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Alisha Lehmann droht das Aus für die Heim-EM in der Schweiz

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Seit November stand Alisha Lehmann nicht mehr für die Schweizer Nationalmannschaft auf dem Platz.Bild: www.imago-images.de

Sie ist die berühmteste Nati-Spielerin: Trotzdem droht Alisha Lehmann das EM-Aus

Im Klub spielt sie fast nie, in der Nati überzeugt sie selten. Für Alisha Lehmann werden die letzten Monate vor der Heim-EM zum Wettlauf gegen die Zeit. Ihr Trumpf ist die gewaltige Internet-Plattform, die Nati und EM durch sie erhalten würden. Reicht das?
07.04.2025, 18:4307.04.2025, 18:43
Melinda Hochegger / ch media
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Seit eh und je sorgt Alisha Lehmann im Publikum für einen Mix aus Bewunderung und Empörung. Die 26-jährige Stürmerin versteht es wie keine andere, zu polarisieren. Ein Kalender mit erotischen Bildern, Werbung für Online-Poker und viel Schminke. Ihre Kritiker finden viele Gründe, sich an der Bernerin zu stören. Auf der anderen Seite ist sie für zahlreiche Mädchen ein Vorbild: weil sie emanzipiert ist, macht was sie will und sich Profifussballerin nennen darf.

Ende November: Im Zürcher Stadion Letzigrund wird es in dem Moment so richtig laut, als Social-Media-Star und Fanliebling Alisha Lehmann den Platz für das Warm-up betritt. Endlich darf sie sich in der Nati wieder einmal von Anfang an beweisen. Doch ihre Leistung lässt zu wünschen übrig, sie bringt keinen Schuss aufs Tor. Logische Konsequenz: Trainerin Pia Sundhage behält Lehmann nach der ersten Halbzeit in der Kabine.

Es ist das bis dato letzte Spiel, das Lehmann für die Nati absolvierte. Im nächsten Test wenige Tage später gegen England bleibt sie auf der Bank. Im neuen Jahr fehlt sie verletzungsbedingt im ersten und wegen mangelnder Spielpraxis auch im zweiten Zusammenzug. Es zeichnet sich mehr und mehr ab: Die Heim-EM im Sommer ist für die Bernerin in weite Ferne gerückt, mehr als Aussenseiter-Chancen auf einen Kaderplatz hat sie nicht mehr.

Switzerland's head coach Pia Sundhage, right, observes behind Switzerland's forward Alisha Lehmann, left, during a training session of the national team of Switzerland one day before an inte ...
Alisha Lehmann wurde auch in dieser Nationalmannschaftspause von Pia Sundhage nicht nominiert. Bild: keystone

«Sie muss beweisen, dass sie in dieses Team gehört», sagt Pia Sundhage. Wenig später äussert sie sich mit weniger Fokus auf Lehmann, dafür umso tief blickender: «Ich werde nicht die besten Spielerinnen für die EM selektionieren, sondern das beste Team.» Zwischen den Zeilen eine klare Ansage von Sundhage an Lehmann: Egoismen haben bei Sundhage keinen Platz.

Die Frage, ob eine Influencerin der Frauen-Nati guttut und ob die Mitspielerinnen den Star-Status von Lehmann abseits des Fussballs schätzen – sie beschäftigt das Team schon lange. Lara Dickenmann, die bis zum Rücktritt 2019 135 Länderspiele für die Schweiz absolvierte, hat eine klare Meinung. «Ich kann mir schon vorstellen, dass Spielerinnen, die noch aus einer anderen Generation stammen, nicht finden, dass es Platz in der Kabine haben sollte», sagt sie gegenüber «Blick».

Dickenmann relativiert aber auch: «Ich kannte Alisha, bevor sie so viele Follower auf Instagram hatte, und habe sie immer als sehr positive, energetische Person erlebt. Ich glaube schon, dass sie im Team akzeptiert wird.» Zudem denke sie, dass Lehmann gerade von jüngeren Spielerinnen als Vorbild gesehen werde, die vielleicht sogar eine ähnliche Karriere einschlagen möchten. Fussball und Influencen gleichzeitig.

Fehlende Praxis macht sich bemerkbar

Lehmann kommt bislang auf 57 Länderspiele, davon 26 in der Startelf und 8 Tore. Mit ihrer Schnelligkeit ist die Bernerin anderen Spielerinnen meist einen Schritt voraus. Trotzdem gelang es Lehmann zu keinem Zeitpunkt, sich zu etablieren und unentbehrlich zu machen. Zum Vergleich: Géraldine Reuteler, wie Lehmann 26-jährig und 2017 erstmals für die Nati aufgeboten, absolvierte seither bereits 73 Spiele, traf 12-mal und ist unbestrittene Stammkraft. Lehmann hingegen stagniert fussballerisch.

ARCHIVBILD ZUR KADERBEKANNTGABE BEIM SFV-FRAUENTEAM --- Switzerland's Alisha Lehmann, right, celebrates her goal past her teammates Switzerland's Ramona Bachmann, left, Switzerland's Vi ...
In der Nationalmannschaft erzielte Lehmann bisher acht Tore.Bild: keystone

«Sie hat mich in den letzten Jahren in der Nati nicht besonders überzeugt, sie ist zwar schnell, aber es entsteht wenig daraus», so Dickenmann. Gutes Beispiel dafür: Als sie am 29. November bei der 0:6-Klatsche im Test gegen Deutschland von Beginn an aufs Feld darf, hat Lehmann sichtlich Mühe damit, die Zuspiele ihrer Teamkolleginnen anzunehmen und zu verwerten. Selbst dann, wenn sie sich freigelaufen hat und ohne Interventionen ihrer Gegenspielerinnen zum Ball kommt.

Nie war sie unverzichtbar

Die Leistung, die sie an jenem Novembertag zeigt, ist nicht verwunderlich. Seit Lehmann im vergangenen Sommer zu Juventus Turin gewechselt ist, stand sie 18-mal im Kader, aber nur in fünf Spielen durfte die Stürmerin von Anfang an ran. Meist gab es nur Kurzeinsätze.

Nichts Neues für Lehmann: Bei Ex-Klub Aston Villa gehörte Lehmann zu Beginn noch zu den Stammkräften, doch im letzten Vertragsjahr 2023/24 sank ihr Einfluss stetig, in der Startelf war sie kaum mehr auffindbar.

Ein Verpassen der Heim-EM wäre für Lehmann ebenfalls kein Neuland: Vor drei Jahren verzichtete sie offiziell freiwillig auf die Europameisterschaft in England, weil sie sich laut eigener Aussage «mental nicht bereit fühle». Nur eine Schutzbehauptung? Damals hiess es hinter vorgehaltener Hand, Trainer Niels Nilsen halte sie nicht für gut genug. Fakt ist: Der Däne setzte Lehmann oft nur auf die Bank. Wollte sie mit dem freiwilligen Verzicht der Schmach der Nichtnomination zuvorkommen?

Switzerland's Alisha Lehmann in action during a training session of Switzerland team at the Stade de la Pontaise, in Lausanne, Switzerland, Sunday, July 14, 2024. (KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi)
Auch bei der letzten Europameisterschaft war Lehmann nicht dabei.Bild: keystone

Die These wurde dadurch befeuert, dass Lehmann im ersten Aufgebot von Nilsens Nachfolgerin Inka Grings prompt wieder aufgeboten wurde. Lehmann räumte damals ein, nicht die «beste Person» zu sein, wenn es um Kommunikation gehe.

Lehmann ist längst ein Aushängeschild für den Frauenfussball

Das Verpassen der Heim-EM wäre jedoch nochmals eine andere Hausnummer. In erster Linie für Lehmann, aber auch beim Verband dürften sich Fragen stellen: Kann die Nati auf die über 16 Millionen Follower der Bernerin verzichten? Denn durch diese hat sich Lehmann längst über die Schweiz hinaus einen Namen gemacht und ist naturgemäss eine dankbare Werbeträgerin für den Frauenfussball. Zur Einordnung: Tennis-Superstar Roger Federer, auf dem ganzen Globus von Fans aller Kulturen und jeglichen Alters heiss geliebt, kommt «nur» auf gut 12 Millionen Follower auf Instagram.

Viele Zuschauerinnen, vor allem die jüngeren, sind zu einem Grossteil wegen Lehmann im Stadion, wenn die Schweizerinnen ein Länderspiel bestreiten. Um ihren Instagram-Star mal live zu sehen, ihr zuzuwinken oder sogar ein Selfie zu ergattern.

Switzerland's Alisha Lehmann takes pictures and signs autographs for the fans, after a training session two days before the UEFA European qualifier match against Hungary, at the Tissot Arena in B ...
Durch ihre Berühmtheit ist Lehmann für viele jüngere Zuschauerinnen ein grosses Vorbild.Bild: keystone

Viktoria Weber vom Zürcher Marketingbüro Monami sagte nach Lehmanns Nati-Ausbootung gegenüber «20 Minuten», dass Figuren wie Lehmann wichtig seien, um die Beliebtheit des Frauenfussballs zu fördern. Und dass Lehmanns Abwesenheit im Nati-Kader zur Folge haben könne, dass werbetechnisch nicht das volle Potenzial der Schweizer Fussballerinnen ausgeschöpft werde.

Aber Weber findet auch: «Wenn Spielerinnen mit mehr Followern solchen mit weniger vorgezogen werden, ist es schlicht nicht fair und hat nichts mehr mit Spitzensport zu tun.» Laut Weber darf ein Sportverband seine Personalentscheide nicht aufgrund von der Marketingstrategie treffen: «Das wäre letztlich keine gute Werbung für die Nati.»

In die gleiche Kerbe schlägt auch Dickenmann, die mit Blick auf Lehmanns Omnipräsenz neben dem Fussballfeld sagt: «Lehmann arbeitet eigentlich 200 Prozent. Ich bewundere das, aber es beeinträchtigt die fussballerische Leistung oder Entwicklung schon.»

Obwohl Lehmann dank ihrem Star-Status im Internet also ein mindestens so grosses Aushängeschild für die Frauen-Nati ist wie die seit Jahren sportlich überzeugenden Bachmann und Wälti, gilt: Für ein EM-Aufgebot braucht es mehr als Followerinnen und Follower im zweistelligen Millionenbereich.

Zu viel Social Media, zu wenig Leistung: Dieser verheerende Mix scheint Lehmann nun also zum Verhängnis zu werden. Auch wenn Pia Sundhage ihr die Tür ins EM-Kader offen hält: «Jede Spielerin, die nicht dabei ist, hat noch immer die Chance, an der Heim-EM zu spielen.» Lehmann braucht jetzt in erster Linie Spielpraxis im Klub – und dann den Goodwill von Sundhage. Andernfalls nimmt sie nur als Tribünengast an der Heim-EM teil. Ob sich Superstar Lehmann das antun würde?

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43 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nummy33
07.04.2025 19:29registriert April 2022
die berühmteste vielleicht schon aber halt nicht die beste…
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Viva Svizzera
07.04.2025 19:51registriert März 2023
Bei Alisha Lehmann habe ich das Gefühl, dass ihre Selbstwahrnehmung nicht der mit der Realität übereinstimmt.
Vielleicht hat das fussballerischen Können unter dem Stardasein in den sozialen Medien gelitten.
Wenn man Im Klub fast nie spielt und in der Nati nicht überzeugt, wäre es Zeit für eine genaue Analyse und Standortbestimmung.
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Ben_solo
07.04.2025 19:13registriert Januar 2021
In diesem Artikel wird ernsthaft gefragt ob man eine Spielerin nur aufbieten soll weil sie ein Social Media Star ist??? Im Ernst?! Wo sind wir nur hingekommen….dass man überhaupt eine solche Frage stellt…??
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