Was war das für ein Spiel! Die Partie Türkei gegen Georgien lieferte beste Unterhaltung, begeisterte mit mutigem Offensivfussball, blieb bis zum Schluss spannend und bot vor allem auch richtige Traumtore. Alles in allem war es das beste Spiel an dieser noch jungen Europameisterschaft. Und das war jetzt wirklich nicht zu erwarten.
Mit insgesamt 37 Schüssen (22 zu 15 für die Türkei), davon zwölf aufs Tor (8 zu 4), sowie einem Gesamtwert von 4,51 Expected Goals (2,48 zu 2,03) stellten die beiden Teams in drei der wichtigsten Offensivkategorien neue Bestwerte auf für das Turnier in Deutschland, an dem mit Ausnahme von Portugal und Tschechien alle 24 Teams gespielt haben.
Dabei dürfte kaum ein Fussballfan beim Blick auf den Spielplan mit grosser Begeisterung auf dieses Spiel reagiert haben. Eher wurde auf den ersten Auftritt von Topfavorit England voller Vorfreude geblickt. Harry Kane, Phil Foden und Co. enttäuschten aber in einem ziemlich langweiligen Spiel gegen Serbien, das offensiv ebenfalls ziemlich limitiert war. Einzig Jude Bellingham sorgte für einen kurzen Moment der Ekstase. Mit nur elf Schüssen stellten die Engländer und die Serben einen neuen Negativrekord an einer Europameisterschaft auf, seit diese Statistik 1980 erstmals erhoben wurde.
Auch Titelverteidiger Italien riss mit der Leistung gegen Albanien kaum jemanden aus den Sitzen. Vielmehr erfüllte es seine Pflicht nach dem frühen Gegentreffer gegen den Aussenseiter – in der zweiten Halbzeit waren Angriffsbemühungen grössere Mangelware als öffentliche Verkehrsmittel rund um die Stadien.
Umso dankbarer dürfen wir also sein, dass es eben auch noch Teams wie die Türkei und Georgien gibt. Um den Titel wird weder der WM-Dritte von 2002 noch der EM-Debütant spielen. Die beiden Nationalteams haben also nichts zu verlieren – und so haben sie auch gespielt. Mit Rumänien beim 3:0-Sieg gegen die Ukraine wusste ein weiterer Fussballzwerg mit Traumtoren zu begeistern.
Bezüglich der Erwartungshaltung unterscheiden sie sich dann eben von Teams wie England oder Italien. Diese haben sehr wohl etwas zu verlieren. Im Falle der Three Lions, bei denen alles andere als der erste EM-Titel der Geschichte eine Enttäuschung wäre, gar eine ganze Menge. Und so ist es auch verständlich, dass im ersten Spiel an der EM noch nicht das ganz grosse Risiko eingegangen wurde. Man kann sich nur ausmalen, was auf der Insel los gewesen wäre, hätte man gegen Serbien keinen Sieg geholt.
Als Zuschauer bleibt man dann trotzdem etwas ernüchtert zurück, wünscht man sich von Spielern dieser Qualität doch einen mitreissenden Auftritt. So ist zu hoffen, dass auch bei England und Italien der Knoten platzt. Dass die nächsten Spiele gegen Dänemark (Donnerstag, 18 Uhr) bzw. Spanien (Donnerstag, 21 Uhr) für mehr Begeisterung sorgen können. Als Vorbilder können sich die Teams von den Trainern Gareth Southgate und Luciano Spalletti zum Beispiel Deutschland, Spanien oder auch die Schweiz nehmen. Oder eben die Türkei und Georgien.
Na ja, dies ist nun wirklich übertrieben – und wird in der Story eigentlich auch nicht gross mit Argumenten unterfüttert, da es sich einfach um eine Meinung (von vielen) handelt.
Jede Fussball-Nation hat ihren eigenen Stil – abhängig von den Spielern, der Mentalität, dem amtierenden Trainer, etc.
Storys mit solchen Überschriften, ohne viel weiteres zu liefern, sind publizistisch unter dem Kapitel «Thesen-Journalismus» einzuordnen: In der Regel, wie in diesem Fall, wahrlich kein publizistisches Qualitätsmerkmal.