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Schweizer Schiri in Saudi-Arabien: So gut sind Niveau und Lohn der Liga

JEDDAH, SAUDI ARABIA - AUGUST 29: Alfa Semedo of Al Tai being sent off during Al Ahli v Al Tai in the Saudi pro league at Prince Abdullah Al Faisal Stadium on August 29, 2023 in Jeddah, Saudi Arabia.  ...
Platzverweis: Fedayi San zückt in Dschidda Rot.Bild: IMAGO/MB Media Solutions

Schweizer Schiedsrichter in der Saudi-Liga verrät, wie gut Niveau und Lohn wirklich sind

Die saudische Fussballliga ist seit diesem Sommer in aller Munde. Der Aargauer Fedayi San hat dort ein Spiel gepfiffen. Entlöhnt wurde er dabei wie ein Champions-League-Schiedsrichter.
19.09.2023, 17:1219.09.2023, 19:12
Dominic Wirth / ch media
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Und dann kommt Roberto Firmino zu Fedayi San, er hat ihm etwas mitzuteilen. Er solle gefälligst, sagt der Stürmer aus Brasilien zum Schiedsrichter aus dem Aargau, pfeifen wie in der Premier League. Soll heissen: ein bisschen weniger streng.

Firmino und San befinden sich in einem Fussballstadion in Dschidda, Saudi-Arabien, als das alles passiert. Auf dem Platz stehen neben Firmino noch eine ganze Reihe weiterer Fussballer, die ihr Geld gerade eben noch bei einem europäischen Topklub verdient haben.

Jetzt sind sie alle in Dschidda, Al-Ahli spielt gegen Al-Tai, Saudi Pro League, vierter Spieltag. Bis vor kurzem wäre das undenkbar gewesen. Doch die Fussballwelt hat sich im Sommer verändert. Manche sagen sogar, sie sei in ihren Grundfesten erschüttert worden, weil die Saudis sie neuerdings mit Geld überschütten, Fussballer wie Roberto Firmino anlocken, der lange bei Liverpool war. Und jetzt für Al-Ahli spielt.

Intensität wie in der Super League

Al-Ahli, das ist ein Klub aus Dschidda, der zweitgrössten Stadt in Saudi-Arabien. Man tritt Firmino vermutlich nicht zu nahe, wenn man ihm unterstellt, dass der Brasilianer bis vor kurzem weder von Al-Ahli noch von Dschidda je etwas gehört hat. Doch jetzt spielt er dort Fussball, weil er, 31 Jahre alt, dem Ruf der Petro-Millionen nicht widerstehen konnte. An der Seite von Riyad Mahrez, gerade noch Champions-League-Sieger mit Manchester City, und von Edouard Mendy. Auch er hat einst in der Königsklasse triumphiert, mit Chelsea.

Die Liste lässt sich beliebig verlängern, der Al-Ahli SFC hat diesen Sommer rund 190 Millionen Franken für Transfers ausgegeben. Er ist einer von vier Vereinen, die der saudische Staat zum Gesicht seiner Saudi Pro League erkoren hat.

Geld spielt dabei keine Rolle. Fast eine Milliarde Franken sind dieses Jahr allein an Transfersummen geflossen, dazu kommen noch horrende Gehälter. Finanziert wird das alles vom Staatsfonds PIF. Und ausgegeben für Stars wie Neymar, Sadio Mané oder Roberto Firmino. Cristiano Ronaldo, der Portugiese, ist schon seit dem Winter da; er stand am Anfang von allem.

Zurück nach Dschidda, wo Al-Ahli gegen Al-Tai spielt, es ist Ende August, und der Schiedsrichter heisst eben: Fedayi San, aufgewachsen im Aargau, wohnhaft im zürcherischen Birmensdorf. Normalerweise pfeift der 40-Jährige in der Schweizer Super League, doch an diesem Abend ist er einer Einladung aus Saudi-Arabien gefolgt.

JEDDAH, SAUDI ARABIA - AUGUST 29: Roberto Firmino of Al Ahli during Al Ahli v Al Tai in the Saudi pro league at Prince Abdullah Al Faisal Stadium on August 29, 2023 in Jeddah, Saudi Arabia. Photo by A ...
Will Pfiffe wie in der Premier League: Roberto Firmino, früherer Liverpool-Star.Bild: IMAGO/MB Media Solutions

Der Schweizer Fussballverband SFV arbeitet seit Jahren mit den Saudis zusammen. Es gibt einen Schiedsrichter-Austausch zwischen den Verbänden, drei, vier Einsätze von Schweizer Referees pro Jahr. Fedayi San war schon öfter im Land, erstmals 2017, stets gemeinsam mit anderen Schweizer Referees.

«Eine Intensität irgendwo zwischen durchschnittlichem und gutem Schweizer Super-League-Spiel.»
Schiedsrichter Fedayi San

Doch jetzt ist alles anders. Weil da eben Firmino und Mahrez auf dem Feld stehen. Weil die Saudi Pro League eine grosse Sache werden soll. Doch fühlt sie sich auch so an, unten, auf dem Platz, wo das Spiel läuft?

Schiedsrichter San berichtet von einer «Top-Infrastruktur», der man anmerke, wie ernst es den Saudis mit ihrer Liga sei. Von motivierten Stars, die keineswegs nur gekommen seien, um abzukassieren. Von einem vollen Stadion, einer Ambiance wie in Griechenland oder der Türkei, Pyrotechnik inklusive. Und von einer Partie, die in ihrer Intensität «irgendwo zwischen durchschnittlichem und gutem Schweizer Super-League-Spiel» geschwankt habe.

Für einen Einsatz gibt es 6000 Dollar

Super League? Das ist, mit Verlaub, nicht das Ziel der Saudis. Sie wollen rasch zu den Top-5-Ligen der Welt gehören. Doch da ist eben auch die Hitze, 41 Grad, selbst abends noch. «Das war schon brutal, und man merkt das den Spielern rasch an», sagt San. Die erste Trinkpause hat er schon nach 15 Minuten verordnet.

«Ich kümmere mich um den Fussball, nicht um Politik»
Schiedsrichter Fedayi San

Al-Ahli gewinnt das Spiel am Ende mit 2:0. Schiedsrichter San zeigt drei gelbe Karten und eine rote. Es trifft neben dem Brasilianer Firmino auch den türkischen Nationalverteidiger Merih Demiral, der es kaum glauben kann, dass er auf der Arabischen Halbinsel einen Schiedsrichter vorfindet, der die gleiche Muttersprache hat wie er. Und er trifft den Schweizer Ezgjan Alioski, der bei YB gross wurde, für Lugano und Schaffhausen spielte und 2021 nach Saudi-Arabien wechselte.

So ist das in der Fussballbranche: Wege kreuzen sich, ein Mal, ein zweites Mal, jetzt eben auch: in Saudi-Arabien. Die Fussball-Offensive des Landes wird im Westen kritisch beäugt, nicht nur, weil die irrsinnigen Summen den Markt verzerren. Sondern vor allem, weil der Fussball den Saudis als Mittel zum Zweck dient, als Imageprojekt für ein Regime, das Menschenrechte missachtet.

Fedayi San sagt, er habe von dieser Kritik gehört, doch für ihn seien die Spiele in Saudi-Arabien ein Job, vermittelt vom Fussballverband, nicht weniger, aber auch nicht mehr. «Ich kümmere mich um den Fussball, nicht um Politik», sagt er.

Die Saudis holen ausländische Schiedsrichter ins Land, weil sie von ihrem Know-how profitieren wollen. Sie bezahlen Flüge und Hotel, ganz so, wie das auch die Uefa bei internationalen Aufgeboten tut. Für seinen Einsatz als Hauptschiedsrichter Ende August hat Fedayi San zudem 6000 Dollar – 5400 Franken – erhalten. Das ist etwa gleich viel wie bei einem Champions-League-Spiel – und deutlich mehr als in der Schweiz, wo es für ein Super-League-Spiel 1250 Franken gibt.

In Saudi-Arabien bleibt die Karte länger stecken

Fedayi San sagt, er reise gerne auf die Arabische Halbinsel, doch das Geld sei dabei nicht der Motivationsfaktor. Es ist ihm wichtig, von einer Reise nach Georgien zu berichten, einem zweitägigen VAR-Seminar, das er dort kürzlich gehalten hat, Tagessatz: 200 Franken. «Es geht mir bei solchen Reisen darum, mich als Schiedsrichter weiterzuentwickeln», sagt er. Er müsse in Saudi-Arabien die Partien anders managen, könne etwa Gesten nicht gleich beurteilen, dürfe nicht gleich eine Karte zücken, weil Spiele sonst rasch ausarten könnten.

Ob es in dieser Saison nochmals nach Saudi-Arabien zurückgeht, hängt davon ab, ob er eingeladen wird. Und vom Schweizer Fussballverband, der seine Schiedsrichter nur freigibt, wenn der eigene Terminkalender es zulässt. (aargauerzeitung.ch)

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Murky
19.09.2023 18:12registriert März 2015
Mit Geld kann man alles kaufen hä. Die Saudis können einfach alles mit Geld zuscheißen wenn sie wollen... Das macht es wertlos.
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