Die Grenats sind sich nach dem 0:0 im Hinspiel in Genf, das nicht mitreissend war, aber einen tollen Kampf zwischen zwei Kontrahenten bot, die eine ihrer Stärken im unbändigen körperlichen Einsatz haben, der Grösse der Aufgabe bewusst. Die Tschechen sind wettbewerbsübergreifend seit 14 Spielen ungeschlagen und haben am Sonntag den Tabellenführer Sparta Prag 4:0 geschlagen.
Ausserdem können sie heute Abend auf Pavel Sulc zählen, der mit 14 Treffern der beste Torschütze der tschechischen Liga ist und im Hinspiel gesperrt gefehlt hatte. Doch die Genfer haben einen Lauf – und das liegt auch an diesen sechs Säulen des Teams:
Eigentlich trat der Trainer ein schweres Erbe an. Im Sommer ersetzte er Alain Geiger. Der Walliser hatte Servette von der Challenge League in die Super League geführt und den Klub dort etabliert. Letzte Saison war Servette als Zweiter so gut wie seit 24 Jahren nicht mehr. Und trotzdem holten die Klubbosse im Sommer Weiler, was da und dort für Unverständnis sorgte. Doch mittlerweile spricht niemand mehr von seinem Vorgänger. Denn René Weiler hat das Team noch besser gemacht. Und der Winterthurer, der frühere Stationen öfter mal in Unfrieden verlassen hatte, macht nun einen gelasseneren Eindruck als früher.
Der Torhüter ist in Genf geboren, war Junior bei Servette und debütierte nach einem Abstecher zu Olympique Lyon 2015 in der Challenge League. Seither folgten weitere 266 Servette-Spiele. Nach einer Verletzung zu Saisonbeginn, als er vom neu verpflichteten Joël Mall exzellent vertreten wurde, einigte man sich auf Jobsharing. Jérémy Frick spielt seither nur noch in den Cup-Partien, Mall darf in der Liga ran. Doch Leistung bringen beide. Gegen Rasgrad rettete Frick seinem Team mit zahlreichen Paraden den Einzug in den Achtelfinal und auch im Hinspiel gegen Pilsen blieb der Genfer Captain und das Sprachrohr des Teams ohne Gegentor.
Der 33-Jährige ist einer von sechs Genfern im aktuellen Servette-Team, die 2019 schon beim Aufstieg in die Super League dabei waren. Nach zwei Spielzeiten, in denen der Walliser ab und an auch auf der Bank Platz nehmen musste, ist Steve Rouiller in dieser Saison auf der Höhe seines Schaffens. Nach dem 0:0 im Hinspiel gegen Pilsen vor einer Woche – dem sechsten Spiel ohne Gegentor aus den letzten acht Servette-Spielen – sagt Rouiller: «Wir verteidigen mittlerweile sehr gut. Und es macht Spass, weil das ganze Team alles gibt, damit wir defensiv kompakt stehen.»
Im Mittelfeld von Servette, dem Herzstück des Teams, gibt es einen Fussballer, der eigentlich immer da ist: Timothé Cognat, der Franzose. 2018 kam er aus Lyon nach Genf, als Nachwuchs-Nationalspieler, der irgendwann nicht mehr weiterkam. Schnell entpuppte er sich als Glücksgriff. Über die Jahre gab es kaum ein Spiel, in dem Cognat nicht in der Startformation stand. 26 Jahre alt ist er mittlerweile. Im zentralen Mittelfeld gibt es in der Schweiz gerade keinen kompletteren Fussballer. Cognat läuft und läuft, er gewinnt Bälle, verliert sie kaum, lenkt mit seinen Pässen das Servette-Spiel und schiesst neuerdings sogar auch noch Tore.
Frick ist der Mann, der seit Urzeiten das Genfer Tor hütet; vor ihm verteidigt Rouiller alles weg; im Mittelfeld zieht Cognat die Fäden. Und die rechte Seite, die gehört seit je Miroslav Stevanovic, unablässig ist er dort unterwegs und mit feinem Fuss. 29 Tore hat der Bosnier in der Super League seit dem Aufstieg erzielt und gar 48 vorbereitet; 2021/22 waren es in einer Saison 20 – Rekord. Diese Sphären wird Stevanovic heuer nicht erreichen. An der Bedeutung des 33-Jährigen ändert das nichts. Just als Stevanovic Anfang Saison ein paar Spiele fehlte, zogen die Genfer ihre schwächste Phase ein.
Er galt schon früh als grosses Talent, weil er ein paar Fähigkeiten mitbringt, die ihn besonders machen, gerade in der Super League. Der 26-Jährige verfügt über Tempo und dazu noch über Dribbelstärke; er gehört zur raren Spezies jener Spieler, die stets etwas probieren, einen Schuss wagen oder ein Dribbling. Lange hatte Dereck Kutesa das Problem, dass dabei am Ende zu wenig Zählbares herausschaute. Doch jetzt wird der gebürtige Genfer, der schon für Basel, Luzern, St.Gallen und in der Ligue 1 spielte, immer produktiver. Und hat sich dadurch in den Notizblock von Nationaltrainer Murat Yakin gespielt, wie auch Teamkollege Alexis Antunes.
Der sportliche Gewinn wäre mit Servettes Qualifikation für die Viertelfinals, die dem Schweizer Fussball im UEFA-Ranking guttun würde, messbar. Finanziell steht eine Million Euro an Prämien auf dem Spiel – und die Chance auf einen sehr attraktiven Gegner in der Runde der letzten acht. Fiorentina, Aston Villa, Ajax, Lille oder Fenerbahçe sind einige mögliche Gegner. (ram/chmedia/sda)