Die einen nippen an einem Getränk, die anderen schaufeln sich das warme Essen in den Mund. Doch niemanden lässt es kalt, als Bernhard Alpstaeg durch die zweistöckige VIP-Zone der Swissporarena schlendert. Einzelne erheben sich, grüssen freundlich und geben ein paar aufmunternde Worte mit auf den Weg. Die meisten bleiben sitzen, recken die Hälse und tuscheln. Es ist ein bisschen wie im Stück «Der Besuch der alten Dame». Ins Pfefferland wünscht ihn niemand. Zumindest nicht in diesem Moment.
Seit fast einem Jahr liess sich Bernhard Alpstaeg, der sich auch schon als «der Alte» bezeichnet hat, nicht mehr in der Swissporarena blicken. Er fürchtete um seine Sicherheit in jenem Stadion, das er massgeblich mitfinanzierte und das 2011 eröffnet wurde. Nach dem Eklat mit der amtierenden Vereinsführung Ende 2022 bekam er Hassmails, mit Böllern wurde gar sein privates Zuhause angegriffen.
Dabei mag er es gesellig. Er vermisst die Fussball-Atmosphäre, die ungezwungenen Gespräche in vertrautem Rahmen, das Schwelgen in Erinnerungen, das Glas Weisswein vor dem Match. «Es tut mir weh», sagt er über seine Fussball-Abstinenz.
Nun, an diesem Sonntag, schiebt er die Bedenken beiseite. Bernhard Alpstaeg mag sich nicht mehr verkriechen, während der FC Luzern spielt. Der Gegner ist Servette. Aber das spielt eigentlich keine grosse Rolle. Er will Stadionluft atmen, er möchte sehen, wie Ardon Jashari damit umgeht, nicht mehr Captain zu sein – und den aufstrebenden Goalie Pascal Loretz bewundern. Auf das 1:0, es ist ein Eigentor des Genfers Bolla, reagiert er noch relativ verhalten. Aber nach dem 2:0 durch Captain Max Meyer steht der 77-Jährige auf, applaudiert enthusiastisch und klatscht mit den Sitznachbarn ab.
Fast ein Jahr ist vergangen, seit der FCL im Bann des Aktionärsstreits steht. Alpstaeg hatte in einem Interview mit dem «Sonntags-Blick» die operative Führung um Präsident Stefan Wolf und Sportchef Remo Meyer scharf kritisiert. Daraufhin wurde der Konflikt zwischen den beiden FCL-Besitzern Josef Bieri und Alpstaeg vorzugsweise in der Öffentlichkeit ausgetragen. Dieser gipfelte darin, dass kurz vor der Generalversammlung im letzten Dezember 25 Prozent von Alpstaegs Aktien blockiert wurden und er somit statt mit 52 Prozent nur noch mit 27 Prozent stimmen kann.
Alpstaeg selbst reichte Strafanzeige gegen den Miteigentümer Bieri, Verwaltungsrätin Ursula Engelberger-Koller und Präsident Stefan Wolf ein – wegen strafbarer Streichung der 25-Prozent-Beteiligung an der FCL Holding AG. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern steht noch aus. Längst weitete sich der Streit zu einem juristischen Hickhack aus, der eine ganze Region belastet: Die FCL Holding AG klagte Alpstaeg wegen strafbarer Eigentumserlangung des 25-Prozent-Pakets an. Alpstaeg wiederum verklagte die Verwaltungsräte wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und mutmasslicher Ehrverletzung.
Etwa eineinhalb Stunden vor Matchbeginn kommt Präsident Wolf bei seiner Begrüssungstour auch in der Loge Nummer 6 vorbei. Es ist jene Loge, die Bernhard Alpstaeg besitzt. Von Alpstaeg wissen wir, dass er nichts von Wolf hält und ihn entlässt, sollte er die Aktienmehrheit wieder erlangen. Von Wolf wissen wir, dass er mit Alpstaeg überhaupt nicht klarkommt.
Als Wolf die Türe zur Loge öffnet, wirkt er auf die anwesenden Ex-Präsidenten Walter Stierli und Ruedi Stäger leicht perplex. Offensichtlich hat er nicht damit gerechnet, den Swisspor-Patron anzutreffen. Doch Wolf meistert das ziemlich souverän. Schüttelt allen die Hand – auch Bernhard Alpstaeg –, wünscht ein gutes Spiel und zieht weiter.
Diskutiert wird Wolfs Besuch in der Loge nicht. Wie auch sonst kaum über die Rechtsstreitigkeiten gesprochen wird. Stattdessen schwelgt man in Erinnerungen, erzählt sich Anekdoten vom Stadionbau, wie man vor Abstimmungen auf Wochenmärkten das Stimmvolk für ein Ja gewinnen wollte. Und man lehnt sich zufrieden zurück mit dem Blick auf die Gegenwart. Nachwuchszentrum, Trainingsplätze, Stadion und Top-Platzierung in der Super League. Alles vom Feinsten. Und alles ziemlich teuer.
Wie viele Millionen Alpstaeg in all den Jahren investiert hat, will er nicht weiter ausführen. Und doch schimmert immer wieder ein kleines bisschen Sehnsucht nach Dankbarkeit durch. Die fehlt. Das ist Fussball. Was gestern war, zählt heute nicht mehr.
Die Suppe aufgegessen, will uns Alpstaeg den VIP-Bereich zeigen. Wir stehen vor der Loge des Beirats. Just in diesem Moment tritt Josef Bieri, der andere grosse Aktionär und Gegenspieler Alpstaegs, aus der Tür in den Vorraum. Er begrüsst Alpstaeg per Handschlag, sagt zu den Journalisten: «Schön, dass Bernhard Alpstaeg wieder hier ist.»
Ist das Ihr Ernst? «Ja.» Aber symbolisch die Hand reichen will er Alpstaeg dann doch nicht. Er spricht von Verantwortlichkeiten, die Alpstaeg als Aktionär nicht wahrgenommen habe, und von zerbrochenem Geschirr, das man nicht mehr zusammenflicken könne.
Andere, die in der Beirat-Loge sitzen, begrüssen den Patron wesentlich herzlicher. Beispielsweise der frühere FDP-Nationalrat Eduard Engelberger. Aber auch ein Unternehmer aus Luzern, den wir hier anonym halten - dazu mehr später.
Kurz vor dem Anpfiff ist Alpstaeg zurück in der Loge Nummer 6 und gelöster als vor dem Rundgang. Die Rückkehr ins Stadion habe ihn Überwindung gekostet, sagt er. «Aber es hat gutgetan. Auch, weil ich viel Support gespürt habe. Negative Reaktionen habe ich keine wahrgenommen. Und ich werde wieder kommen.»
Diese folgen nach der Pause. Die Fankurve kriegt Wind von der Reportage dieser Zeitung und zeigt in der zweiten Halbzeit zwei Transparente. «Alpstaeg: Wie lauft de Promo-Usflog?» Und: «CH Media chasch chaufe, aber üüs bechonsch nie.» Dazu ein paar Mal «Alpstaeg raus»-Rufe.
Der Angesprochene, dessen Sitzplatz nur etwa 30 Meter Luftlinie von der Fankurve entfernt ist, nimmt es zumindest äusserlich stoisch zur Kenntnis. Er weiss, dass es nicht einfach wird, die Bewegung «Zäme meh als 52%» für sich zu gewinnen. Aber in einem früheren Interview sagte er auch: «Die Fans wollen letztlich sportlichen Erfolg, und den gibt es nur, wenn der Klub finanziell vernünftig und gut geführt ist.»
Kurz vor Schlusspfiff verlässt Alpstaeg das Stadion, er will draussen nicht in die Menge geraten. Die Reportage, die diese Zeitung und nicht Alpstaeg initiiert hat, treibt die Menschen weiter um. Der Unternehmer aus der Beirat-Loge meldet sich bei uns mit der Bitte, man möge seinen Handschlag mit Alpstaeg weder im Video noch im Bild zeigen.
Ein Anwalt einer renommierten Kanzlei von der Zürcher Bahnhofstrasse - sie wahrt die Interessen von Josef Bieri - schreibt noch am Sonntagabend ein E-Mail, in dem sie mit «Erstaunen und Befremden» festgestellt hat, dass Journalisten das Spiel in Alpstaegs Loge verfolgt haben.
Was von diesem Matchbesuch übrig bleibt, ist der Eindruck eines enormen gegenseitigen Misstrauens rund um diesen Klub. Wer spricht mit wem? Was sagt die Gruppe hintenrum über mich? Wer plant den nächsten juristischen Angriff? Hoffentlich laufe ich nicht diesem oder jenem über den Weg. Gegner und Feinde, wo man hinschaut.
Und mittendrin eine sportliche Abteilung, die momentan einen richtig guten Job macht. Der FC Luzern ist in einer toxischen Blase gefangen. Kein Wunder, sagt Ehrenpräsident Walter Stierli: «Egal, wie das Gericht entscheidet. Ich hoffe einfach, dass die unterlegene Partei den Streit um die Aktien nicht weiterzieht und endlich Ruhe einkehren kann.» (aargauerzeitung.ch)
Wie naiv.