Ja, auch wir auf der watson-Redaktion lieben die brodelnde Gerüchteküche während des Transfersommers. Auch wenn meistens nur ein Bruchteil der kursierenden Gerüchte einen Kern Wahrheit enthält, das Spekulieren um Neuzugänge und Ablösesummen macht Spass. Zumal der Wechsel-Zirkus ein idealer Nährboden für sarkastische und ironische Beiträge ist.
Doch der Spass hört dann auf, wenn sich die Anzeichen auf einen Wechsel tatsächlich verdichten. Und es sich zudem um zwei Aushängeschilder der Schweizer Fussball-Nati handelt. Dann geht es darum, die Ironie für einmal aussen vor zu lassen und die Thematik mit der nötigen Seriosität zu behandeln.
Wenn ein Gökhan Inler oder ein Xherdan Shaqiri den Verein wechselt, wollen wir selbstverständlich die Ersten sein, die das vermelden. Denn wir sind Winnertypen. Das liessen wir die Konkurrenz auch schon am Fussball-Pubquiz spüren. Mal abgesehen von diesen zwei Teams, welche sich mit Cola gedopt und in der Pause Quizduell gespielt haben.
Deshalb hiess es bereits schon längst vor dem Vollzug: Push vorbereiten, Meldung schreiben!
Shaqirivederci! Der Schweizer Internationale wechselt für x Millionen Franken von Inter Mailand zu Stoke City!
Von nun an ist bei jedem Mitglied der Sportredaktion abgesehen vom Chef, der ist vier Monate gemütlich am velölen ein Bildschirm für den Twitter-Kanal von Stoke City geöffnet. Der Oberstreber von uns hat sogar einen Push-Alert eingestellt. Sobald Stoke City einen neuen Tweet ins Netz stellt, surrt sein Handy. Aber leider auch, wenn die U21 von Stoke im Testspiel einen Treffer erzielt.
Doch der Deal scheint zu platzen, Shaqiri wechselt wohl doch nicht zu Stoke City. Auf einmal ist die Rede von Schalke oder sogar Dortmund. Von jetzt an gilt es, neben den englischen auch die deutschen Medien genauestens zu observieren. Was an diesen Gerüchten dran ist, weiss wohl niemand so genau und trotzdem alle irgendwie besser, denn Informationen aus erster Hand gibt es nicht, schliesslich ist alles streng geheim.
Doch lange geschieht gar nichts mehr, vielleicht bleibt Shaqiri ja sogar doch bei Inter Mailand. Wir geraten allmählich wieder in altes Ironie-Fahrwasser und versuchen unserer Verzweiflung mit dem einfachsten Quiz aller Zeiten Ausdruck zu verleihen: «Zu welchen Klubs wurde Xherdan Shaqiri diesen Sommer schon geschrieben?»
Es sind deren 14 ... Mindestens.
Wir bereiten uns bereits mental darauf vor, dass das ganze Shaqiri-Theater noch bis Ende August und dem Ende des internationalen Transferfensters fortgesetzt wird, doch dann taucht unser Nati-Star auf der Tribüne bei einem Stoke-Spiel auf. Höchste Alarmbereitschaft! Mittag- und Abendessen erfolgen jetzt nur noch gestaffelt. Tatsächlich ein paar Tage und unzähliges Refresh-Button-Drücken später fliegt mir in der watson-Küche beim Z'Nacht fast das Bürli in den Salat.
Shaqirivederci! Der Schweizer Internationale wechselt für 18 Millionen Franken von Inter Mailand zu Stoke City!
BREAKING | City complete Club record £12m deal for Xherdan Shaqiri #WelcomeShaqiri #SCFC pic.twitter.com/YpTaFEHURU
— Stoke City FC (@stokecity) 11. August 2015
Wir haben wie immer gewonnen und pushen die Meldung zuerst. Meine Kollegen haben besser auf den Twitter-Kanal von Stoke aufgepasst als Mary Poppins auf ihre Kinder. Keine Minute nach dem Tweet ist der Push draussen, zwei Zeigerumdrehungen später prangt der Artikel, den wir schon vor einem Monat vorbereitet haben, auf unserer Front. «Es ist fix: Xherdan Shaqiri wechselt für 18 Millionen Franken zu Stoke City in die Premier League». Jetzt sofort mit dem Neusten updaten ...
Nach diesem Triumph heisst es, bloss nicht nachlässig werden, schliesslich steht auch Nati-Captain Gökhan Inler kurz vor einem Transfer in die Premier League. Wieder heisst es Push und Meldung vorbereiten:
Ciao Spaghetti Napoli, hello Fish and Chips: Gökhan Inler wechselt von der Serie A zu Leicester City.
Doch mitten während dem Feierabendbier von vergangenem Freitag lässt der Push von den Kollegen von «20 Minuten» unser Handy vibrieren.
Der Transfer von Inler zu Leicester sei fix, behaupten sie.
Wir haben verloren, meinen wir.
Aber nur für einen kurzen Moment. Denn fix ist noch gar nichts, weder Gökhan Inler noch Leicester City haben sich offiziell zum Transfer geäussert. Amtlich wird der Wechsel erst am Mittwochmittag. Weshalb es solange gedauert hat, weiss niemand so richtig. Gemäss NZZ mussten zuerst noch Fragen um Bildrechte und das Sponsoring von Inler geklärt werden. Laut dem Tages-Anzeiger flatterte nochmals ein verbessertes Angebot von Schalke 04 rein.
BREAKING: #lcfc have signed @GokhanInler from @sscnapoli. #WelcomeGokhan pic.twitter.com/hqhWguyL1Y
— Leicester City (@LCFC) 19. August 2015
Tatsache ist: Den Sieg heimsen wir auch dieses Mal ein. Auch wenn wir fairerweise zugeben müssen, dass «20 Minuten» mit ihrem Push vom Freitag ja auch nicht ganz unrecht hatte. Schliesslich finden wir es ja auch okay, wenn wir den Sieg eines Skirennfahrers vor Ende des Rennens verkünden.
Abgesehen davon glaube ich nicht, dass für Konsumenten von News-Seiten die Schnelligkeit der Push-Nachrichten in irgend einer Weise relevant sein könnte. Die Zeit und den Aufwand könnte man besser in andere Berichte stecken (Wobei euer Format ja grundsätzlich ganz gut ist ;-))