Ein abgefangener Ball und etwas Platz – das reicht Arda Güler beim 3:1-Auftaktsieg der Türkei gegen Georgien, um den entscheidenden zweiten Treffer zu erzielen. Aus gut 25 Metern nimmt das 19-jährige Supertalent Mass und schlenzt den Ball gekonnt – halb Innenrist, halb Vollrist – ins linke Lattenkreuz. Ein echtes Zaubertor!
Danach gibt es für Güler vor den Zehntausenden türkischen Fans im Dauerregen von Dortmund kein Halten mehr. Mit ausgebreiteten Armen sprintet er Richtung Eckfahne, rutscht auf den Knien über den Rasen und lässt sich von seinen Teamkollegen für sein zweites Tor im erst achten Länderspiel feiern.
«Es sind noch nicht all meine Träume wahr geworden, nur einige davon», sagte der Mann der Stunde, der auch zum Mann des Spiels gewählt wurde, nach der Partie im Interview: «Es war ein sehr schönes Tor. Es ist schwierig, meine Gefühle auszudrücken.»
Der Traumtorschütze widmete seinen Treffer seinem Nationaltrainer Vincenzo Montella, der gestern seinen 50. Geburtstag feierte. «Wir wollten unserem Trainer unbedingt dieses Geschenk machen», so Güler. Das Geburtstagskind wusste das zu schätzen: «Es war ein perfekter Geburtstag und wirklich das schönste Geschenk, das man mir machen konnte», sagte der Italiener.
🇹🇷 A golazo. A attacking masterclass.
— UEFA EURO 2024 (@EURO2024) June 18, 2024
Arda Güler 👏@Vivo_GLOBAL | #EUROPOTM pic.twitter.com/GArdwTTb35
Aber zurück zu Güler: Dieser trug sich ganz nebenbei in die Rekordbücher ein und verdrängte niemand Geringeren als Cristiano Ronaldo. Der türkische Shootingstar ist mit seinen 19 Jahren nun der jüngste EM-Spieler, dem bei seinem Debüt gleich ein Treffer gelang.
Dies dürfte den ohnehin schon riesigen Güler-Hype in der Türkei noch mehr befeuern. Denn dem 19-Jährigen wird in seinem Heimatland zugetraut – ja, mittlerweile wird es schon fast erwartet –, eine neue Ära der zuletzt nicht gerade erfolgsverwöhnten Nationalmannschaft einzuleiten. «Er wird nicht der Spieler des Spiels sein, sondern der Spieler der Euro 2024: Arda Güler», schrieb TRT Spor gestern beispielsweise.
Schon lange liegt der Fokus auf dem neuen Hoffnungsträger: Als 16-Jähriger gab Güler sein Debüt für Fenerbahçe Istanbul und zog rasch die Blicke der grössten europäischen Klubs auf sich. Im Sommer 2023 wechselte er mit 18 für 20 Millionen Euro dann zu Real Madrid. Neben den Königlichen waren auch der FC Barcelona oder die AC Milan an einer Verpflichtung interessiert.
Oft kam Güler beim Champions-League-Sieger allerdings noch nicht zum Einsatz, doch mit sechs Toren bei zehn Liga-Einsätzen lässt sich seine Bilanz sehen. «Er hat nicht die Minuten bekommen, die er verdient hätte, aber mit seiner guten Einstellung, seiner Art zu arbeiten und seiner Entschlossenheit kann er jederzeit spielen», lobte Real-Trainer Carlo Ancelotti dennoch. Trotz wenig Einsatzzeit beträgt Gülers Marktwert rund 30 Millionen Euro, womit er der zweitwertvollste türkische Spieler hinter Captain Hakan Calhanoglu ist.
Ex-Teamkollege Toni Kroos schwärmte zuletzt in den höchsten Tönen von Güler: «Er ist auf engem Raum herausragend gut und hat einen sehr, sehr feinen linken Fuss», so der Deutsche in seinem Podcast «Einfach mal Luppen». «Man kann ihn mit Florian Wirtz vergleichen, wenn man es schnell machen möchte», erklärte der frühere türkische Nationaltrainer Stefan Kuntz.
Güler spielt am liebsten auf der Zehner-Position. Er kann aber auch auf dem rechten Flügel agieren, wo er dank seiner herausragenden Technik und Ballsicherheit mehr Raum hat, sich zu entfalten. Im türkischen 4-2-3-1-System hat er dafür auch genügend Freiheiten.
Neben dem Platz gilt Güler als bodenständig und geerdet, was ihn überaus beliebt macht. Anders als viele andere türkische Stars ist der gestrige Traumtorschütze in der Heimat geboren und hat dort auch das Fussballspielen gelernt. «Das ganze Land steht hinter ihm, weil es in den Augen der Leute einer von ihnen an die Spitze geschafft hat», erklärt Lara Karacan von «Transfermarkt Türkei».
Vielleicht noch spezieller als das erste könnte für Güler das zweite EM-Gruppenspiel werden: Denn da trifft die Türkei auf Portugal und Cristiano Ronaldo, den Güler als sein grosses Idol bezeichnet. Trotz des immensen Drucks mangelt es ihm im Hinblick auf das besondere Duell nicht an Selbstvertrauen: «Wir haben in offiziellen Spielen noch nie gegen Portugal gewonnen. Nun möchte ich dafür sorgen, dass dies unser erstes Mal wird», so Güler ohne Umschweife.