Sogar im Penaltyschiessen hielt er seinen Kasten sauber. Marokkos Torhüter Yassine Bounou, genannt Bono, wurde bei dieser WM noch nicht ein einziges Mal von einem gegnerischen Spieler überwunden – und gegen Spanien schliesslich zum grossen Fussballhelden seines Landes. Ein historischer 3:0-Sieg im Elfmeterschiessen, bei dem Bono zwei der drei spanischen Schüssen vom Punkt parierte. «Ich bin so glücklich für unser Team, wir haben zusammen so einen fantastischen Job gemacht. Die ganze Mannschaft hätte den Titel ‹Man of the Match› verdient gehabt. Es war von allen unglaublich», sagte Bono nach dem grössten Spiel seiner Karriere.
Das einzige Gegentor, das die «Löwen vom Atlas» in diesem Turnier bisher zuliessen, war ein Eigentor im Gruppenspiel gegen Kanada. Gegen die europäischen Top-Nationen Kroatien, Belgien und Spanien stand die Null. Dabei musste Bono gegen Belgien auf kuriose Weise nach dem Abspielen der Nationalhymne «ausgewechselt» werden, bevor er überhaupt aufgelaufen war. Ein Schwindelanfall machte ihm zu schaffen. Aber auch sein Vertreter Munir war nicht zu bezwingen.
Im internationalen Spitzenfussball trat Bono im Alter von bereits 31 Jahren erstmals so richtig in Erscheinung. Das bisherige Highlight seiner Karriere: Der Gewinn der Europa League 2020 mit dem FC Sevilla, an dem er dank starker Leistungen grossen Anteil hatte. In Sevilla hütet er seit zweieinhalb Jahren das Tor, wenn er nicht für Marokko spielt.
Bis auf den Start in seiner Heimat bei Wydad Casablanca, wo er mit acht Jahren das Fussballspielen begann und mit 20 sein Debüt in der dortigen Champions League vor 80'000 Fans feierte, verbrachte Bono seine Profikarriere bislang – und ausgerechnet – ausschliesslich in Spanien: Real Saragossa, Atlético Madrid, Girona und nun Sevilla heissen seine Karrierestationen.
Wie viele seiner Nationalelf-Kollegen wurde Bono nicht in Marokko geboren. Der Schlussmann kam in Montreal, Kanada, zur Welt. Mit seinen Eltern zog er im Alter von drei Jahren zurück in deren Heimatland. Auch wenn vor allem sein Vater sich wenig für die fussballerischen Ambitionen seines Filius begeistern konnte, blieb Bono am Ball und schaffte es zum Profi. Obwohl er in Casablanca hätte mehr verdienen können, wagte er 2012 im Alter von 21 Jahren den Schritt nach Europa, in die zweite Mannschaft von Atlético Madrid.
Von dort wurde er mehrfach an spanische Zweitligisten ausgeliehen, bevor ihm der grosse Durchbruch in Sevilla gelang. Bei der diesjährigen Wahl zum weltbesten Torhüter landete Bono auf Rang 9, knapp Manuel Neuer (7.). In der Nationalmannschaft debütierte er 2013. Stammtorhüter wurde er aber erst nach der WM 2018 und am gestrigen Dienstagabend in Ar-Rayyan zum neuen Volkshelden.
Ganz zum Leidwesen von Spaniens Trainer Luis Enrique: 1000 Elfmeter sollten seine Spieler im vergangenen Jahr im Training mindestens geschossen haben, hatte dieser gefordert, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Einige hatten ihre Hausaufgaben offenbar nicht gemacht. Anders waren die weder scharf noch präzise getretenen Penaltys von Sarabia, dessen Ball am Pfosten landete, Carlos Soler und Sergio Busquets nicht zu erklären. Andererseits: Bono, der 1,95-Meter-Mann, ahnte stets die richtige Ecke.
«Ich würde alle Schützen noch einmal so auswählen. Den Einzigen, den ich wechseln würde, wäre Bono, den Torhüter des Gegners», äusserte Enrique anschliessend und machte damit Bono das grösste Kompliment.
Nicht unwahrscheinlich, dass sein 49. Länderspiel Bono in die sportliche Unsterblichkeit in seiner Heimat befördert hat. Doch die Reise ist noch nicht zu Ende. Am Samstag bestreitet Marokko erstmals einen WM-Viertelfinal. Für Bono und seine Teamkollegen, die als erstes afrikanisches Team einen Halbfinal erreichen könnten, ist das bereits jetzt historisch. Mit Portugal wartet das bislang treffsicherste Team dieses Turniers (12 Tore). Auf das Penaltyschiessen sollten es Ronaldo & Co. aber besser nicht angekommen lassen.