Die Ukraine steht nach einem Last-Minute-Treffer in der Verlängerung und dem damit verbundenen 2:1-Sieg gegen Schweden zwar erstmals im EM-Viertelfinal, die Mannschaft erlebte gestern Abend aber auch einen echten Schock-Moment: In der 101. Minute musste der erst zum Start der Verlängerung eingewechselte Artem Besedin wohl mit einer schweren Knieverletzung ausgewechselt werden.
Die Bilder waren nichts für schwache Nerven: Marcus Danielson kam nach einer Kopfball-Weiterleitung gegen den Ukrainer zu spät und setzte zur Grätsche an. Dabei traf er Besedin, nachdem er zunächst den Ball gespielt hatte, mit voller Wucht und gestrecktem Bein am Knie.
Der italienische Schiedsrichter Daniele Orsato zeigte Danielson zunächst die Gelbe Karte, entschied sich nach dem Videostudium aber um und stellte den schwedischen Innenverteidiger mit Rot vom Platz. Unter vehementen Protesten der Schweden.
Rein regeltechnisch war es eine knifflige Entscheidung: Die Szene sieht in der Wiederholung sehr brutal aus, eine Absicht kann Danielson aber nicht unterstellt werden. Der Schwede war voll auf den Ball fokussiert, nimmt mit seinem rücksichtslosen Einsteigen aber dennoch eine Verletzung des Gegenspielers in Kauf. Schliesslich muss er damit rechnen, dass Besedin den Ball nicht mehr erreichen kann.
Even Besedin waves him off 😂#EURO2020 pic.twitter.com/MFLwpov3xb
— Reginaldo Rosario (@Regi1700) June 29, 2021
Für ihn sei der Platzverweis gerechtfertigt, analysierte der frühere Bundesliga-Schiedsrichter Lutz Wagner nach dem Spiel die Szene in der ARD. Es sei die internationale Vorgabe, bei einem intensiven Treffer mit offener Sohle oberhalb des Knöchels auf Rot zu entscheiden. Auch dann, wenn vorher der Ball gespielt wurde.
Auch Schwedens Trainer Jan Andersson war nach dem Spiel mit dem Platzverweis einverstanden: «Meine Kollegen auf der Tribüne haben mir gesagt, dass es eine Rote Karte war», erklärte er. «Es war ein sehr erfahrener Schiedsrichter. Ich habe es noch nicht gesehen, aber ich denke, es ist wahrscheinlich richtig.»
Der englische TV-Experte Gary Lineker war allerdings anderer Meinung: «Das ist keine Rote Karte. Er hat das Recht, diesen Ball zu klären. Die Zeitlupe macht aus einem harmlosen Einsteigen mal wieder mehr, als es war. Lächerlich», schrieb er auf Twitter. Das kam nicht überall gut an, die sonst so hochgeschätzte lebende Fussball-Legende muss für seinen Tweet viel Kritik einstecken.
That’s not a red card. He’s perfectly entitled to clear that ball. Slow motion once again turning an innocuous challenge look more than it was. Ridiculous.
— Gary Lineker 💙 (@GaryLineker) June 29, 2021
Besedin dürfte die Diskussion um regelkonform oder nicht wenig kümmern. Das Knie des Mittelstürmers von Dynamo Kiew wurde bei der Aktion völlig überstreckt. Schon beim Hinsehen war klar, dass sich der 25-jährige Ukrainer ziemlich sicher schwerer verletzt hatte. Nach minutenlanger Pflege wurde er von zwei Pflegern mit dick eingebundenem Knie vom Platz geführt. Welche Verletzungen sich Besedin zugezogen hat, wurde noch nicht kommuniziert.