Diese Aufgabe wird im Jobsharing erledigt – durch Manuel Akanji und Breel Embolo. Was sie spielen, kommt im Team sehr gut an. Das beginnt bei Afro-Beats, geht über Rap bis hin zu lateinamerikanischem Reggaeton. Musik läuft in der Garderobe, bis die Spieler fürs Aufwärmen auf den Platz gehen. Kurz vor dem Anpfiff gibt’s keine Beats mehr. Von der WM in Katar ist überliefert, dass auch mal Deutschschweizer Musik aus den Boxen dröhnte. Das ist in Deutschland nicht der Fall.
Vielleicht hat es mit Murat Yakins Passion für dieses Spiel zu tun, dass in der Nati das Schach-Fieber ausgebrochen ist. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Zugfahrten mehr zu Gesellschaftsspielen animieren als Flug- oder Busreisen. Klammern wir den Trainer aus, gilt Vincent Sierro als Schach-Grossmeister im Team. Neben dem Walliser haben auch Fabian Rieder, Gregor Kobel, Leonidas Stergiou, Granit Xhaka und Ardon Jashari gute Schach-Skills.
Brändi Dog steht hoch im Kurs. Vor allem bei Michel Aebischer, Nico Elvedi, Fabian Rieder, Kwadwo Duah, Cédric Zesiger und Yann Sommer. Und wer ist der beste? Fragt man die Spieler, behauptet jeder, er sei der Champion. Was auch häufig gespielt wird, ist die spanische Version von «Eile mit Weile». Ricardo Rodriguez hat seine Mitspieler schon vor Jahren für «Parchis» begeistert. Meist spielt er es mit Xhaka, Akanji und Renato Steffen. Übrigens: Es gibt auch Uno-Battles. Meist dabei: Akanji und Xhaka.
Die Playstation hat nicht ausgedient, aber sie ist längst nicht mehr so präsent wie früher. Das liegt auch an der Location der Schweizer Nati, wo es viel mehr Gemeinschaftsräume gibt als in den Hotels der früheren Endrunden. In Katar haben die Spieler viel mehr Zeit in ihren gekühlten Zimmern verbracht als in Stuttgart. Als Zocker-Könige galten Xherdan Shaqiri und Silvan Widmer.
Meist ist es Embolo, der als letzter zum Frühstück kommt. Manchmal auf den letzten Drücker. Aber irgendwie schafft er es, nie zu spät zu kommen.
Da kann man keinen Spieler speziell hervorheben. Generell ist es aber so, dass die Spieler viel weniger Zeit mit ihren Smartphones verbringen als früher. Im Speisesaal wird auf das Handy mehrheitlich verzichtet.
Von Yann Sommer wissen wir, dass er eine sehr hohe Affinität zur Musik hat. Der Torhüter arbeitete schon mit einem Gesangscoach. Wenn er die Gitarre zur Begleitung einsetzt, wirkt er wie ein abgebrühter Singer-Songwriter. Die Gitarre hat Sommer meist dabei. Aber spielen tut er nur für sich auf dem Zimmer. Nie hat er bisher vor dem ganzen Team vorgespielt. Dabei hätte er gesanglich mit Renato Steffen eine gute Unterstützung.
Der Letzte, der nach dem Spiel aus der Garderobe kommt, ist meist Rodriguez. Einerseits, weil er wegen seiner langen Haare mehr Zeit für die Pflege benötigt. Andererseits, weil er immer nach Spielen auf den Hometrainer steigt, um das Laktat (wenn die Muskeln brennen) aus seinem Körper zu bringen.
Es gibt viele Kaffeetrinker in der Nati. Und es gibt einige, die sehr viel Wert auf eine gute Qualität legen. Steven Zuber, Remo Freuler (bald acht Jahre in Italien), Stergiou und Widmer bringen ziemlich viel Barista-Know-how mit.
Es gibt einige Vielesser im Team. Verständlich, schliesslich verbrennen die Spieler unfassbar viele Kalorien. Und es gibt richtige Brocken in der Equipe. Gregor Kobel beispielsweise, 1,96 Meter gross und 88 Kilogramm schwer. Er gehört sicher zu den Vielessern.
Auch hier steht ein Torhüter in der Pole Position. Yvon Mvogo. Nicht, dass er es übertreibt. Aber der Goalie von Lorient kann den süssen Versuchungen am schwersten widerstehen.
Das kommt stark auf die körperliche Verfassung der einzelnen Spieler an. Ricardo Rodriguez achtet beispielhaft auf seinen Körper. Die Sensibilität rührt vielleicht daher, dass der Verteidiger mit einer angeborenen Zwerchfellhernie zur Welt kam und es einem medizinischen Wunder gleichkommt, dass er Berufssportler werden konnte.
Ja, aber es sollte nicht an die Substanz gehen. Tennis, das bei einigen sehr beliebt ist, liegt nicht drin. Dafür aber Tischtennis, wo Noah Okafor und Gregor Kobel eine sehr gute Figur machen. Häufig an der Platte anzutreffen sind auch Freuler, Zuber und Vargas sowie Xhaka und Jashari, die ein Privat-Duell haben. Dank Steffen gibt es auch so etwas wie einen Dart-Hype. Dan Ndoye und Kobel werfen stattdessen hin und wieder ein paar Körbe.
Insbesondere Ndoye ist ein riesiger Basketball-Fan, der in seiner Wahlheimat Bologna immer wieder mal einem Spiel des italienischen Spitzenteams Virtus beiwohnt. Bleibt noch Golf, in der Nati der vielleicht beliebteste Alternativ-Sport. Doch Golf braucht Zeit. Diese hatten die Spieler zuletzt am freien Montag. Widmer, Vargas (sein Vater ist Golflehrer), Aebischer, Schär und Steffen hatten gespielt, bis der Regen einsetzte.
Das gibt es. Aber nicht Lattentreffen, sondern «Two Touch». Und das geht so: Der Spieler steht ausserhalb des Strafraums, wird mit einem hohen Ball angespielt und muss mit der zweiten Ballberührung ins Tor treffen. Doch während der EM wird dieses Spiel selten praktiziert. Der Grund: Die Verletzungsgefahr ist zu hoch, wenn die Spieler nach dem Training mit voller Wucht aufs Tor dreschen. Übrigens: Bei «Two Touch» geht es nie um Geld. Der Verlierer muss jeweils dem ganzen Team den nächsten Kaffee servieren.
Embolo, Kobel, Akanji, Zesiger – es gibt etliche Muckimänner, die auch als Türsteher durchgehen könnten. Verständlich, dass diese vier Spieler zu den fleissigsten Gewichthebern gehören. Nur einer stählt seinen Körper noch häufiger: Fabian Rieder, der gegen Italien derart begeisterte.
Verständlich, wenn man nach so viel Fussball auch mal abschaltet. Aber einer, der sich nach Möglichkeit jedes Spiel an dieser EM reinzieht, ist Granit Xhaka, der auch schon mit der Trainerausbildung begonnen hat. Aber Aebischer und Akanji gelten ebenso als Nerds, obwohl der Verteidigungsminister bis dato eine Trainerkarriere ausschliesst.
Sie tun sich generell schwer, öffentlich ihre Position zu vertreten. Was aber nicht bedeutet, dass sie gänzlich uninteressiert sind an den Problemen und Brennpunkten dieser Welt. Einer, der über Politik und Gesellschaft Bescheid weiss, ist Akanji, dessen Schwester Sarah Politik studierte und 2019 in den Zürcher Kantonsrat gewählt worden ist.
Geldsorgen kennen Fussballer von dieser Güteklasse eher nicht. Dafür stellt sich für sie die Frage: Was stelle ich mit dem Geld an? Und wie machst du es? Möglich, dass sie diese Fragen mit Widmer und Schär, der eine Banklehre gemacht hat, klären. Viele Spieler meinen, die beiden hätten eine Bankkarriere machen können, wenn es mit dem Fussball nicht geklappt hätte.
Fast jeder Spieler hat seine Rituale. Aber besonders abergläubisch ist ein Staff-Mitglied: Nati-Direktor Pierluigi Tami. Er setzt sich im Stadion stets nur auf einen Sitzplatz, dessen Nummer einer Glückszahl entspricht. Und wehe, die Schweiz spielt eine gute erste Halbzeit und einer seiner Sitznachbarn wechselt den Platz. Das geht gar nicht. Für Tami gilt: Ist die erste Halbzeit gut, müssen alle in seiner unmittelbaren Umgebung auf dem exakt gleichen Sitz Platz nehmen.
Stets gut drauf, nie um einen Spruch oder Gag verlegen, ist Embolo. Er gilt, wenig überraschend, als grösste Ulknudel im Team. Überraschender ist hingegen, wer in dieser Kategorie «Humor» hinter der Frohnatur folgt: der Freiburger Aebischer mit seinen träfen Sprüchen.
Ganz klar Zeki Amdouni. Der Stürmer ist ein introvertierter Mensch. Was nicht heisst, dass er sich auf dem Platz nie bemerkbar macht. Das gleiche gilt für Nico Elvedi.
Wenn Granit Xhaka den Tarif durchgibt, hat er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Spieler.
Die Spieler lassen immer wieder mal etwas liegen. Vor allem Kopfhörer gehören zu den meist vermissten Gegenständen unserer Nati-Spieler. Der vielleicht vergesslichste Spieler ist Silvan Widmer. Als die Nati zum zweiten Gruppenspiel nach Köln unterwegs war, liess er beim Umsteigen auf den Zug sein Kissen im Bus liegen.