Cristiano Ronaldo ist seit Jahren der X-Faktor im Kader der portugiesischen Nationalmannschaft. Sein Name steht in Verbindung mit dem EM-Titel 2016 in Frankreich, aber auch mit zahlreichen Misserfolgen bei Weltmeisterschaften. 2010: Ausscheiden im Achtelfinal. 2014: Out in der Gruppenphase. Und 2018 erneut Endstation Achtelfinal.
Nun, vor dem Aufeinandertreffen Portugals mit der Nati (Anpfiff heute um 20 Uhr), wird die Position von «CR7» allerdings plötzlich infrage gestellt. Ronaldo sorgte nicht zuletzt wegen seines spektakulären Interviews mit Piers Morgan für Trubel um seine Person.
Dies kam nicht nur bei seinem Ex-Klub Manchester United nicht gut an, sondern sorgte auch für Unruhe im Lager der Portugiesen. Hinzu kam nun auch noch die Diskussion um seinen vermeintlichen Treffer im Spiel gegen Uruguay.
Ronaldo versuchte vergeblich, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass er die Hereingabe von Bruno Fernandes zum 1:0 noch mit den Haarspitzen berührt hätte. Dies zeigt zwar Ronaldos unbändigen Ehrgeiz und Siegeswillen, es kam aber nicht nur in Portugal, sondern wahrscheinlich auch bei seinen Mitspielern nicht besonders gut an.
Bruno Fernandes meinte im Interview nach der Partie zwar, «es ist egal, wer die Tore erzielt». Ronaldo scheint dahingehend allerdings ein anderes Bild zu haben als sein ehemaliger Mitspieler bei Manchester United.
Auch nach seiner Auswechslung gegen Südkorea wirkte «CR7» höchst unzufrieden und schimpfte vor sich her. Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen die Nati zeigte sich Fernando Santos alles andere als begeistert von Ronaldos Reaktion, «mir gefiel überhaupt nicht, was ich da sehen musste, doch wir haben das Problem intern geklärt.»
Nicht zuletzt wegen solcher Aktionen stellt sich nun die Frage, ob Portugal ohne seinen Superstar gar besser dran wäre. Auch Fernandos Santos gab seinem Superstar bei der PK im Vorfeld der Partie keine Einsatzgarantie.
Cristiano Ronaldo ist der klassische Zielspieler im von Trainer Fernando Santos bevorzugten 4-3-3-System. Ronaldo besitzt nicht mehr die Dynamik und Geschwindigkeit wie noch vor einigen Jahren. Daher ist er auf zwei schnelle Flügelspieler neben sich angewiesen.
In den ersten beiden Spielen wurde der 37-Jährige von João Felix von Atlético Madrid und Bruno Fernandes flankiert. Was bislang für die Mannschaft von Erfolg gekrönt war. Ronaldo selbst konnte so allerdings bislang «nur» einen Treffer im Spiel gegen Ghana erzielen – und diesen durch einen umstrittenen Foul-Penalty, den er selbst herausgeholt hatte.
Ohne Felix und Fernandes an seiner Seite blieb Ronaldo bei der 2:1-Niederlage gegen Südkorea jedoch blass. Nach 65 Minuten beim Stand von 1:1 wurde er durch RB Leipzigs Andre Silva ersetzt.
Mit Ronaldo im Sturmzentrum ist das Spiel Portugals berechenbar. Er ist für seine Mitspieler in der Vorwärtsbewegung stets die erste Anspielstation. Dabei sah man beim Spiel gegen Ghana eindrucksvoll, dass, wenn es schnell nach vorne geht, andere Spieler bessere Optionen als der aktuell vereinslose Star bieten.
Sowohl beim Treffer zum 2:1 durch João Felix als auch beim Treffer zum 3:1 von Rafael Leão schalteten die Portugiesen nach einem Ballgewinn im Mittelfeld schnell um und konterten ihren Gegner aus. Dabei war die Geschwindigkeit von Leão und Felix ein entscheidender Faktor. Da Ronaldo in beiden Situationen nicht voll mit dem Tempo der beiden mithalten konnte, war er in diesen Momenten keine Anspielstation für seine Mitspieler. Allgemein ist auffällig, dass Ronaldo in schnellen Umschaltsituationen Portugals häufig nicht mehr hinterherkommt.
Und gerade durch das schnelle Umschaltspiel ist Portugal bei dieser WM so gefährlich. Wäre Portugal ohne Ronaldo also besser dran?
Ohne Ronaldo in der Startformation würden die Portugiesen definitiv flexibler werden. Portugal wäre in der Offensive noch unberechenbarer als mit dem aktuell vereinslosen «CR7».
Für ihn könnte der beim AC Milan unter Vertrag stehende Rafael Leão in die Startelf rücken. Dieser zeigte vor allem nach seiner Einwechslung gegen Ghana, dass er genau die Qualitäten mitbringt, die Ronaldo mittlerweile abgehen.
Durch die Hereinnahme Leãos könnte Felix ins Sturmzentrum rücken und als falsche Neun agieren. Bernardo Silva könnte zudem mit Bruno Fernandes die Positionen tauschen, um noch mehr Spielstärke auf die Aussenpositionen zu bringen. Da Felix kein Kopfballungeheuer ist, wäre Fernandes im Zentrum mit seinen präzisen Zuspielen in die Spitze ohnehin besser aufgehoben als auf dem Flügel.
Portugal könnte mit dieser Elf vor allem der Spielstärke der eigenen Spieler entgegenkommen. Zudem wären die Portugiesen in der Angriffsreihe extrem variabel, da alle drei Spieler mehrere Postionen spielen können und so auch während des Spiels rotieren könnten. Wodurch auch der Wechsel auf ein 4-1-2-1-2-System während des Spiels denkbar wäre. Dann könnte sich beispielsweise Bernardo Silva auf die 10er-Position fallen lassen und so das Spiel an sich reissen.
Eine fussballerisch starke Startelf ohne Superstar Ronaldo könnte für Portugal gegen die Schweiz zudem zum Vorteil werden. Denn im Spiel gegen Brasilien war gut zu erkennen, wie stabil die Defensive der Nati auch gegen Top-Gegner steht. Allerdings wurde Brasilien vor allem dann gefährlich, wenn es schnell nach vorne kombinieren konnte, so wie beim Offside-Trefer von Vinicius Junior. Eine Qualität, die der Europameister von 2016 definitiv auch besitzt.
Was allerdings für Cristiano Ronaldo spricht, ist die Statistik. In der Nations League verloren die Portugiesen zuletzt mit 0:1 gegen die Nati. Dabei fehlte der fünffache Champions-League-Sieger.
Beim Spiel eine Woche zuvor zeigte Ronaldo noch seine ganze Klasse. Beim 4:0-Sieg Portugals traf «CR7» gleich doppelt und legte einen weiteren Treffer auf. Ohnehin ist seine Bilanz gegen die Nati eindeutig: In drei Vergleichen gewann Portugal immer, wenn Ronaldo auf dem Platz stand. Er erzielte dabei alleine fünf der neun Treffer seines Landes.
Auch im Nations-League-Halbfinal 2019 erlegte Ronaldo die Schweiz beim 3:1-Sieg im Alleingang. Er erzielte alle drei Treffer seines Teams selbst und trug so wesentlich dazu bei, dass Portugal den Titel gewann.
Egal, ob mit oder ohne Ronaldo: Portugal wird gegen die Nati eine Weltklasse-Elf auf den Platz schicken. Wenn man der Statistik glauben mag, so wäre es für die Mannschaft von Murat Yakin wohl besser, er sässe zunächst einmal auf der Ersatzbank.
Jetzt da er nicht mehr so viel liefert wie früher, IST er ein Problem für alle Mannschaften in der er spielt.