Madrid ist zurzeit der Mittelpunkt des europäischen Fussballs. Schliesslich hiess das letzte Finale der Champions League Real Madrid gegen Atlético Madrid. Doch es gibt nicht nur die «Königlichen» und «Los Colchoneros» in Madrid, sondern auch ein dritter Verein aus der Hauptstadt Spaniens, welcher in der Primera Division spielt: Rayo Vallecao aus dem Arbeiterviertel Vallecas. Und dieser ist ein ganz spezieller Klub.
«Los Franjirrojos», was übersetzt soviel heisst wie die Rotgestreiften, haben mit Aufsteiger Eibar zusammen das kleinste Budget der Primera Division. Im letzten Jahr betrug der Etat etwas mehr als zehn Millionen Schweizer Franken. Zum Vergleich: Stadtrivale Real kommt auf über 600 Millionen Franken. Real Madrids Starspieler Cristiano Ronaldo verdient also alleine so viel wie «Los Vallecanos» zusammen.
Real Vallecano ist also gezwungen, haushälterisch mit den vorhandenen Mitteln umgehen. Und bei den Transfers kann man ihnen definitiv nichts vorwerfen: Seit 2001 haben sie nur zweimal (ein wenig) Geld in die Hand genommen, um Spieler zu verpflichten.
2011/2012 zahlten sie Arsenal 340'000 Euro Leihgebühr für Pedro Botelho und diese Saison legten sie eine halbe Million Euro für Johan Mojica auf den Tisch. Die restlichen Transfers sind alle ablösefrei oder auf Leihe getätigt worden. So konnten 2011 etwa Michu (ablösefrei) und Diego Costa (Leihe) an Bord geholt werden.
Die Manager von Rayo Vallecano legen sich aber nicht etwa auf die faule Haut, im Gegenteil. In den letzten sechs Spielzeiten tätigte der Verein insgesamt 99 Zugänge, was einen Schnitt von 16,5 pro Saison entspricht. Gleichzeitig verlassen den typischen «Fahrstuhlklub» – der in den letzten zwanzig Jahren zwischen der Segunda und der Primera Division pendelte – auch jedes Jahr viele Spieler.
Trotzdem hängt über dem kleinen Klub immer ein (finanzielles) Damoklesschwert. So muss Rayo Vallecano immer viel Geld in die Hand nehmen, um im Konzert der Grossen mitspielen zu können. Wie so viele andere Vereine auf der iberischen Halbinsel musste auch Rayo Vallecano vor drei Jahren Konkurs anmelden.
Nach dem sensationellen 8. Rang in der vorletzten Saison liess die UEFA aufgrund der finanziellen Situation den Klub nicht zur Europa League zu. Schade für den Verein, dem die Einnahmen sicher gut getan hätten.
Die Fans stehen trotzdem immer hinter ihrem Kultklub, vergleichbar etwa mit St.Pauli in Deutschland. Die Fankurve ist bekannt für ihre politische (linke) Haltung. Republikanische Fahnen und Banner von Che Guevara gehören zum Allgemeinbild im berühmt-berüchtigten Campo de Fútbol de Vallecas, wo knapp 15'000 fanatische Zuschauer die Heimmannschaft vorwärts peitschen.
Die antifaschistische Fan-Gruppierung «Los Bukaneros» steht unter dem Verdacht, auch vor illegalen Mitteln nicht zurückzuschrecken. So sollen sie vor einem Spiel gegen Real Madrid die Flutlichtanlage lahmgelegt haben, um gegen die schlechten Termine – der Klub spielt überdurchschnittlich häufig am unbeliebten Montag – und die überteuerten Ticketpreise zu demonstrieren.
Rayo Vallecano are the only club joining in with the general strike in Spain this Thursday. They did same in 2010, after speaking with fans.
— David Cartlidge (@davidjaca) 28. März 2012
Auch die Spieler scheinen etwas anders zu ticken als ihre Berufskollegen. So solidarisierten sich die Spieler mit dem gemeinen Volk und beteiligte sich bei den grossen spanischen Generalstreiks 2010 und 2012.
Auch auf dem Feld geben «Los Franjirrojos» mächtig Gas. Die Spielphilosophie vom Verein und Trainer Paco Jemenez ist offensiv ausgerichtet, sie spielen mit unglaublicher Intensität und Mut zum Risiko.
So sagte der Trainer Jemenez 2012 vor einem Spiel gegen Barcelona einmal: «Ich habe keine Lust zuzusehen, wie Barça das Spiel diktiert. Also werden wir sicher verlieren, aber wir entscheiden, wie wir spielen werden.»
Das Resultat: Rayo setzte das grosse Barcelona von Beginn weg unter Dauerdruck – und verlor 0:5. Aber Rayo Vallecano blieb seinem Stil treu. Letzte Saison mussten die Katalanen erstmals seit 317 Spielen einem Gegner mehr Ballbesitz zugestehen. Bei einem kleinen Vorortklub ist diese Ära zu Ende gegangen. Auch wenn dieser glatt 0:4 verlor. Am 29. Mai 2014 feierte der sympathische Klub sein 90. Jubiläum.