisch. Triathlon sei ein Einzel- und kein Teamsport. Die ausserordentlichen Regeln des Versuchs entsprächen nicht dem Ironman-Geist. «Mit einem Ironman hat das nichts zu tun, einmal abgesehen von den Distanzen», hielt Ronnie Schildknecht fest. Allerdings findet der zehnfache Ironman-Sieger: «Es ist eine Mischung aus Unterhaltung und sportlicher Herausforderung. Es wird aber sehr spannend sein, zu sehen, was da möglich ist.»

Wie realistisch ist es, dass die Rekorde fallen?

Betrachtet man die bisherige Entwicklung der Weltrekordzeiten, sagt der Trend eine Zeit von unter 7 Stunden bei den Männern für das Jahr 2049 voraus. In einem normalen Wettkampf wäre es also wohl ein Ding der Unmöglichkeit für die aktuellen Athleten. Zählt man die jeweils besten Einzelzeiten zusammen, kommt man auf eine Bestzeit von 7:12:29 Stunden (Schwimmen 42:17 Min. von Jan Sibbersen, Rad 3:55:22 von Jan Frodeno und Marathon 2:34:50 von Gustav Iden).

Doch das Projekt «Sub7/Sub8» ist eben genau kein normaler Wettkampf, sondern ein Anlass, bei dem alles dafür getan wird, damit die Schallmauern fallen. Beim Schwimmen dürften die Athleten einige Minuten schneller sein, beim Marathon liegt wohl ebenfalls nicht viel mehr drin. Bleiben die Radstrecke und das Windschattenfahren: Damit liegt eine ganze Menge drin. Kristian Blummenfelt stellte im vergangenen Jahr in einem regulären Wettkampf eine Bestzeit von 7:21:12 Stunden auf. Er hat also das Zeug dazu, die 7-Stunden-Grenze zu knacken. Die Frauen müssten 18 Minuten schneller sein als die bisher schnellste Ironwoman Chrissie Wellington im Jahr 2011.

Das renommierte Magazin «Outside» hat Berechnungen angestellt, die zeigen: Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, unter Laborbedingungen die Schallmauern zu durchbrechen. Wobei es, besondere Regeln hin oder her, nach wie vor eine grosse Herausforderung ist, stundenlang ein Rekordtempo durchzuziehen.

Wo kann ich den Versuch verfolgen?

Auf diesem Livestream der veranstaltenden Pho3nix Foundation. Die Übertragung des Rekordversuchs beginnt am Sonntagmorgen um 06.30 Uhr.

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Habt ihr schonmal einen Ironman absolviert?
Video: srf
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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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kleine_lesebrille
04.06.2022 10:54registriert Mai 2022
Immer diese ewige Kritik - wieso kann man diese Sportler nicht einfach ihr „Laborexperiment“ durchführen lassen?

Bonne chance, Nicola Spirig!
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