Eklat vor Island vs. Türkei – die unglaubliche Geschichte des Bürsten-Mannes
Unfassbar, aber wahr: Lange Sicherheitskontrollen am Flughafen und eine Bürste als Mikrofon haben eine diplomatische Krise zwischen der Türkei und Island ausgelöst.
Aber der Reihe nach: Zwei Tage vor dem heutigen Duell in der EM-Qualifikation gegen Island landete die türkische Nationalmannschaft am Sonntagabend am Flughafen Keflavik. Weil sich die Abfertigung des türkischen Trosses am Zoll über Stunden hinzog, fühlten sich die Gäste mit zu wenig Respekt behandelt und kritisierten die «inakzeptablen» Bedingungen.
Das türkische Aussenministerium sandte eine diplomatische Protestnote nach Island, und der Verband beklagte «eine Abweichung von diplomatischen Gepflogenheiten und sportlichem Verhalten». Sogar Präsident Recep Tayyip Erdogan schritt ein und liess der Mannschaft ausrichten, dass ihnen das türkische Volk zur Seite stehe.
Das Fass zum Überlaufen brachte schliesslich ein angeblicher isländischer Journalist, der den türkischen Captain Emre Belözoglu nach den stundenlangen Kontrollen mit einer Spülbürste (in der Türkei hielt man sie für eine Klobürste) interviewte. Der Gipfel der Respektlosigkeit!
Doch wie sich nun herausstellte, war das «Bürsten-Interview» nur ein Scherz eines belgischen Touristen, der sich vor seinem Rückflug in die Heimat langweilte und sich kurzerhand als Journalist ausgab, als er die Ankunft der türkischen Mannschaft beobachtete. Sein Name ist Corentin Siamang. Auf Facebook hat der 26-Jährige seine unfassbare Geschichte erzählt:
Die türkischen Journalisten glauben, dass ich ihren Captain mit einer Klobürste interviewt habe. Der Skandal wird sofort in fast allen türkischen Medien aufgegriffen. Plötzlich bin ich die Schlagzeile von CNN Turkey und stehe auf der Titelseite ihres wichtigsten Sportmagazins. WTF! Der türkische Aussenminister twittert sogar darüber.
Der Wahnsinn hört nicht auf. Denn die Suche nach diesem Journalisten mit seiner Klobürste, der den türkischen Captain interviewt hat, führt bald zu meinem Profil auf Facebook. Eine türkische Seite mit mehr als einer halben Million Mitgliedern ‹entlarvt› mich und identifiziert mich als den isländischen Sündenbock. Mit Tausenden von Hassbotschaften als Folge ... Ich habe wirklich nichts mit der dreistündigen Verspätung des Teams am Zoll zu tun.
Beruhigen wir uns. Es war übrigens keine Toilettenbürste, sondern eine (saubere) Spülbürste. Das ist Humor. Es war nur ein Scherz und ich wollte mit Sicherheit niemanden verletzen. Ausserdem gibt es kein Gesetz, das mir verbietet, mit einer Spülbürste auf jemanden zuzugehen. Ich habe ihn auch einfach gefragt, wie er sich nach diesem grossartigen Sieg gegen Frankreich gefühlt hat.
Zum Schluss: Eine Spülbürste ist definitiv praktischer als Mikrofon als eine Klobürste.»
Kurz nach der Veröffentlichung seiner Geschichte wurde Siamangs Facebook-Account gehackt und mit unterstützenden Posts für die türkische Nationalmannschaft geflutet.
Isländische Journalisten wehren sich
Bevor die türkischen Fussball-Fans Siamang ausfindig gemacht hatten, wurden bereits zahlreiche isländische Sportjournalisten auf Social Media beschimpft und bedroht. Benedikt Gretarsson schrieb auf Twitter, dass er rund 2000 Drohungen erhalten habe. «Der Idiot mit der Bürste bin NICHT ich. Ich habe grossen Respekt vor den türkischen Spielern und ihrer grossartigen Nation», so Gretarsson weiter. «Ich denke, wir hellhäutigen Gringos sehen alle gleich aus? Der einzige Unterschied ist, dass ich alt, klein und glatzköpfig bin und der Bürsten-Mann gross, jung und eine Duran-Duran-Frisur hat. Ich wünschte, ich wäre 1,90 Meter mit vielen Haaren.»
I guess we light skinned gringos all look the same? Only difference is that I’m old, small and bold and “brush-man” is tall, young and has Duran-Duran hair. #peace pic.twitter.com/Bz1v1JeCDM
— Benedikt Gretarsson (@bennigretars) 10. Juni 2019
Gretarsson war nicht der einzige Sportreporter, der belästigt wurde. Auch Thorkell Gunnar Sigurbjörnsson, Magnus Mar Einarsson und Hjörvar Haflidason mussten auf Twitter klarstellen, dass nicht sie das Bürsten-Interview geführt hatten.
Dear Turkish fans!
— Magnús Már Einarsson (@maggimar) 10. Juni 2019
I was NOT at the airport in Iceland today and I would NEVER pretend to take a interview with a brush. I don't know who the guy with the brush is, he is a tourist. I have so much respect for your great team and also for Emre who has had a great career
Das Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft 2020 zwischen Island und der Türkei findet heute Abend statt. Die Türkei führt ihre Gruppe H mit drei Siegen aus den ersten drei Spielen aktuell an und besiegte dabei unter anderem Weltmeister Frankreich mit 2:0. Mit einem weiteren Vollerfolg könnte bereits der Grundstein für die zweite EM-Teilnahme in Folge gelegt werden. Hoffentlich haben sich spätestens nach dem Schlusspfiff die Gemüter etwas beruhigt. (pre)
