Da war er wieder, dieser «Mad Max». In den letzten Jahren schien Max Verstappen auf der Strecke etwas gereift zu sein und weniger übermässig waghalsige Manöver zu zeigen. Vielleicht hatte das aber auch damit zu tun, dass der viermalige Weltmeister die Konkurrenz in den letzten drei Jahren dominiert hat und diese gar nicht nötig wurden. Denn nun, da in dieser Saison nicht der Red Bull, sondern der McLaren das schnellste Auto ist, brannten bei Verstappen wieder einmal die Sicherungen durch.
Im Grossen Preis von Spanien kam es kurz vor Schluss infolge des Ausfalls von Kimi Antonelli im Mercedes zu einer Safety-Car-Phase, während der Verstappen und die Konkurrenz noch einmal zum Reifenwechsel fuhren. Der Niederländer hatte jedoch nur noch die härteste und damit langsamste Mischung zur Verfügung, was dieser bereits leicht angesäuert zur Kenntnis nahm. Mit den harten Reifen war er nach Wiederfreigabe des Rennens in der 60. von 66 Runden chancenlos.
Direkt nachdem das Safety-Car in die Boxengasse fuhr, geriet Verstappen in der Zielkurve ins Rutschen und Leclerc konnte vorbeiziehen. Weil dieser Verstappen beim Überholen leicht touchierte, forderte der Niederländer eine Strafe gegen den Ferrari-Piloten. «Er ist mir einfach reingefahren», tobte Verstappen danach, «er muss die Position zurückgeben!» Leclerc kam unbestraft davon. «Kein Fahrer war vollends schuld daran», erklärten die Stewards nach dem Rennen.
Anders war dies jedoch beim Vorfall, der sich direkt danach ereignete. Nachdem Verstappen von Leclerc überholt wurde, wollte sich auch George Russell im Mercedes vorbeischieben. Der Brite nutzte die Innenbahn in der ersten Kurve und fuhr neben Verstappen, als dieser die Strecke verliess und aufgrund seiner Abkürzung vor Russell blieb. Der Automobilverband FIA kündigte eine Untersuchung an, die Red-Bull-Verantwortlichen forderten ihren Fahrer auf, die Position zurückzugeben – Verstappen hatte aber kein Verständnis dafür.
«Nein, ich war vorne. Was zur Hölle?», schrie Verstappen am Boxenfunk. Renningenieur Gianpiero Lambiase wiederholte: «Mein Rat ist, ihn durchzulassen.» Nun brannten beim 27-Jährigen alle Sicherungen durch. «Aber ich war vorne, wieso sollte ich ihn vorbeilassen?», fragte Verstappen und rammte Russell in der Kurve. Das Resultat war eine Zehn-Sekunden-Strafe, die ihn vom fünften auf den zehnten Platz zurückwarf und neun Punkte kostete.
«Ich weiss wirklich nicht, was ihm da durch den Kopf gegangen ist», sagte Russell nach dem Rennen in Montmeló vor den Toren von Barcelona und fügte an: «Das roch nach Absicht.» Ex-Formel-1-Star Nico Rosberg forderte bei Sky eine Disqualifikation gegen Verstappen. Sein Urteil: «Er ist einfach mit Absicht in Russell gecrasht. Das war furchtbar.»
Danach gefragt, ob dies tatsächlich der Fall war, sagte Verstappen nach dem Rennen: «Spielt das eine Rolle?» Mehr wollte er zu dem Vorfall nicht sagen, viel lieber beschwerte er sich über das langsame Auto, mit dem er keine Chancen dazu sieht, um den WM-Titel zu fahren. Zur Kritik von Russell, der Verstappens Verhalten als «schade für all die jungen Kinder, die zu ihm aufschauen» bezeichnete, fügte der Niederländer noch an: «Ich bringe ihm das nächste Mal Taschentücher mit.» Russell selbst habe er «nichts mehr zu sagen». Am nächsten Tag zeigte Verstappen zumindest etwas Einsicht. Auf Instagram schrieb er: «Einige Manöver nach der Safety-Car-Phase haben mich frustriert, was zu einer Aktion geführt hat, die nicht richtig war und nicht hätte passieren dürfen.»
Red-Bull-Teamchef Christian Horner hatte die Aktion noch am Sonntag zumindest ansatzweise zu erklären versucht: «Max war verärgert über die Aufforderung, den Platz zurückzugeben, weil er einerseits das Gefühl hatte, dass Russell ihm keinen Raum gelassen hatte, und er andererseits nicht glaubte, dass Russell wirklich vorne war.» Mercedes-Teamchef Toto Wolff vermutete, dass Verstappen seinen Konkurrenten vorbeilassen und sofort wieder überholen wollte. Auch er zeigte kein Verständnis für den Vorfall, erklärte aber: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ‹Road Rage› war. Ansonsten wäre das nicht gut.»
Bei McLaren, das einen Doppelsieg feierte, konnte man über den Vorfall lachen. Lando Norris, der das Rennen hinter Oscar Piastri auf dem 2. Platz beendete, witzelte beim Betrachten der Bilder vor der Siegerehrung: «Ich hab das auch schon mal gemacht … bei Mario-Kart.»
Später fragte er den neben ihm stehenden Russell beim Interview: «Waren das du und Max?» Als dieser bejahte, sagte Norris nicht ohne Anflug von Ironie: «Ich kann nicht glauben, dass du so in ihn reingefahren bist. Das war verrückt. George hätte eine Strafe bekommen müssen, das ist klar.»
— LN media (@NorrisClip) June 1, 2025
Für Verstappen könnte der Vorfall noch weitreichendere Folgen haben. Da er neben der Zeitstrafe auch noch drei Strafpunkte aufgebrummt bekam, darf er sich nun erst mal nichts mehr erlauben. Denn: Wer zwölf Strafpunkte innert eines Jahres sammelt, wird für ein Rennen gesperrt. Verstappen steht nach dem GP von Spanien bei elf solchen Punkten. Erst nach den nächsten beiden Rennen in Kanada und Österreich verfallen zwei seiner Strafpunkte.
Einer der Profiteure der Zeitstrafe gegen Max Verstappen war Sauber. Gross war der Jubel nach dem fünften Platz von Nico Hülkenberg, der von Platz sechs vorrückte und dem Rennstall aus Hinwil so zehn Punkte sicherte. Das Update für das Auto zeigte Wirkung. Mit nun 16 Zählern verliess Sauber den letzten Platz der Konstrukteurswertung und ist neu Achter.
Schwarz wäre das einzig Richtige gewesen. Ich hoffe Red Bull wählt intern andere Worte, als gegenüber den Medien und erwägt auch evtl. disziplinarische Massnahmen. Es war ja auch nicht das erste Mal.
Ich weiss ja nicht, wie viele Strafpunkte die Konkurrenten haben, aber wer nah an einer Sperre ist, macht auf mich keinen reifen Eindruck.