Ana-Maria Crnogorcevic ist wieder da. Nachdem die Rekordnationalspielerin (151 Partien) und Rekordtorschützin (71 Treffer) beim letzten Zusammenzug des Schweizer Nationalteams im September gefehlt hat, ist sie einen Monat später zurück im Kreis der SFV-Auswahl. Als sie am Dienstagnachmittag in einem Hotel in Pfäffikon vor Medienschaffenden sitzt, sprudeln die Worte erst einmal aus der 33-Jährigen heraus. Sie erzählt von ihrem vollen Terminkalender, auf dem für sie in diesem Zusammenzug nicht nur Trainings, Spiele und Regeneration stehen, sondern auch ein Kurs.
Wie andere Nationalspielerinnen hat sie sich für einen vom Verband organisierten Trainerkurs angemeldet, an dessen Ende ihr das C-Diplom verliehen werden wird. Also stand Crnogorcevic am Montag auch kurzerhand als Coach im Einsatz und dirigierte eine Juniorenmannschaft aus Rapperswil auf dem Feld herum. «Ich finde super, dass wir die Möglichkeit erhalten haben, so einen Kurs zu machen», sagt Crnogorcevic, die sich gut vorstellen kann, nach ihrer Karriere in eine solche Rolle zu schlüpfen.
In diesem Sommer schien ihr Karriereende für eine kurze Zeit näher als gedacht. Nachdem ihr nach ihrer persönlich besten Saison, in der sie für das europäische Spitzenteam Barcelona 40 Partien bestritten hatte, kurz nach Trainingsstart für die neue Spielzeit eröffnet worden war, dass sie in Katalonien keine Zukunft mehr hätte, stand die Bernerin vor grossen Veränderungen – nach drei Jahren und insgesamt sieben gewonnenen Trophäen, darunter zweimal diejenige der Champions League, musste sie den Klub verlassen.
Der Abgang kam für sie unerwartet, schliesslich war ihr Vertrag in Barcelona noch ein Jahr gültig. Im Glauben an eine kurzfristig gesicherte Zukunft hatte sie sich auch von ihrem Berater getrennt, weil sie auf dieser Position eine Veränderung anstrebte. Als sie aber über die Entscheidung Barcelonas informiert worden war, ihren Vertrag offiziell aus Spargründen aufzulösen, stand Crnogorcevic plötzlich ohne Klub und ohne Berater da.
Über Nati-Captain Lia Wälti, die sie in Spanien besuchte, kam aber schliesslich der Kontakt zu einer Berateragentur zustande, die sie bei ihrem jetzigen Arbeitgeber Atlético Madrid unterbringen konnte. «Es war wirklich viel los in den letzten Monaten», sagt Crnogorcevic und erzählt von ihrer Wohnungssuche und der Integration in ein neues Umfeld. «Jedes Team funktioniert ein bisschen anders. Darum braucht das schon etwas Zeit.»
In fünf Einsätzen für die amtierenden Cupsiegerinnen hat Crnogorcevic bisher einen Treffer und eine Vorlage geliefert. Ihr gefällt es in Spanien, insofern ist sie froh, fand sie trotz der Kurzfristigkeit Unterschlupf. Ein lukratives Angebot aus Mexiko hätte die Stürmerin fast zu einem Abenteuer in Übersee verleitet, doch die Vertrautheit mit der spanischen Liga und Kultur überzeugte sie schliesslich von einem Verbleib im Land der Weltmeisterinnen.
Ana-Maria Crnogorcevic est élue joueuse du mois de septembre à l'Atletico Madrid 🌟🇨🇭
— Femmes Foot News 📰 (@femmesfootnews) October 15, 2023
Ce soir c'est les retrouvailles avec le Barça 👋🇪🇸
📸 Capture @AtletiFemenino pic.twitter.com/bATK5esEyd
Kürzlich erhielt die Schweizer Rekordnationalspielerin in Madrid Besuch aus der Heimat. Nationaltrainerin Inka Grings und Marion Daube, die Direktorin Frauenfussball im SFV, flogen in die spanische Hauptstadt.
Spätestens nachdem an die Öffentlichkeit gedrungen war, dass es nach dem Ausscheiden im WM-Achtelfinal gegen Spanien (1:5) Spannungen zwischen Coach Grings und Führungsspielerinnen gegeben habe, und dass Crnogorcevic diejenige gewesen sein soll, die ihre Kritik am lautesten kundgetan und deshalb zuletzt gefehlt habe, gab es zwischen Verband und Spielerin Klärungsbedarf. Unter anderem hatte sich die Spielerin nach dem plötzlichen Ende ihrer Zeit in Barcelona mehr Unterstützung und Rückendeckung aus dem SFV-Umfeld erhofft.
Es ist der Moment, in dem die Worte bei Ana-Maria Crnogorcevic in Pfäffikon nicht mehr sprudeln. «Dazu sage ich nichts», sagt sie. Und sagt damit trotzdem ein paar Dinge. Nämlich, dass sie vermeiden will, dass ihre Worte erneut für Unruhe sorgen. Dass sie, die auch aufgrund ihrer emotionalen und offenen Art eine beliebte Gesprächspartnerin ist, darauf achten soll, ihre Statements in der Öffentlichkeit nicht aus einer Emotion heraus zu machen. Und dass es mit ihr und Grings funktionieren soll.
Die deutsche Trainerin lässt auf ihr Verhältnis mit Crnogorcevic angesprochen auf verbaler Ebene einen etwas tieferen Blick zu. Sie sagt, sie habe sich rund anderthalb Stunden mit ihrer zuletzt aussortierten Spielerin unterhalten. Ein «gutes, wichtiges Gespräch», sei es gewesen. Eines, in dem beide Parteien Dinge angesprochen hätten, die sie stören und wie diese verbessert werden könnten.
«Ich möchte jetzt da keinen Hokuspokus daraus machen», sagt Grings und zeigt sich bemüht, dem Verhältnis zu einer ihrer wichtigsten Spielerinnen die Spannung zu nehmen. «Ich bin nicht der nachtragende Typ, und es geht sowieso weder um mich noch um Ana-Maria, sondern um das ganze Team und dass wir erfolgreich sind.»
Mit dem Erfolg war das zuletzt aber so eine Sache. Von den zwölf Partien unter Inka Grings hat die Schweiz gerade einmal eine gewonnen, beim 2:0 zum WM-Auftakt gegen die Philippinen. Nun stehen die nächsten zwei Partien in der neu geschaffenen Nations League an. Am Freitag (18.30 Uhr) gegen den WM-Dritten und Weltranglisten-Ersten Schweden, am Dienstag (19.00 Uhr) folgt das Wiedersehen mit den Weltmeisterinnen und Weltranglisten-Zweiten aus Spanien im Zürcher Letzigrund.
Crnogorcevic erinnert daran, dass die Schweiz im vergangenen Sommer an der EM in England gegen die Skandinavierinnen beinahe einen Punkt geholt hätte. Der entscheidende Treffer zum 1:2 in Sheffield fiel erst in der Schlussphase. Und Grings meint, wenn sie nicht an ihre Chance glauben würden, müssten sie gar nicht antreten. Sonst hilft vielleicht eben doch nur Hokuspokus. (kat,sda)