«Es kam mir so vor, als hätte jemand seit sieben Jahren eine riesige Flasche Champagner geschüttelt – und heute ist der Korken endlich geflogen», beschrieb Sportvorstand Stefan Kuntz die Gefühlslage beim Hamburger SV nach der Rückkehr in die Bundesliga. Sieben Jahre mussten die Fans aus der Hansestadt nach dem erstmaligen Abstieg auf diesen Moment warten.
Doch auf die grosse Euphorie folgte der harte Aufprall in der Realität. Schon die Kaderplanung im Sommer gestaltete sich schwierig, weil einige Spieler ersetzt und das Team auf Bundesliga-Niveau gebracht werden mussten. Besonders der Abgang von Davie Selke schmerzte. Der HSV konnte sich mit dem letztjährigen Torschützenkönig der 2. Bundesliga nicht auf einen neuen Vertrag einigen. Nun stürmt der 30-Jährige für Basaksehir.
In der Aufstiegsdokumentation «Always Hamburg» vom ZDF ist zu sehen, wie wichtig Selke für die Kabine war. Sportdirektor Kuntz bezeichnete den Stürmer als Kleber, welcher dafür sorgte, dass die Mannschaft zusammenhielt. Auch Aufstiegskapitän Sebastian Schonlau verliess die Hamburger und steht neu bei den Vancouver Whitecaps unter Vertrag.
Bereits nach der Vorbereitung war zu befürchten, dass die erste Saison zurück im Oberhaus ein schwieriges Unterfangen werden könnte. Die Rothosen gewannen einzig gegen den Siebtligisten TSV Elstorf und den VfB Oldenburg aus der Regionalliga. Gegen stärkere Gegner wie Lyon, Mallorca oder Kopenhagen gab es jeweils Niederlagen.
Natürlich sind Testspiele, wie der Name schon sagt, zum Testen da, doch lief es bisher auch in Pflichtspielen mässig. Im DFB-Pokal durfte Oberligist FK Pirmasens lange von der Sensation träumen. Erst in der Nachspielzeit gelang dem HSV dank Guilherme Ramos der Ausgleich. In der Verlängerung sorgte dann Ransford Königsdörffer nach Vorarbeit vom Schweizer Nationalspieler Miro Muheim für die Entscheidung.
In der Bundesliga wartet der HSV nach zwei Partien noch auf das erste Tor. Im Auftaktspiel gegen Borussia Mönchengladbach sicherte sich der Aufsteiger wenigstens einen Punkt, aber am zweiten Spieltag kam es bereits zum Stadtderby gegen St.Pauli. Die Kiezkicker setzten sich im Volkspark durch und sorgten beim einstigen Dino für hängende Köpfe. Ausgerechnet der Stadtrivale, welcher in der Vergangenheit eher die Nummer zwei in Hamburg war, verpasste dem HSV einen grossen Dämpfer. «Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass wir mit dem 0:2 leben müssen. Das kotzt uns an», gab HSV-Coach Merlin Polzin zu Wort.
Auch Neuzugang und Neo-Kapitän Yussuf Poulsen nahm nach der Niederlage kein Blatt vor den Mund: «Es gab viele gute Dinge, aber dafür können wir uns nichts kaufen, es ist einfach scheisse.» Nach zwei Partien ist klar, dass der HSV nicht auf der Welle der Aufstiegseuphorie durch die Liga surfen kann. Vielmehr wird schon der Ligaerhalt, der das klare Ziel ist, eine grosse Aufgabe. Immerhin wurde das Kader kurz vor Transferschluss mit Albert Sambi Lokonga und den Leihspielern Fabio Vieira, der wie Lokonga von Arsenal kommt, sowie Luka Vuskovic von Tottenham noch gut verstärkt. Doch jetzt müssen schnell Punkte her.
Am Samstagabend stehen die Chancen darauf aber ganz schlecht. Es steht die Reise zum amtierenden Meister Bayern München an. In den letzten 19 Pflichtspielen gegen die Münchner war ein Unentschieden das beste Resultat für die Hamburger, ansonsten hagelte es Niederlagen über Niederlagen. Zuletzt gewann der HSV am 26. September 2009 ein Pflichtspiel gegen den Rekordmeister. Auch das seitherige Torverhältnis spricht Bände: 7:71 aus der Sicht des Aufsteigers.
Noch um einiges schlimmer ist die Bilanz in Auswärtsspielen gegen Bayern. Die letzten acht Resultate in der Allianz-Arena lesen sich wie folgt: 0:6, 0:5, 2:9, 1:3, 0:8, 0:5, 0:8 und zuletzt im Frühling 2018 0:6. Der letzte Sieg in München war am 28. April 2007, als sich die Hamburger über einen 2:1-Sieg freuen konnten. Im Tor des FCB war damals Ikone Oliver Kahn und es dauerte noch drei Monate, bis das erste iPhone erscheinen sollte.
𝐓𝐡𝐫𝐨𝐰𝐛𝐚𝐜𝐤 letzter Sieg in der Allianz Arena. 🏟️ #nurderHSV #FCBHSV pic.twitter.com/XBRnGqNYkS
— Hamburger SV (@HSV) September 10, 2025
Die Voraussetzungen, dass diese Horrorbilanz am Samstagabend ein Ende findet, sind schlecht. Wer darauf setzt, erhält im Erfolgsfall fast das 30-fache zurück. Es ist gemäss den Buchmachern wahrscheinlicher, dass Bayern mit mindestens sieben Toren Unterschied gewinnt, als dass der deutsche Meister gegen den HSV verliert.
Eine Woche später kommt es bereits zu einem wegweisenden Heimspiel gegen den Abstiegskandidaten Heidenheim. Sollten die Hamburger auch dann weiterhin auf den ersten Sieg warten müssen, könnte es für die ehemals Unbesteigbaren bereits wieder früh sehr ungemütlich werden im Oberhaus.
Hihi, danke Autokorrektur!