Einen 4:0-Sieg in einem Testspiel gegen Estland sollte man natürlich nicht überbewerten. Aber zumindest fürs gute Gefühl war der gestrige Auftritt der Schweizer Fussball-Nati wertvoll. Das Spiel und die Tage und Wochen davor haben gezeigt, dass es fünf Namen gibt, die das Potenzial zum Hoffnungsträger für das Turnier in Deutschland haben.
Eigentlich ist das Schweizer Zentrum mit Granit Xhaka, Denis Zakaria oder Remo Freuler ja gut besetzt. Aber Zakaria ist noch immer angeschlagen und es ist nicht sicher, ob der Romand rechtzeitig für die EM wieder einsatzbereit ist. Und Freuler konnte zuletzt in der Nati nicht gleichermassen überzeugen, wie er das im Klub tut. Da hat sich Vincent Sierro als brauchbare Alternative fürs zentrale Mittelfeld hervorgetan.
Der Walliser war in der vergangenen Saison bei Toulouse nicht nur gesetzt, sondern Captain. Er bringt eine Prise mehr offensive Kreativität mit als beispielsweise Freuler. Auch gestern direkt nach seiner Einwechslung mit einem mutigen Abschluss, zudem ist er eine gute Ergänzung zu Xhaka. Dieser Vincent Sierro hat auch an der EM gute Chancen, eine wichtige Rolle zu spielen.
Neu ist Ruben Vargas in der Nati nun wahrlich nicht, schliesslich hat er bereits 41 Länderspiele auf dem Buckel. Doch neu ist seine Spielweise und Überzeugung. Es scheint, als hätte der Luzerner in dieser Saison nochmal diesen einen Schritt nach vorne gemacht, den man ihm schon länger zugetraut hat.
In der Nati übernimmt Vargas mehr Verantwortung und sorgt mit seinem Tempo und seiner Wirbligkeit für Probleme in den gegnerischen Abwehrreihen. Mit drei Toren und zwei Assists in neun EM-Qualispielen war er einer der erfolgreichsten Schweizer auf dem Weg nach Deutschland. Gegen Estland bereitet er 104 Sekunden nach seiner Einwechslung das 2:0 durch Zeki Amdouni vor. Einen Vargas in dieser Form kann die Nati an der EM gut gebrauchen.
Kein Spieler, sondern der Assistenztrainer. Giorgio Contini ist seit März Teil des Trainerstaffs von Murat Yakin. Und angesichts der starken Kritik an Yakin in den letzten Wochen und Monaten und auch seiner behäbigen Art setzt man als Nati-Fan vielleicht etwas Hoffnung darin, dass Contini den Spielern im richtigen Moment etwa Feuer unter dem Hintern macht.
Der Zürcher hat sich im Schweizer Fussball schon oft als Feuerwehrmann bewährt. Er kennt die Situation, in wenigen Spielen das Maximum aus einer Mannschaft holen zu müssen. Zudem hat das Duo Yakin/Contini schon einmal gut funktioniert. Als sie 2011/12 beim FC Luzern die Geschicke leiteten, führten sie die Zentralschweizer bis in den Cupfinal und auf Platz 2 in der Meisterschaft. Mit seinem Sprachtalent und seinem Feuer könnte Contini der Mann sein, der in den wichtigen Momenten ein paar zusätzliche PS aus den Spielern kitzelt.
Der 23-jährige Flügel hat sich in dieser Saison bei Bologna als Stammspieler etabliert. Ob Ndoye auch in der Nati gleich zum Stammpersonal gehört, darf bezweifelt werden, zumal Ruben Vargas gut in Form ist. Doch Ndoye wusste im gestrigen Testspiel gegen Estland ebenfalls zu gefallen.
In der ersten Halbzeit lief praktisch jeder Angriff über seine linke Seite. Auch wenn Ndoye an der EM wohl nicht von Beginn weg spielen wird, so hat er gezeigt, dass er mit seinem Tempo auf den Aussenbahnen jederzeit für Gefahr sorgen kann. So dürfte er für Murat Yakin eine attraktive Option als Joker sein.
Ein neuer alter Hoffnungsträger könnte Steven Zuber sein. Unter Murat Yakin spielte der Flügel von AEK Athen praktisch keine Rolle mehr. Doch mit einer soliden Saison in Griechenland hat sich Zuber wieder auf den Zettel des Nati-Trainers gespielt.
Auch gestern gegen Estland war sein Auftritt – wie so oft in der Nati – erfrischend. Keine falsche Scheu, mit viel Zug aufs Tor und wann immer sich die Möglichkeit bot, auch mit dem Abschluss (und dem Tor zum 1:0). Was für Zuber spricht: Er ist es sich gewohnt, in der Nati auf der linken Aussenbahn mit Dreierkette in der Verteidigung zu spielen. Beim heroischen Sieg im letzten EM-Achtelfinal gegen Frankreich nahm er genau diese Rolle ein. Zuletzt in Athen kam er aber auch als Stürmer zum Einsatz – vielleicht kann er ja das Sturmproblem von Murat Yakin lösen.