Das «Derbi madrileño» war in den letzten Jahren stets eine ausgeglichene Angelegenheit. Egal ob in der heimischen Meisterschaft, in der Copa del Rey oder im Champions-League-Final, Atletico und Real schenkten sich nichts. Sollen sie ja auch nicht.
Die «Colchoneros», die «Matratzenmacher», die vermeintlich Kleinen in der spanischen Hauptstadt, waren in den letzten Jahren im Direktduell mit dem «Weissen Ballett» mindestens ebenbürtig – insbesondere im Heimstadion, wo Atletico gegen Real zuletzt sechs Mal nicht verlor. Jetzt aber, in der 30. und letzten Ausgabe des Derbys im Estadio Vicente Calderon, war vieles anders.
Abgesehen vom Start der Halbzeiten war Real klar überlegen. Die «Rojiblancos» fanden trotz ihrer latenten Zweikampfstärke nicht ins Spiel – zu gut war der Gegner, der auch noch einen Cristiano Ronaldo in seinen Reihen wusste, der alle Tore zum hochverdienten 3:0-Sieg für die «Königlichen» beisteuerte. Es war ein weiteres Statement der aktuellen Stärke des spanischen Rekordmeisters.
Real ist in beneidenswerter Verfassung und führt die Primera Division neu mit vier Punkten Vorsprung vor Erzrivale Barcelona an, der gegen Malaga patzte (0:0). Sage und schreibe 29 Spiele sind die Madrilenen jetzt schon ungeschlagen, Zidane hat den ewigen Rekord von 1988/89 also in Sicht: Damals bestritt das Team unter Leo Beenhakker 34 Spiele ohne eine einzige Niederlage.
An der letzten Niederlage unter Zinédine Zidane wirkten zwei Schweizer kräftig mit: Am 6. April 2016 setzte sich der VfL Wolfsburg mit Torschütze Ricardo Rodriguez und Goalie Diego Benaglio im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals 2:0 durch (Rückspiel: 0:3).
Viel ist seither passiert. Viel auch im Bezug auf die Einschätzung von Zidanes Arbeit. Der legendären Nummer 10 Frankreichs wurde lange unterstellt, kein guter Trainer zu sein. Mit so einem starken Kader könne man ja gar nichts falsch machen, war der Tenor. Diese Logik ist allerdings löchrig, denn nach ihr müssten Bayern München und Manchester United in ihren jeweiligen Ligen ja auch die Tabelle anführen oder wenigstens vorne mitspielen.
Dass Zidane allemal taktische Tiefe besitzt, kann nur schon am gestrigen Spiel dingfest gemacht werden. Anstatt wie sonst im 4-3-3 zu agieren, spielte plötzlich Ronaldo Stossstürmer und dahinter hängend Isco, der in seiner Rolle aufblühte. «Das ist seine beste Position», konstatierte Zidane nach dem Spiel. Durch das überladene Mittelfeld wurde Atletico an jeglicher Entfaltung gehindert. Insgesamt meinte der Trainer: «Ich weiss nicht, ob es die beste Leistung unter meiner Regie war, aber wir haben von Anfang an gegen einen schwierigen Gegner ein enorm gutes Spiel gemacht – in einem Stadion, in dem es schwer ist, zu gewinnen, wie wir wissen.»
Will «Zizou» auch die letzten Kritiker zum schweigen bringen, dann wäre die Egalisierung von Beenhakkers Bestmarke sicher der einfachste Weg dazu, aber das dürfte gar nicht so einfach werden.
Die Knacknüsse werden eindeutig die beiden ersten Spiele im Dezember: Erst der «Clásico» im Camp Nou und nur vier Tage später der Champions-League-Auftritt gegen Dortmund im heimischen Estadio Santiago Bernabeu. Schlaflose Nächte wird Zidane trotzdem keine haben, denn zur Seite hat er unbestritten eine schlagfertige Truppe. Insbesondere Cristiano Ronaldo, dem gegen Atletico bereits der 39. Karriere-Hattrick gelungen ist.
Und sollte es mit dem Rekord nicht klappen, dann wäre das für den Trainer sicherlich auch kein Weltuntergang. Ein Zidane weiss, was er kann und wird weiter seinen Weg gehen. So wie er das bisher getan hat – mit Erfolg.