Die Young Boys bekommen es heute um 18:55 Uhr im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League mit einem ganz Grossen des europäischen Klubfussballs zu tun. In der Johan-Cruyff-Arena werden sie vom dreimaligen Sieger im Europacup der Landesmeister, dem Gewinner der Champions League 1995 und dem holländischen Rekordmeister (34 Titel) erwartet: von Ajax Amsterdam.
Wie tickt dieser Verein? Warum bringt er immer wieder Weltklassespieler aus dem eigenen Nachwuchs hervor? Was sind die Stärken und Schwächen des aktuellen Teams?
Léon Bergsma, der aktuelle Abwehrchef des FC Aarau (24), ist prädestiniert dafür, diesen Klub zu erklären. Er hat während 13 Jahren die berühmte Nachwuchsschule von Ajax durchlaufen. Er hat an der Seite von Matthijs de Ligt verteidigt, dem heutigen Star von Juventus Turin, und er war Captain von Jong Ajax, dem Meister der zweithöchsten Spielklasse 2018. Bergsma war zuvor mit Ajax auch zweimal holländischer U19-Meister geworden. Er trug mehrfach das orange Trikot der U-Nationalteams.
«Es treffen zwei starke Mannschaften aufeinander. YB ist das mit Abstand beste Team der Schweiz und Ajax das stärkste in Holland. Ajax hat mehr Geld, mehr internationale Erfahrung und ist der Favorit; dennoch ist die Aufgabe nicht leicht. Wenn YB in Amsterdam ein gutes Ergebnis gelingt, ist im Rückspiel auf dem Kunstrasen viel möglich. Meine Prognose: Zu 60 Prozent kommt Ajax weiter.»
«In den letzten Monaten hat sie ihr Gesicht verändert und der Trainer die beste Aufstellung gefunden. Ajax ist seit 19 Pflichtspielen ungeschlagen. Davy Klaassen besetzt nun die Position der Nummer 10 und der Mexikaner Edson Álvarez stopft im defensiven Mittelfeld die Löcher. Das ist wichtig, weil alle Ajax-Spieler gerne angreifen und sich bei Ballverlusten hinter ihnen Lücken auftun.»
«Sébastien Haller ist in der Europa League nicht spielberechtigt. Damit ist die Rolle von Dusan Tadic im Angriff noch bedeutsamer. Als Captain ist er enorm wichtig und orchestriert zusammen mit Klaassen das Pressing. Die Brasilianer David Neres und Antony sind starke Flügel. Das grösste Talent ist aber der 18-jährige Ryan Gravenberch im linken Mittelfeld. Er kann am Ball alles und beherrscht das Pressing. In der Defensive schliesslich ist Daley Blind der wichtigste Spieler. Hat er den Ball, findet er immer eine gute Lösung.»
«Ajax spielt immer im 4-3-3. Mit einer Nummer 10 als offensivem Mittelfeldspieler hinter den Spitzen und zwei Sechsern.
«Er macht seit drei Jahren einen hervorragenden Job, wurde mit Ajax Meister und Cup-Sieger und erreichte in der Champions League den Halbfinal. Man erkennt im Ajax-Spiel seine Handschrift. Beeindruckend ist, wenn das ganze Team zum Pressing ansetzt. Ten Hag lässt immer gepflegt von hinten herausspielen, er liebt kreative Spieler. Ajax spielt nie lange Bälle.»
«Die Vereinsikonen Edwin van der Sar und Marc Overmars gehören zur vierköpfigen Direktion und tragen zusammen mit dem Trainer im sportlichen Bereich die Verantwortung. Daneben gibt es noch die Entscheidungsträger auf finanzieller und kommerzieller Ebene.»
«Ajax holt die meisten Punkte für die Uefa-Fünfjahreswertung. Das ist gut für den holländischen Fussball. Und ja, die Menschen sind schon stolz auf diesen Klub. Auf die Siege über Real Madrid und Juventus in der Champions League. Ajax spielt nun auch in Europa wieder eine sehr gute Rolle.»
«Er ist der wichtigste Spieler und die bedeutendste Person in der Geschichte von Ajax. In Amsterdam bewundern ihn alle. Ich sah ihn leider nie spielen, aber ich weiss, dass er der beste holländische Spieler aller Zeiten ist und auch nach seiner Laufbahn als Spieler den Klub massgeblich beeinflusst und geprägt hat. Aber er spaltete auch; doch die Mehrheit war für ihn. Dass das Stadion nun Johan-Cruyff-Arena heisst, sagt alles.»
«Zuerst einmal ist die Ausbildung im Nachwuchsbereich erstklassig. Aber ganz wichtig ist, dass die Eigengewächse auch ihre Chance in der ersten Mannschaft erhalten. Bis vor einigen Jahren schafften pro Saison ein oder zwei Jungprofis den Sprung, die anderen mussten gehen. Jetzt aber bekommen viele ganz viel Einsatzzeit und nützen ihre Chance. Das ist sehr gut für den Klub, muss er doch deutlich weniger für neue Spieler ausgeben. Und kann die Besten für viel Geld (Frenkie de Jong für 86 Millionen Euro zu Barcelona, Matthijs de Ligt für 85,5 Millionen Euro zu Juventus und Donny van de Beek für 39 Millionen Euro zu Manchester United; die Red.) verkaufen. Ja, die Philosophie hat sich zu Gunsten der Jungen verändert.»
«Natürlich war es ein Traum, so viele Jahre Teil von Ajax zu sein und zu hoffen, es in die erste Mannschaft zu schaffen. Ich durchlief alle Stufen und kam in die zweite Mannschaft, die als Jong Ajax in der zweithöchsten Liga spielt. Ich war da Captain, trainierte jedoch oft mit der ersten Mannschaft und sass bei ihr auf der Ersatzbank. Ich war nahe dran. Nach dem Trainerwechsel zu Erik ten Hag merkte ich, dass der Neue nicht so auf mich setzt und entschied mich – trotz aller meiner Träume –, zu Alkmaar zu wechseln.»