Die Schweiz bereitet sich in diesen Tagen auf das Heimspiel gegen den Kosovo vor – für beide Nationen ein besonderes Duell. In der Nati spielen mit Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri ja schliesslich auch zwei Profis mit kosovarischen Wurzeln. Ein aus ähnlichen Gründen spezielles Spiel wird ebenfalls am Samstagabend (20.45 Uhr) in Berlin stattfinden. Dort treffen nämlich Deutschland und die Türkei aufeinander.
Zwar handelt es sich dabei nur um ein Freundschaftsspiel, doch ist das gut 74'000 Zuschauerinnen und Zuschauer fassende Olympiastadion ausverkauft. Ein guter Teil davon dürften Gästefans sein. Alleine in Berlin leben etwa 200'000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, in ganz Deutschland sind es über 2,8 Millionen. Schon beim letzten Aufeinandertreffen in Berlin vor 13 Jahren waren die Sympathien ziemlich ausgeglichen verteilt. Im damaligen EM-Qualifikationsspiel gewann Deutschland 3:0, einige Fans feierten diesen als «Auswärtssieg».
Ein ähnliches Resultat wünschen sich die Deutschen auch dieses Mal. Allen voran Julian Nagelsmann, der im dritten Spiel als Nationaltrainer seine Heim-Premiere feiert. Der 36-Jährige könnte mit einem Sieg in der deutschen Hauptstadt eine Euphorie entfachen, die nach den Spielen in den USA (3:1 gegen die USA und 2:2 gegen Mexiko) noch nicht so richtig entstanden war. Mit Blick auf die Heim-EM im nächsten Jahr wäre ein Sieg in der Heimat besonders wichtig.
Eine bedeutende Rolle kommt dabei auch Captain Ilkay Gündogan zu. Die Eltern des Mittelfeldspielers stammen aus der Türkei, der 33-Jährige hat noch immer eine sehr enge Bindung zum Herkunftsland seiner Eltern. Für Gündogan dürfte die Partie ebenso besonders werden wie für die in Deutschland geborenen und aufgewachsen Hakan Calhanoglu, Salih Özcan und Kaan Ayhan aufseiten der Türken.
Dass es aber gerade für Gündogan auch unangenehm werden könnte, gegen die Türkei zu spielen, zeigt das Beispiel von Mesut Özil. Der Doppelbürger wurde beim Spiel im Jahr 2010 von den türkischen Fans gnadenlos ausgepfiffen und ausgebuht, weil er sich dazu entschieden hatte, für Deutschland zu spielen. Anders als der zurückgetretene Özil hat Gündogan aber keinen türkischen Pass. Dies könnte ihm gegen den Ärger der türkischen Fans helfen.
Anders war dies jedoch, als sich Gündogan gemeinsam mit Özil vor der WM 2018 mit Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan ablichten liess und von «meinem Präsidenten» schrieb. Dafür schlug ihm heftige Kritik entgegen – erst recht, als herauskam, dass er gar nicht die türkische Staatsbürgerschaft besitzt. Im Gegensatz zu Özil konnte sich Gündogan die Gunst der deutschen Fans jedoch zurück erkämpfen. Erdogan könnte nun beim Spiel vom Samstag möglicherweise erneut zum Thema werden.
Denn der 69-Jährige befindet sich derzeit auf Staatsbesuch bei der deutschen Regierung um Bundeskanzler Olaf Scholz. Dass Erdogan auch das Olympiastadion besucht, wie er es beim letzten Aufeinandertreffen in Berlin gemacht hat, wird nicht erwartet. Der Deutsche Fussball-Bund (DFB) schrieb dazu: «Wir haben keine Hinweise darauf, dass der türkische Staatspräsident kommen wird.»
Um politische Themen wird man rund um das Spiel aber dennoch nicht herumkommen. Einige türkische Fans könnten die Bühne dazu nutzen, sich wie Erdogan pro-palästinensisch oder gar anti-israelisch zu äussern. Dies birgt Konfliktpotenzial, da sich die deutsche Regierung und auch die Mehrheit der Bevölkerung an die Seite von Israel gestellt hat. Das Freundschaftsspiel wird also in jeglicher Hinsicht brisant.