Von Elvira Herzog hört man viel Gutes. Ihre RB-Leipzig-Teamkollegin Lara Marti bewundert ihren Ehrgeiz, Nadine Angerer, die Schweizer Goalie-Trainerin, nennt sie eine «echte Leaderin».
Seit November 2024 ist die 24-Jährige die offizielle Nummer 1 der Schweiz. Es ist die «grösste Ehre» ihres Lebens, wie sie selbst sagt. Doch das Debüt-Spiel als erste Schweizer Torhüterin geht mit 0:6 verloren, zu stark waren die Deutschen. Dennoch die beste Spielerin auf dem Platz? Elvira Herzog.
Seither wusste Herzog, die bei Leipzig ebenfalls Stammgoalie ist, nicht mehr 100-prozentig zu überzeugen. Aus den vier Spielen, die die Nati bestritt, resultierten drei Niederlagen und ein Unentschieden. Kurz vor der Heim-EM drängt sich die Goalie-Frage also doch nochmals auf. Ist Elvira Herzog wirklich bereit für die Rolle als Nummer 1?
Ihre grösste Konkurrentin ist Livia Peng. Nach der WM 2023 galt sie als Kronfavoritin auf die Nachfolge der zurückgetretenen Gaëlle Thalmann, doch die 23-Jährige kommt nur auf zwei Einsätze unter Sundhage. Herzog hat deren dreizehn. Peng spielt bei Werder Bremen, ist mit 1,74 Meter Körpergrösse fünf Zentimeter kleiner als Herzog und wurde, so heisst es hinter vorgehaltener Hand, von Sundhage gar nie wirklich in Betracht gezogen – «zu klein», die Begründung.
Gibt es nun doch einen Funken Hoffnung für sie? Vergangenen Freitag patzte Herzog im Nations-League-Spiel gegen Frankreich. Eine Freistosssituation als Ursprung, ein Missverständnis bei den Schweizerinnen, ein Distanzschuss von Verteidigerin Selma Bacha. Der Schuss war zwar scharf, könnte aber zentraler nicht sein. Herzog kann ihn nicht mehr entscheidend ablenken – 0:2 aus Schweizer Sicht.
«So etwas habe ich abgehakt, in dem Moment, in dem das Spiel wieder angepfiffen wird», so Herzog. Es bringe nichts, sich während des Spiels damit fertigzumachen, die Analyse nach dem Match sei dann aber wichtig. Doch es ist nicht das erste Mal, dass die Zürcherin Hauptschuldige an einem Gegentreffer ist. Ende Oktober 2024 zum Beispiel: Herzog verschuldet einen Penalty, die Australierinnen gehen in Führung.
Mit Patzern hat Elvira Herzog im Nationalteam schon früh Bekanntschaft gemacht. Im Dezember 2020 darf Herzog ihr erstes Pflichtspiel für die Schweiz bestreiten, weil Gaëlle Thalmann wegen eines positiven Covid-Tests fehlt.
Mit einem Punkt gegen Belgien hätte sich die Schweiz direkt für die EM 2022 qualifizieren können. Doch Herzog patzt doppelt, die Nati verliert 0:4. Als die Schweizerinnen nach erfolgreicher Barrage doch noch an die EM fahren, ist Herzog nicht dabei. Ebenso wenig wie an der WM 2023. Erst im September des WM-Jahres steht sie wieder im Tor, Thalmann war inzwischen zurückgetreten.
Auch Thalmann spielte nicht fehlerfrei. Aber: An der WM in Australien und Neuseeland erreichte die Schweizer Nati vor allem dank ihr die K.-o.-Phase. Besonders gegen Gruppengegner Norwegen überzeugte sie, bewahrte der Schweiz die Null und sicherte sich die Trophäe als beste Spielerin des Spiels.
Seither hatte die Schweiz keinen so sicheren Rückhalt mehr. Peng und Herzog zeigten zwar solide Leistungen, doch eben, da sind bei beiden auch Patzer, sowohl in der Nati als auch den Bundesliga-Klubs.
Diese sollen nun nicht mehr Gesprächsthema sein. Wie Goalie-Trainerin Nadine Angerer im vergangenen Jahr sagte, habe sie nie verstanden, dass so viel über die geschehenen Patzer gesprochen wurde. Denn das mache viel mit einer so jungen Spielerin. Ähnlich sieht das Sundhage, auch noch nach dem Patzer gegen Frankreich: «Sie ist noch immer die Nummer 1», stärkt sie ihr den Rücken, auch wenn die beiden Gegentore vermeidbar und vor allem das zweite (bei dem Herzog patzte) enttäuschend gewesen sei.
Mit dem Vertrauen von Sundhage wird Herzog also in Island spielen. Und auch an der Heim-EM wird sie zwischen den Pfosten bleiben, wenn sie das Tor der Schweiz weiterhin solide hütet. Darauf bereitet sie sich auch mithilfe von Mentalcoaches vor. In der Vergangenheit habe sie schon einige verschiedene gehabt.
«Ich denke, ich habe meinen Weg gefunden, der hat mich Stammgoalie in Leipzig und in der Nati gemacht. Daran will ich nun vor der EM nichts mehr ändern», sagt Herzog und lächelt. Die Vorfreude auf das Turnier ist spürbar gross – es wird ihre erste Teilnahme an einem grossen Turnier überhaupt.