
Sag das doch deinen Freunden!
Barça-Aussenverteidiger Juan Camara passt den Ball zur Mitte. Dort steht Wilfrid Kaptoum genau richtig und schiebt den Ball an Torhüter Jaume Domenech vorbei ins Valencia-Tor. 84 Minuten sind gespielt: Es ist der Ausgleich für die Katalanen im Rückspiel des Copa-Del-Rey-Halbfinales. Kurz darauf pfeift der Schiedsrichter die Partie ab, Barcelona zieht ins Endspiel ein.
Eigentlich nichts Aussergewöhnliches für einen Klub, der seit Jahren zur absoluten Weltspitze gehört. Und trotzdem ist dieses Remis beim Tabellen 14. der Primera Division von historischer Bedeutung. Die Katalanen bleiben damit im 29. Spiel nacheinander ungeschlagen. Klubrekord!
Dem FC Barcelona ist in dieser Saison noch viel mehr zuzutrauen als eine solche Serie. Die Katalanen haben die Chance, als erste Mannschaft überhaupt, dass Triple zu verteidigen: In der Primera Division liegen sie drei Punkte vor dem ersten Verfolger Atlético Madrid und das bei einem Spiel weniger. In der Copa del Rey wartet im Finale wohl Sevilla – keine unlösbare Aufgabe. Auch in der Champions League zählen die Katalanen zu den ganz grossen Favoriten auf den Titel – obwohl in der Königsklasse seit der Umstrukturierung noch nie ein Team seinen Triumph verteidigte.
Wer hätte das im Sommer 2014 gedacht. Barça hat zwei sehr bescheidene Jahre hinter sich. Nur in der Meisterschaft und im spanischen Supercup holten Messi und Co. je einen Titel. Übertrainer Guardiola steht mittlerweile bei den Bayern an der Seitenlinie. Unter ihm gewannen die Katalanen in vier Jahren vierzehn Titel. Darunter zweimal die Champions League und dreimal die spanische Meisterschaft.
Mit Luis Enrique wird in dieser Situation ein Mann vorgestellt, der als Spieler zwar einige Erfolge feiern durfte, als Trainer aber ein weitgehend unbeschriebenes Blatt ist. Bei seinen bisherigen Stationen als Übungsleiter der zweiten Mannschaft des FC Barcelona, der AS Roma und schliesslich bei Celta Vigo hat der Spanier noch keinen Titel gewinnen können.
Gestern absolvierte Luis Enrique bereits sein 101. Spiel als Trainer der Katalanen: Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Und diese fünf Punkte zeigen: Er muss den Vergleich mit Guardiola keineswegs scheuen.
Überragende 2,36 Punkte gewann Pep Guardiola in seiner Zeit als Trainer von Barcelona. Mit 80 Siegen und nur gerade neun Niederlagen hat Enrique bisher sogar einen noch besseren Wert. Er holte durchschnittlich unfassbare 2,50 Punkte pro Partie.
Keine Frage: Um den Ball minutenlang in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen, braucht es ein brillantes Team. Guardiola hat dieses Kurzpassspiel mit dem FC Barcelona perfektioniert und seine Gegner zermürbt. Trotzdem war es mit der Zeit extrem langweilig anzuschauen.
Unter Enrique spielt Barça nun einen neuen Stil. Nach einer Balleroberung wird das Mittelfeld blitzschnell überbrückt und die Stürmer suchen den direktesten Weg in Richtung des gegnerischen Tores. Diese Spielweise ist für die Zuschauer um einiges Interessanter.
Klar mit Lionel Messi, Luis Suarez und Neymar hat Barcelona das vielleicht beste Sturm-Trio, das es je gab. Allerdings ist unter Luis Enrique auch die Defensive stabiler geworden. Schon unter Guardiola kassierten die Katalanen in den ersten 100 Spielen nur 76 Tore. Enrique hat diesen Wert aber sogar noch leicht verbessern können: Nach der gleichen Anzahl Spiele kassierte Barça unter ihm noch einmal vier Treffer weniger. Ausserdem spielten die Katalanen fünf Partien mehr zu Null.
Die einzige Direktbegegnung zwischen den beiden Trainern entschied Luis Enrique klar für sich. Im Halbfinale der letztjährigen Champions League demontierte Barça die Bayern im Hinspiel gleich mit 3:0. Das bedeutungslose Rückspiel entschieden die Deutschen zwar mit 3:2 für sich, trotzdem zogen die Spanier mit einem Gesamtscore von 5:3 ins Finale ein.
Der einzige Punkt, der an Guardiola geht: In seiner ersten Saison holte er wie Enrique das Triple aus Meisterschaft, Cup und Champions League. Im Herbst seiner zweiten Saison kamen noch der spanische und der europäische Supercup sowie die Klubweltmeisterschaft hinzu. In einem Jahr holte er somit sechs Titel. Mehr geht nicht. Hier hat Enrique einen Flecken im Reinheft. Er verpasste es im letzten Sommer gegen Athletic Bilbao, den spanischen Super Cup zu gewinnen. Somit blieb Enrique bei «nur »fünf Trophäen in einem Jahr stehen. Mit vielen weiteren Titeln in dieser Saison könnte er das aber sicher verschmerzen.