Der Fussball ist zurück in der Stadt. Vorbei scheinen die Zeiten, als der FC Zürich belächelt und die Grasshoppers bemitleidet wurden. Der FCZ spielt nicht nur oben mit, sondern begeistert mit spektakulären Auftritten wie zuletzt beim 3:3 gegen Basel. Und GC? Nach zwei Jahren in der Versenkung ist der Rekordmeister zurück in der Super League und führt sich auf, als sei er nie weg gewesen.
Ja, die Zürcher Fussballklubs sind wieder wer. Umso erstaunlicher, dass beide keinen Hauptsponsor haben. Das irritiert wohl auch den FCZ-Präsidenten. Ancillo Canepa sagt: «Der Haupttreiber für ein erfolgreiches Marketing ist die sportliche Situation.» Und diese ist so gut wie seit Jahren nicht mehr.
Gewiss, das blauweisse Trikot der Hoppers mit dem goldenen Rand ist chic wie kaum je zuvor. Aber Schönheit hat ihren Preis. Das gilt erst recht für Fussball-Trikots, wenn die Werbung auf der Brust fehlt. Aber warum haben die Zürcher Klubs keinen Hauptsponsor, während beispielsweise auf dem Shirt der Eishockeyspieler der SCL Tigers aus dem strukturschwachen Emmental ein regelrechter Logo-Salat herrscht? Eine Ursachenforschung.
Canepa sagt: «Wir sind nicht bereit, die Trikotwerbung zu verschenken.» Ähnlich tönt es von Andreas Schmocker, Marketing-Verantwortlicher bei GC. Aber was ist ein adäquater Preis? Canepa spricht von einem tiefen siebenstelligen Betrag. Schmocker ist auch der Meinung, eine solche Summe sei das Hauptsponsoring bei GC wert.
Eine Million Franken. Diesen Betrag hat Cablecom den Grasshoppers schon vor 20 Jahren überwiesen. Und das war zu Zeiten, bevor wir im Bann der sozialen Medien waren. Damals sprach keiner von Content- und Storytelling. Damals ging es einzig um Trikot- und Bandenwerbung, das Markenlogo abzubilden. Und vielleicht mal um eine Autogrammstunde. Aber nicht darum, Spieler für Storys und Werbefilmchen, also Content, einzubinden. Sprich: Obwohl die Klubs heute mehr bieten, sind die Forderungen unverändert.
«Nehmen wir die 500 grössten Marken der Schweiz: Von denen braucht keine mehr Markenbekanntheit», sagt ein Marketing-Experte, den wir Victor nennen. «Die Zürcher Fussballklubs meinen immer noch, ihr Trikot hätte eine Million Franken wert. Aber da besteht eine Diskrepanz. Denn auf Social Media kann man für weniger Geld viel mehr erreichen. Wenn GC und der FCZ aus dem Hauptsponsoring 700'000 Franken lösen, müssen sie froh sein.»
Canepa erzählt, wie er mit einer berühmten ausländischen Firma verhandelt hat. Als es um den Preis ging, sei die Firma abgesprungen und für einen Viertel der vom FCZ geforderten Summe bei einem Eishockey-Klub eingestiegen. Also sind die Forderungen doch zu hoch? «Nein», beharrt Canepa. «Fussball und Eishockey kann man nicht vergleichen. Fussball hat ein viel grösseres TV-Publikum.»
Zürich ist ein schwieriges Pflaster, hört man immer wieder. Einerseits, wegen der hohen Dichte an professionellen Sportklubs. «In Basel gibt es den FCB, den FCB und nochmals den FCB», so das Lamento. Auf der anderen Seite gilt Zürich als Event-Metropole. Und das grosse Kulturangebot muss ja auch noch irgendwie finanziert werden. Trotzdem denkt man, sollte sich in der reichsten Stadt der Schweiz ein Hauptsponsor für die Fussballklubs finden lassen.
Noch in der vergangenen Saison prangte der Schriftzug «Antepay» auf dem FCZ-Trikot. Kaum jemand wusste, was Ante Pay ist. «Was eigentlich ideal ist, weil ein Trikotsponsor vor allem für Start-up’s Sinn macht, um die Bekanntheit zu erhöhen», sagt Victor. Doch bei Start-up-Unternehmen besteht das Risiko, dass sie die Flughöhe nicht erreichen. So passiert bei Antepay, das im Frühling dicht machen musste. Immerhin: Canepa sagt, dass daraus für den FCZ kein finanzieller Schaden entstanden sei.
YB ist es wohl dank den europäischen Auftritten gelungen, mit dem in London ansässigen Finanzdienstleister «Plus 500» einen ausländischen Hauptsponsor zu gewinnen. Das ist die Ausnahme. Denn meist prangen Logos von Firmen auf dem Trikot, die mit der Region verbunden sind. Beispielsweise der FCB mit Novartis. «Wobei das hauptsächlich ein Engagement für die Mitarbeiter ist», sagt Victor. «Novartis muss sich ja nicht mehr bekannt machen. Novartis bringt seine Verbundenheit mit dem Standort zum Ausdruck und zollt der Tradition Respekt. Eigentlich müsste das FCB-Engagement über das HR-Budget laufen.»
Zürich positioniert sich gerne als Magnet für internationale Unternehmen und Expats. Was sich nicht als identitätsstiftend auswirkt. Vielleicht ist das ein ebenso entscheidender Punkt für den fehlenden Schriftzug auf dem Trikot wie das Freizeit-Überangebot in der Stadt.
«Wenn Chinesen schon die Aktienmehrheit bei GC halten, sollte es doch möglich sein, einen chinesischen Konzern als Hauptsponsor zu gewinnen», findet Marketing-Experte Victor. Nun, bei GC denkt man ähnlich. Andreas Schmocker sagt: «Es ist nicht so, dass wir uns dieser Idee verschliessen. Aber es ist auch nicht so, dass momentan grosse chinesische Unternehmen ein riesiges Interesse an der Schweizer Liga bekunden.»
Die Grasshoppers galten mal als Klub des Geldadels. Als Plattform für vermögende Menschen, die neben ihrer Gönnerhaftigkeit für GC vor allem ihr unternehmerisches Netzwerk pflegten. Da fand sich entweder jemand aus dem Zirkel, der den Klub mit Millionen alimentierte. Oder jemand von aussen, der Anschluss suchte. Wie Stephan Anliker, der vorletzte GC-Präsident. Ein Bauunternehmer aus Langenthal, der viel Geld investierte, aber dank seines Engagements mit seiner Firma in Zürich erfolgreich Fuss fassen konnte.
Laut Schmocker funktioniert das GC-Netzwerk noch immer. Aber offensichtlich hat in diesen Kreisen die Begeisterung für den Klub nach jahrelangem Krebsgang gelitten. Fakt ist: Es brauchte einen chinesischen Konzern, um GC vor dem Kollaps zu retten. Was nicht überall goutiert wird. «Wir nehmen eine gewisse Skepsis wahr», sagt Schmocker. «Entweder herrscht bei den Menschen die Meinung vor, die Hauptaktionäre hätten Geld genug, da müssten sie nicht auch noch das Portemonnaie öffnen. Oder sie unterstützen ausschliesslich den Nachwuchs.»
Und der FC Zürich? Das ist seit Jahren der FC Canepa. Das war nicht immer so. Aber seit 2013 und einem Streit mit Mitaktionären halten Herr und Frau Canepa 90 Prozent der Aktien. Und weil für sie die Machtkonzentration ein Segen ist, schreckt das Sponsoren, die nicht nur bezahlen, sondern die nebenbei auch etwas mitgestalten wollen, eher ab. Aber, und das ist ein Segen für den FCZ: Wenn Geld fehlt, steht die Familie Canepa gerade.