Nach dem Jubel des türkischen Nationalspielers Merih Demiral steht die rechtsextreme türkische Organisation «Graue Wölfe» erneut im Fokus der Öffentlichkeit. Demiral hatte nach seinem zweiten Tor im EM-Achtelfinale gegen Österreich mit beiden Händen das Handzeichen der Organisation gezeigt.
🇹🇷 Ne mutlu Türküm diyene! pic.twitter.com/4K3kVPFxgW
— Merih Demiral (@Merihdemiral) July 2, 2024
Er selbst begründete die Geste nach Abpfiff mit dem Stolz auf seine türkische Identität. Es stecke «keine versteckte Botschaft» dahinter. Dabei sind die «Grauen Wölfe» längst als rechtsextreme Organisation bekannt, die Kurden und Armenier verfolgt und Gewalt als Teil ihrer Ideologie ansieht.
Die Bewegung hat ihre Ursprünge bereits im Osmanischen Reich des 19. Jahrhunderts, als der türkische Nationalismus erstarkte. 1968 wurden die «Grauen Wölfe» unter dem Namen «Ülkücüler» offiziell gegründet. Ziel war dabei zunächst die Jagd auf Kommunisten. Die «Grauen Wölfe» wollten dabei einen türkischen Nationalismus etablieren. Mit diesen Vorstellungen ging ein extremes Nationalbewusstsein einher, in welchem das Türkentum als übergeordnete Nationalität und Kultur angesehen wird.
Mit der Zeit richtete sich ihr Fokus immer weiter auf ethnische Minderheiten in der Türkei, allen voran Kurden und Armenier. Ihr einstiger Anführer Alparslan Türkeş drohte einst etwa:
Die Wölfe wurden in der Folge zu einer Art Strassenorganisation, ideologisch verbündet mit der fast zeitgleich gegründeten rechts-nationalistischen Partei MHP, die in der jüngeren Vergangenheit wichtiger Partner der AKP-Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan war.
Auch in anderen Ländern Europas wächst die Bewegung – vor allem in Deutschland. Laut Verfassungsschutz gehören dort mehr als 12'000 Menschen den «Grauen Wölfen» an, es ist die grösste rechtsextreme Organisation in der Bundesrepublik. Sie sind grösstenteils in Verbänden organisiert, die sich nach aussen unauffällig geben, nach innen aber eine rechtsextreme Ideologie verbreiten.
Die Bewegung ist offenbar bemüht, sich im Rahmen der Gesetze zu bewegen, keine Straftaten zu begehen und sich vom politischen Gegner nicht provozieren zu lassen. Nach aussen tritt die rassistische und antisemitische Ideologie daher eher durch Aktionen oder Äusserungen einfacher Mitglieder oder lokaler Vereine in Erscheinung. Die Wolfsgrüsse tauchen bei Demonstrationen dennoch immer wieder auf. Verboten und strafbar ist das Zeigen des Wolfsgrusses in Deutschland nicht. In Österreich hingegen wird das «mit einer Geldstrafe von bis zu 4000 Euro oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Monat bestraft», das hat das Parlament bereits 2014 beschlossen.
Die unorganisierte Szene der «Grauen Wölfe» ruft immer wieder zu Hetzjagden, vor allem auf Kurden und Armenier, auf. In den sozialen Medien verbreiten sie Drohungen gegen diese Minderheiten. Laut Verfassungsschutz haben die Anhänger «eine hohe Waffenaffinität und gefallen sich selbst in kriegerischen Posen».
In der Schweiz gilt derzeit trotz Vorstossen im Parlament kein Verbot gegen die «Grauen Wölfe». 2020 und 2022 forderten Grünen-Nationalrat Denis de la Reussille und SVP-Nationalrätin Monika Rüegger in einer Interpellation ein Verbot, welches der Bundesrat ablehnte. Er begründete dies damit, dass derzeit keine Voraussetzungen für ein Verbot gegeben seien. Es liege kein terroristischer oder extremistischer Bezug vor.