Im Berner Wankdorf ist es Sommer, die Young Boys führen 3:0 gegen Maccabi Haifa, die Qualifikation zur Champions League ist gewiss. Dann wird Fabian Rieder ausgewechselt, die Zuschauer erheben sich von den Sitzen. Rieder klatscht in seine Hände, dreht sich um die eigene Achse. Emotional verabschiedet er sich von seinem Herzensklub. Der Wechsel ist nur logisch, die Super League für den besten Spieler der Liga zu klein geworden. Für rund 15 Millionen Franken zieht er weiter zum französischen Klub Rennes.
Nur vier Monate später munkeln Medien schon darüber, dass der 21-jährige Nationalspieler wieder auf Leihbasis nach Bern zurückkehren könnte. Seine erste Halbsaison in Frankreich verläuft nicht gerade wie gewünscht.
Rennes startet schlecht in die Saison, ersetzt im November Trainer Bruno Génésio durch Julien Stéphan. Unter dem neuen Trainer spielt Rieder fast nicht. In den letzten sieben Ligapartien darf Rieder nur einmal für 14 Minuten ran, ansonsten sitzt er auf der Bank. Dabei bräuchte der Nationalspieler Spielpraxis, um sich für die EM im Sommer zu empfehlen.
Anruf bei Fabian Rieder. Wie immer ist er freundlich und wirkt gut gelaunt. Doch er sagt auch: «Natürlich ist es nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe.» Einen Wintertransfer schliesst er dennoch kategorisch aus – auch weil er mit YB und Rennes schon für zwei Klubs gespielt hat in dieser Saison. Für einen dritten Klub bekäme er nach international gültigen Statuten keine Spielberechtigung mehr. Rieder erklärt: «Es wäre nur eine Leihe mit den Young Boys möglich gewesen. Aber das war für mich kein Thema. YB bleibt zwar mein Herzensklub, aber ich möchte mich jetzt bei Rennes in der Ligue 1 durchsetzen.»
Der Mittelfeldspieler führt aus, dass er im Sommer rausgewollt habe aus der Komfortzone, sich der Herausforderung in einer Topliga stellen wollte. «Nun brauche ich etwas Geduld. Es ist mein erster Wechsel ins Ausland.» Eine Entzündung an der Achillesferse habe ihn zudem zwischenzeitlich etwas ausgebremst, so Rieder. Nun sei er aber wieder fit und optimistisch, mehr spielen zu dürfen.
Einen Teil des Optimismus nimmt er aus einem Gespräch mit dem Technischen Direktor Florian Maurice und Trainer Stéphan. «Sie haben mir gesagt, dass sie super zufrieden sind mit mir», sagt Rieder. «Wir brauchten schnell Resultate und der Trainer hat deshalb das System umgestellt. Aber sie haben mir gesagt, dass ich gut trainiere und eine gute Mentalität habe. Ich soll so weitermachen wie bisher und dann werde ich zu meinen Einsätzen kommen.»
Der Solothurner litt durch den Trainerwechsel, weil Stéphan von einem Dreier-Zentrum auf ein Zweier-Zentrum umgestellt hat. Somit streitet sich Rieder mit Baptiste Santamaria, Nemanja Matic und vor allem Enzo Le Fée um den Platz im Zentrum. Die geringe Spielzeit Rieders ist mit dem grossen Talent Le Fées zu erklären, der vor der Saison für mindestens 20 Millionen zu Rennes stiess. An der U21-EM im Sommer zeigte er auch im direkten Duell mit Rieder und der Schweiz, wie gut er ist. «Ich finde, er ist ein Topspieler, technisch versiert. Aber ich habe die Überzeugung, dass auch ich grosse Qualitäten habe», so Rieder.
Das Whatsapp-Profilbild von Fabian Rieder zeigt ihn im Spiel gegen Brasilien an der WM 2022, wo er in der Startelf stand. Für die EM in Deutschland muss das Talent nun um seinen Platz kämpfen. Bei der A-Nati war er zum letzten Mal im März 2023 dabei. «Natürlich ist die EM bei mir im Hinterkopf», sagt Rieder. «Ich habe auch den Verantwortlichen bei Rennes mitgeteilt, dass ich persönliche Ziele habe und an die EM möchte.»
Mut macht Rieder übrigens eine Schweizer Rennes-Legende: Alex Frei. Als dieser 2003 von Servette zu Rennes wechselte, hatte er ebenfalls Anlaufschwierigkeiten. Danach startete er in Frankreich durch und wurde Torschützenkönig. Heute hängt Frei zusammen mit anderen Klublegenden vor dem Rennes-Stadion. «Ich wurde von Staff-Verantwortlichen schon darauf angesprochen, dass es bei Frei sehr ähnlich war», sagt Rieder. «Ich denke, das zeigt, dass ich etwas Geduld brauche. Ich bin von meinem Wechsel immer noch überzeugt.»
Für Fabian Rieder gibt es heute Sonntag die erste Möglichkeit auf Spielminuten im neuen Jahr. Dann steigt im französischen Cup das bretonische Derby gegen Guingamp. (aargauerzeitung.ch)
Kleine Korrektur Fabian Rieder ist Berner. Er wurde in Koppigen geboren und auch dort aufgewachsen. Er wechselte dann vom Nachwuchs des Koppiger SV zum Nachwuchs des FC Solothurn. Das macht ihn aber noch nicht zum Solothurner ;-)