Eigentlich hätte Inter-Verteidiger Francesco Acerbi mit seiner verbalen Entgleisung während der Begegnung zwischen den «Nerazzurri» und Napoli am Sonntag relativ glimpflich davon kommen können. Juan Jesus, der Adressat von Acerbis rassistischer Beleidigung, zeigte sich nach dem Spiel versöhnlich: «Er ist ein netter Kerl, er hat sich entschuldigt und wenn der Schiedsrichter abpfeift, ist alles vergessen», sagte der Verteidiger der Neapolitaner angesprochen auf den Vorfall.
Dieser ereignete sich ausgerechnet am ersten Tag der Aktionswoche «gegen Rassismus», die in der Serie A jährlich abgehalten wird.
Inter Milan defender Francesco Acerbi is facing an investigation over an alleged racist remark he made towards Napoli’s Juan Jesus during Sunday’s 1-1 draw at San Siro.https://t.co/7GppM1eRH5
— The Athletic | Football (@TheAthleticFC) March 19, 2024
Dass die Geschichte nun auch die Justiz beschäftigt, liegt zwar in erster Linie daran, dass Acerbis mutmasslichen Aussagen klar als rassistisch einzustufen sind. Allerdings goss der Verteidiger am Montag selbst noch zusätzlich Öl ins Feuer, was die Sache noch komplizierter macht.
Als der 36-jährige Italiener am Montag für den Zusammenzug der italienischen Nationalmannschaft nach Rom reiste, hatte er zwar noch die Möglichkeit, dem Team und der Mannschaft seine Sicht der Dinge darzulegen – «um Unruhe zu vermeiden», wurde er dennoch aus dem Kader der «Squadra Azzurra» für die beiden kommenden Freundschaftsspiele gegen Ecuador und Venezuela gestrichen. Ersetzen wird ihn Roma-Verteidiger Gianluca Mancini.
Francesco #Acerbi lascia il ritiro azzurro, al suo posto convocato Gianluca #Mancini #Nazionale 🇮🇹 #Azzurri #VivoAzzurro pic.twitter.com/1gDyZxk7R0
— Nazionale Italiana ⭐️⭐️⭐️⭐️ (@Azzurri) March 18, 2024
Wenige Stunden nach dem Treffen mit der Nationalmannschaft befand sich der unerwünschte Acerbi also bereits wieder im Zug in Richtung Mailand. Am Bahnhof angekommen wurde er von Journalistinnen und Journalisten belagert – und Acerbi sorgte im Gespräch mit ihnen für Zündstoff. So sagte er:
Juan Jesus, so Acerbi, habe da wohl etwas falsch verstanden.
Für Juan Jesus war die Sache nach dem Spiel eigentlich gegessen. Erst nach Acerbis Bezeugungen, nichts Rassistisches gesagt zu haben, meldete sich der Brasilianer per Instagram zu Wort: «Für mich war die Angelegenheit gestern auf dem Spielfeld mit der Entschuldigung von Acerbi abgeschlossen, und es wäre mir lieber gewesen, nicht mehr über diese hässliche Episode, die mir widerfahren ist, sprechen zu müssen», schrieb er.
Juan Jesus, der in seinem Post im Detail darlegte, wie ihn Acerbi während des Spiels mit dem N-Wort beleidigt habe, stört sich vor allem daran, dass Acerbi «seine Version der Geschichte geändert hat und behauptet, es habe keine rassistische Beleidigung gegeben». Laut Jesus habe Acerbi zudem gesagt, dass für ihn das N-Wort «eine Beleidigung wie jede andere sei».
Rassismus ist im italienischen Fussball ein altbekanntes Problem. Auf rassistische Gesänge oder Affenlaute von den Tribünen reagieren die Vereine und der Verband aber oftmals zögerlich. Auch in der Causa Acerbi wirkt das Bekenntnis des italienischen Nationaltrainers Luciano Spalletti, auf die «bekanntgewordenen Vorfälle» zu reagieren, eher halbherzig. An einer Medienkonferenz anlässlich des Zusammenzugs machte der Trainer zudem deutlich, dass er den Worten seines Schützlings mehr Glauben schenkt als Jesus' Anschuldigungen: «Nach dem, was Francesco mir gesagt hat, gibt es keinen rassistischen Vorfall», meinte der 65-Jährige.
Unterstützung erhält Juan Jesus indes von seinem Verein Napoli. Der Verein postete auf X ein Video, in dem sich die Spieler in ihrer jeweiligen Muttersprache gegen Rassismus positionieren. Inter Mailand gab an, «sich so bald wie möglich mit dem Spieler zu treffen, um die genauen Einzelheiten der Geschehnisse zu klären».
From Napoli to the world, shout it out loud: no to racism.#KeepRacismOut pic.twitter.com/cppxejCToZ
— Official SSC Napoli (@sscnapoli) March 18, 2024
Der Ball liegt nun bei der Sportjustiz, die anhand von Zeugenaussagen und Bildmaterial die Geschehnisse zu rekonstruieren versucht. Da der Schiedsrichter Acerbis Worte nicht gehört hat, sondern lediglich aufgrund von Jesus' Protest auf die Situation aufmerksam wurde, dürfte der Fall angesichts der Aussage-gegen-Aussage-Situation vor Gericht aber einen schweren Stand haben. Im Falle eines Schuldspruchs drohen Acerbi bis zu zehn Spielsperren.
(kat)