Noch nie wurde an einer WM der Frauen besser Fussball gespielt als in den letzten vier Wochen in Frankreich. Der Frauen-Fussball ist in den letzten Jahren deutlich dynamischer und flexibler geworden. Die Teams haben sich taktisch verbessert, das Tempo ist nochmals gestiegen.
Die Spiele waren meist spannend, attraktiv und teils von grosser Intensität. Die beste Partie war der Halbfinal zwischen England und dem späteren Weltmeister USA, der alles hatte, was ein Fussballspiel braucht: einen Platzverweis, herrliche Tore, ein aberkannter VAR-Treffer, grandiose Paraden und einen verschossenen Elfmeter.
Das Turnier war ansonsten von einer erfrischenden Fairness geprägt. Man sah fast keine Rudelbildungen oder Schwalben, wenig Theatralik und nur selten jammernde Spielerinnen. Es wurden keine Schiedsrichterinnen bestürmt und keine Karten für die Gegnerin gefordert.
Der vierte WM-Titel der USA – der zweite in Serie – war hochverdient. Der Wucht des erfahrenen Teams von Trainerin Jill Ellis konnte die europäische Konkurrenz nichts entgegensetzen. Dennoch: Die Lücke zwischen den Amerikanerinnen und den Nationen vom alten Kontinent ist kleiner geworden – und sie wird noch kleiner werden.
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— U.S. Soccer WNT (@USWNT) 7. Juli 2019
Seit einigen Jahren erhält der Frauen-Fussball von den europäischen Topklubs immer mehr Beachtung. Grössen wie Manchester City, Chelsea, Atlético Madrid oder Juventus Turin pushen ihre weiblichen Teams und werden dank ihren finanziellen Mitteln sowie den optimalen Trainingsbedingungen für einen weiteren Leistungssprung sorgen.
Die USA sind gewarnt und der erste Schritt zum Halten der Vormachtstellung getan: Mit Budweiser wurde ein prominenter Sponsor für die heimische Liga an Land gezogen. So soll der Frauen-Fussball kontinuierlich unterstützt werden und nicht bloss alle vier Jahre.
The @USWNT has made us proud. But today is not the end. Today is a new beginning. We #WontStopWatching.#OfficialSupporter pic.twitter.com/srzQCYDC8Z
— Budweiser (@budweiserusa) 7. Juli 2019
«Das war die beste Frauen-WM aller Zeiten», verkündete FIFA-Präsident Gianni Infantino an seiner Abschluss-Konferenz zur Frauen-WM – und es war auch die meistgeschaute WM aller Zeiten. 1'163'000 Eintrittskarten wurden laut FIFA für die 52 Spiele insgesamt verkauft. Der Schnitt von 22'365 Zuschauern pro Spiel ist zwar so tief wie seit 2003 nicht mehr, dafür explodierten die TV-Zahlen.
Laut FIFA haben auf allen TV-Kanälen und Plattformen mehr als eine Milliarde Menschen weltweit die WM-Spiele verfolgt – das ist eine Verdopplung im Vergleich zur WM in Kanada vor vier Jahren. Die meisten Zuschauer lockte bisher der Achtelfinal zwischen Brasilien und Frankreich mit weltweit knapp 58,8 Millionen Zuschauern an – ein Allzeit-Rekord für ein Frauenfussball-Spiel.
In Grossbritannien sahen sich auf BBC 11,7 Millionen das Aus ihrer «Lionesses» («Löwinnen») gegen die USA an. Das sind mehr, als beim WM-Final der Männer von 2018 zwischen Frankreich und Kroatien eingeschaltet haben, und immerhin knapp halb so viele wie beim Halbfinal-Aus der Männer gegen Kroatien.
In Deutschland sendeten ARD und ZDF alle WM-Spiele live. In der Schweiz wurde die WM weniger medial begleitet als in England oder Deutschland: Das SRF übertrug die Spiele aufgrund der Abwesenheit der Schweizer Nati erst ab den Halbfinals live im TV, 21 weitere Partien wurden online im unkommentierten Livestream gezeigt.
Megan Rapinoe ist der grosse Star der Frauen-WM 2019. Die Capitaine von Weltmeister USA erhielt mit 6 Toren und 3 Assists nicht nur den goldenen Schuh als beste Torschützin, sie wurde auch mit dem «Goldenen Ball» als beste Spielerin des Turniers ausgezeichnet.
Doch Rapinoe glänzt nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Die 34-jährige lesbische Fussballerin mit violett-gefärbtem Haar war schon vor der WM bekannt dafür, sich gegen Rassismus, Polizeigewalt, Homophobie und Geschlechterdiskriminierung einzusetzen.
An der WM nutzte sie die grössere Bühne, um noch energischer auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Schon während der Gruppenphase erklärte sie medienwirksam, dass sie nicht ins «beschissene Weisse Haus» gehen werde, falls die USA ihren WM-Titel verteidigen sollten.
US-Präsident Donald Trump giftete zurück und erklärte auf Twitter, dass Rapinoe erst den Job zu Ende bringen solle, bevor sie rede. Das tat die Stürmerin dann prompt: Im Final gegen Holland erzielte sie per Penalty das wegweisende 1:0, danach breitete sie triumphierend die Arme aus.
Nach dem WM-Final wollte FIFA-Präsident Gianni Infantino den Final-Teilnehmerinnen eigentlich nur die Hände schütteln und den frischgebackenen Weltmeisterinnen den Pokal überreichen. Doch als der 49-jährige Walliser den Rasen betrat, wurde er vom Publikum gnadenlos ausgebuht. Mit «Equal Pay»-Rufen forderten die Fans einmal mehr gleiche Prämien für die Frauen wie bei den Männern.
Kritisiert wurden Infantino und die FIFA schon vor dem Final, weil am selben Tag wie das WM-Endspiel der Frauen auch der Final der Copa América und des Gold Cups angesetzt waren. «Es ist eine furchtbare Idee, alles auf einen Tag zu legen. Am Sonntag findet das Finale der WM statt, das sollte ein Sagt-alles-andere-ab-Tag sein», sagte Rapinoe. «Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Es ist eigentlich unglaublich und fühlt sich nicht so an, als würde die FIFA die Frauen gleichermassen respektieren.»
Schon am Freitag informierte Infantino über die Zukunftspläne der FIFA für die Frauen-WM. Trotz Resultaten wie dem 13:0 der USA gegen Thailand soll die WM von 24 auf 32 aufgestockt werden. Die Preisgelder werden von 30 auf 60 Millionen Dollar erhöht, im Vergleich zu den Männern bleibt man aber auf einem bescheidenen Niveau: Bei der WM 2022 in Katar werden 440 Millionen Dollar ausgeschüttet, 40 Millionen mehr als letztes Jahr in Russland. Damit wird die Lücke zwischen Frauen und Männern also grösser statt kleiner.
Nach der WM-Premiere bei den Männern in Russland gab es auch bei der Frauen-WM erstmals den Videobeweis. Als Problem erwies sich aber die mangelnde Erfahrung vieler Schiedsrichterinnen mit der Technik, den zahlreichen Schulungen im Vorfeld zum Trotz.
Absprache-Mängel zwischen den durchwegs männlichen VAR (Video-Assistent-Referees) und den weiblichen Unparteiischen waren die Folge. Problem war auch, dass für die Zuschauer im Stadion nicht immer nachzuvollziehen war, warum die Überprüfung einer Szene so unglaublich lange dauerte. Zwar gab es auf den Leinwänden den Hinweis: «Tor wird überprüft», doch warum war oft nicht ganz klar. Nicht nur die Zuschauer, sondern auch Spielerinnen fühlten sich deshalb teilweise extrem gestört.
Fazit: Der Videobeweis ist auch bei den viel schneller gewordenen Frauen-Spielen unerlässlich. Aber es gibt noch viel zu tun.
Die Nati um Superstar Ramona Bachmann verpasste die Qualifikation für die WM nach dramatischem Scheitern in der Gruppe schliesslich in der Barrage gegen Vize-Weltmeister Holland und ist deshalb nun mehr gefordert denn je. Die direkte Konkurrenz um die Plätze an den grossen Turnieren hat sportlich wie finanziell einen Schritt nach vorne gemacht, während die Schweiz nur Zuschauer war.
Um den Anschluss am womöglich grossen Wendepunkt in der Geschichte des Frauen-Fussballs nicht zu verpassen, müssen die Strukturen auch in der Schweiz schnellstmöglich professionalisiert werden. Nur wenn sich die Klubs und der SFV entsprechend finanziell engagieren, kann die Grundlage für kontinuierliche sportliche Erfolge gelegt werden. Und nur der sportliche Erfolg garantiert am Ende das nötige Interesse des Publikums.
(mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA)
Aber was ist denn Equal?
- Die Leistung? Solange die Weltmeisterinnen gegen ein 2. Liga-Männerteam verlieren, kann von gleicher Leistung nicht annähernd gesprochen werden.
- Das Entertainment? Solange nur ein Bruchteil Zuschauer zuschauen, ist auch das nicht gegeben.
Und bei der Erhöhung stehen sie mit +100% (30 auf 60 Mio) gegenüber den Männern mit +10% (400 auf 440 Mio) doch schon super da.