Ein 0:0 erkämpfte sich die Schweiz im ersten Länderspiel des Jahres. Es ist ein Resultat, das von den Protagonisten positiv und als Reaktion auf den vergangenen Herbst verstanden wird. Obschon sich die Offensive keine Meriten verdienen konnte, blass blieb und die Nati nunmehr in den letzten acht Partien bloss ein einziges Mal (gegen Andorra) gewinnen konnte. Notabene erzielten die Schweizer in den vergangenen vier Auftritten lediglich zwei Tore.
Der Schweizer Nati-Trainer Vladimir Petkovic hatte ein Faible für die Dreierkette. Sein Nachfolger Murat Yakin veränderte das System in eine Viererabwehr, punktuell wie im letzten Länderspiel des Jahres besann er sich zurück auf drei zentrale Verteidiger. Jene Begegnung in der EM-Qualifikation gegen Rumänien ging gleichwohl 0:1 verloren.
Neues Jahr, neuer Versuch, wie von Yakin angekündigt mit Dreierkette. Und siehe da, sie funktionierte nach Startschwierigkeiten gut, die Schweizer hatten Zugriff auf Gegner und Ball. «Die Zone 1 und 2 hatten wir im Griff», sagte auch Yakin. Auf den Aussenbahnen sicherten Dan Ndoye, der diese Position links erstmals spielte, und Silvan Widmer ab. Wobei sich Ndoye mehr nach vorne entfaltete und Widmer eher auf die Absicherung schaute.
Dass die Dreierkette funktionierte und vor ihr Granit Xhaka das Geschehen lenkte, wie er das mag, hatte auch mit Fabian Schär zu tun; er zeigte mit sein bestes Länderspiel unter Yakin. Der Newcastle-Spieler kämpft mit Nico Elvedi um die EM-Startelfposition, er sagte: «Wir haben wieder mal zu null gespielt, das ist wichtig fürs Selbstvertrauen. Offensiv müssen wir wohl noch mehr Risiko nehmen, um uns in die Gefahrenzone zu bringen.»
Einen Vorteil der Dreierkette sieht Schär im Vorwärtsverteidigen. Weil normalerweise noch einer da ist, der absichert. Der 32-Jährige erfuhr erst an der Teamsitzung, dass er spielen würde. Und war glücklich, wie er sagte. «Wir werden dann an der EM sehen, wer spielt. Ich versuche, mich aufzudrängen. Und wenn es dann nicht reicht, werde ich die anderen von draussen unterstützen.»
Es waren für Yann Sommer zehn Länderspielminuten zum Vergessen. Zwar rettete der Schweizer Goalie in dieser Phase zweimal vor einem möglichen Gegentreffer. Doch er vertrat sich den Fuss mit der ersten Rettungstat und spürte nach der zweiten beim Zusammentreffen mit Rasmus Hojlund, dass es mit diesem Sprunggelenk nicht mehr weitergeht.
Sommer kühlte den Fuss sofort, eine genaue Diagnose ist aber noch nicht da. Für weitere Abklärungen verlässt er nun die Nati und kehrt zu seinem Klub Inter Mailand zurück. Jonas Omlin wird für Sommer nachnominiert und stösst am Sonntag in Dublin zum Team, wo dann das zweite Testspiel am Dienstag stattfindet.
Ähnliches war Sommer bereits vor der Winter-WM in Katar passiert, als er sich im Oktober 2022 mit Gladbach im Cup gegen Darmstadt damals am linken Sprunggelenk verletzte. Danach entstand eine Zitterpartie und Sommer war an der WM zwar dabei, aber nicht in der erhofften Form.
Damit fehlen der Schweiz derzeit die Nummern 1 und 2 im Tor, und das ist schon ein Grund zur Sorge. Gregor Kobel, der mehr als nur der Platzhalter von Sommer sein will, ist ja bereits aus dem Kurztrainingslager in La Manga mit körperlichen Problemen abgereist. Einmal mehr hat er diese, muss man dazu sagen. Wobei der aktuelle Ausfall des Dortmunders nur von kurzer Dauer sein dürfte. Doch kann sich Yakin darauf verlassen, dass Kobel an der EM verletzungsfrei bleibt?
Immerhin: Yvon Mvogo, der im Klub mit Lorient eine gute Saison zeigt, vertrat Sommer gut und zeigte sein unbestrittenes Können. Insbesondere den Eriksen-Freistoss nach knapp einer Stunde hielt er toll. Mvogo sagte: «Deshalb steht man im Tor, um solche Bälle zu halten.» Aber wäre er ein EM-Goalie?
Kam die defensive Leistung der Schweizer gut an, war der offensive Auftritt das Gegenteil einer Offenbarung. Xhaka sagte: «Wir brauchen vorne mehr Entschlossenheit.» Sie fehlte gänzlich. Remo Freuler sagte: «Wir brauchen vorne die Spieler, die etwas kreieren.» Ruben Vargas und Noah Okafor waren diese Spieler, die etwas kreieren sollten. Vor allem Okafor war schwach und gewann gefühlt keinen einzigen Zweikampf. Xherdan Shaqiri nahm das Duo in Schutz und sagte: «Es war eine neue Aufstellung. Und es war klar, dass es offensiv schwieriger würde.»
Wobei schwierig noch moderat ausgedrückt und gerade Shaqiris Rolle Anlass zu kritischen Gedanken war. Der Kreativspieler, im Klub mit Chicago regelmässig im Einsatz, wurde erst in der 76. Minute eingewechselt. Zu wenig, um noch in Fahrt zu kommen. Zudem spürte man früh nach dem Anpfiff, dass es ohne die Ideen Shaqiris gegen die robusten Dänen kompliziert würde. Die Frage ist nur, wie Yakin mit Shaqiri umzugehen gedenkt. Es hörte sich keinesfalls so an, als ob der Nati-Trainer sich mit dem Spieler im Vorfeld intensiv ausgetauscht hätte. Und in La Manga sprach Yakin ebenfalls nicht mit ihm, obschon er das angekündigt hatte.
Jedenfalls zeigte sich Shaqiri gegenüber SRF unzufrieden: «Ich eine neue Rolle? Davon weiss ich nichts. Meine Rolle bleibt immer gleich. Das war heute ein Freundschaftsspiel. Der Trainer darf da experimentieren und anders aufstellen als sonst. Man wird analysieren, was gut war.» Würde Shaqiri künftig also ein Joker sein? «Nein. Ich werde ganz normal in die Nati kommen und versuchen, immer zu spielen. Wichtig ist, dass ich fit bleibe. Statistiken lügen nie, von daher muss man sich diese Statistiken anschauen. Man muss Spieler bringen, die im Klub oft spielen. Und im richtigen Moment Leistung zeigen können, auch an grossen Turnieren. Von daher warten wir einmal ab. Aber ich bleibe sehr ruhig.»
Die Statistik verrät: Shaqiri, nunmehr mit 120 Länderspielen, hat an jedem Grossanlass seit 2014 getroffen. Und doch ist die Frage auch berechtigt, wie fit der 32-Jährige ist und wie lange die Kraft in einem Spiel auf der internationalen Bühne reicht. Die Geschichte wird sicher ihre Fortsetzung finden. Zumal Yakin sagte: «Wir hoffen auf die Rückkehr von Breel Embolo. Oder dass ein anderer Stürmer im Klub plötzlich mit Toren besticht.»
Wobei Shaqiri natürlich nicht der Aussenbahnspieler wie Widmer wäre, weil er defensiv zu fest gefordert wäre. Aber am rechten Flügel in einem 3-4-3 oder im 3-5-2 direkt hinter der Spitze oder als zweiter Stürmer, da würde man meinen: Shaqiri wäre die perfekte Besetzung.
(kat/sda)