Journalisten gingen früher hart ins Gericht mit Schweizer Fussballerinnen.bild: keystone
Schweizer Fussballerinnen waren im Zeitraum von 1970 bis 1994 oft Opfer medialer Herablassung. Selten ging es um ihre Leistung, dafür vielmehr um ihr Aussehen oder um ihre sexuelle Orientierung. Journalisten nahmen kein Blatt vor den Mund.
Im Jahr 1970 wurde die Schweizer Damenfussball-Liga nach etlichen Protesten gegründet – ein Jahr danach wurde das Frauenstimmrecht eingeführt. Zu jener Zeit hatten Frauen in der Gesellschaft eine klare Rolle: Haushalten, Kindererziehung und dem Mann den Rücken stärken. Fussballspielen gehörte definitiv nicht dazu. Nichtsdestotrotz erkämpften sich die Frauen in dieser Männerdomäne einen Platz und lebten ihre Passion aus.
Und so wurde auch die Neugier der Journalisten geweckt.
Röcke vs. Hosen
Der FC Goitschel war der erste offizielle Frauenfussball-Klub in der Schweiz, gegründet von den Schwestern Monika und Silvia Stahel aus dem Murgenthal. Mit diesem Klub-Namen ehrten sie ihre Idole – die französischen Skirennfahrerinnen Marielle und Christine Goitschel. Abseits der Piste spielten die beiden ebenfalls leidenschaftlich Fussball. Im Jahr 1966 besuchte ein interessierter Journalist Silvia und Monika Stahel. Seine Eindrücke des Treffens schreibt er wie folgt nieder:
«In ihren Trainingsanzügen und Fussballschuhen sehen sie aus wie Jünglinge, ihre kurzgeschorenen Köpfe, ihre eckigen Bewegungen, ihr harter Handschlag. Sie fühlen sich nicht wohl in Röcken, sie bevorzugen lange Hosen. Wenn nicht die Berufsarbeit bestimmend wäre, so würden sie wohl nie Röcke tragen.»
Wochenzeitung, «Wir Brückenbauer» vom 18.03.1966
So sehen Monika (links) und Silvia Stahel heute aus.aargauer Zeitung
Verniedlichung
1970 feiert die Schweizer Nati einen 9:0-Kantersieg gegen Österreich. Da das Nachbarland der Erzrivale der Männer ist, nutzten die Journalisten diese Chance aus, um das österreichische Volk kleinzumachen. Zur Berichterstattung gehörte auch die Verniedlichung der Spielerinnen:
«Neun Mal glich das Breite-Stadion einem Hexenkessel: immer dann, wenn die Madeleine, die Kathrin, die Rita oder auch die Fiorenza, die recht charmanten Schweizer Balltreterinnen, der ersten Dame Österreichs die Kugel in den Hanf setzten.»
Schaffhauer Zeitung vom 11.11.1970
Die Schweizer Nati bei ihrem ersten Heimspiel 1970.keystone
So gut wie ein Mann
Ging es jedoch darum, das Können einer Frau zu beschreiben, so wurde sie beim Nachnamen genannt. Oftmals wurde eine bemerkenswerte Szene dafür genutzt, um den Vergleich zu den Männern zu ziehen:
«Die Moser riss oft lehrbuchmässig mit dem Pass die ganze gegnerische Verteidigung auf (...). Immerhin sei festgestellt, dass Fussballexperten der Ansicht waren, eine Boll könnte ohne Weiteres in einer Herren-3. Liga Mannschaft mitspielen.»
«Wie da beispielsweise die Zürcherin Kretz vom rechten Flügel her Flankenbälle zur Mitte servierte, hätte selbst männliche Fussballer vor Neid erblassen lassen.»
Schaffhauser Nachrichten vom 09.11.1970
Schweizer Fussballerinnen im Portrait:
Madeleine Boll – die erste lizenzierte Fussballerin in der Schweiz.Video: SRF
Hübsch und wendig
Das Aussehen oder der Beziehungsstatus der Frauen waren teils wichtiger als die Resultate selbst. Tatsächlich wurden Berichte publiziert, bei denen das Resultat komplett fehlte. Geschichtliche Symbolfiguren wie die «Stauffacherinnen» wurden ebenso eingesetzt:
«2000 Zuschauer ergötzten sich beim Damenfussball-Länderspiel Schweiz gegen Österreich in Schaffhausen an den wendigen, hübschen Stauffacherinnen, die den zum Teil schwergewichtigen Österreicherinnen nur so um die Ohren wirbelten.»
Schaffhauer AZ, von 09.11.1970
Resultate gingen in Spielberichten teilweise vergessen.sfv
Abnormale Veranlagung
Skandale abseits des Rasens erhielten in den 1990er-Jahren viel mediale Aufmerksamkeit. Einer davon war der «Lesbenskandal» beim 2.-Liga-Verein FC Wettswil-Bonstetten 1994. Laut der Medienmitteilung des Vereins spielten zu viele lesbische Frauen im Team, weshalb man es auflöste. Der «Blick» zitierte folgende Stelle aus dem Communiqué:
«Der Verein wird ausgenützt für das Ausleben von Abnormalen Veranlagungen.»
«Als Vorstand sind wir verflichtet einzuschreiten, sobald die Gefahr besteht, dass Minderjährige gefährdet sind.»
Blick, 2.4.1994, Nr. 77 & Comminiqué FC Wettswil-Bonstetten.
Die sexuelle Orientierung dieser Spielerinnen war auch international ein Thema. Die Pressesprecherin der Lesbenorganisation Schweiz, Barbara Brosi, musste dem Schweizer Volk daraufhin erklären, dass «lesbisch sein» nicht ansteckend sei.
Wenn wir schon beim Thema sind:
Ein langer Weg
Man sollte sich nicht nur über frühere Berichterstattungen ärgern, sondern sich lieber über die markante Verbesserung der letzten Jahre erfreuen. Ein Verantwortlicher bei YB stellte beispielsweise fest:
«Die weibliche Abteilung ist ein Sympathiefaktor für jeden Klub.»
Zwölf. Fussball-Geschichten aus der Schweiz, November/Dezember 2009
YB-Spielern Da Eira im Interview
Video: watson/Aya Baalbaki
Herablassende und oberflächliche Medienberichte sind heutzutage eine Seltenheit. Und wie erlebst du die Berichterstattung über den Frauenfussball?
Sexismus in den Medien
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Sexismus in den Medien
quelle: shutterstock / screenshot blick / bearbeitung watson
Schweizer Nationalspielerinnen über Rassismus
Video: watson
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20 Ariane Rädler AUT
Die weiteren Schweizerinnen:
24 Joana Hählen
25 Jasmina Suter
27 Delia Durrer
28 Priska Ming-Nufer
32 Stephanie Jenal
Auch wenn man es heute bei einem Damenfussballspiel nicht mehr sagen würde, aber die Einschätzung mit der 3. Liga dürfte etwa hinkommen, hätte ich gesagt - rein inhaltlich finde ich diese Aussage also nicht so tragisch wie die anderen.