Was ist los mit Renato Steffen? Manch einer stellte sich diese Frage nach dem 0:4 der Schweiz in Portugal am vergangenen Sonntag. Steffen, im letzten Herbst noch einer der Gewinner unter dem neuen Nati-Trainer Murat Yakin, stand neben sich. «Ja, es war eine schmerzhafte Erfahrung», sagt er nun mit ein paar Tagen Abstand.
Wobei es eine schmerzhafte Erfahrung mit Ansage war. In den vergangenen Monaten gehörte Steffen nicht mehr zur ersten Wahl bei seinem Verein Wolfsburg. Ein einziges Mal durfte er über 90 Minuten spielen, am 3. April gegen Augsburg war das. Danach kam er nicht mehr zum Einsatz. Er sagt: «Die letzten sechs Monate waren die wohl schwierigste Phase meiner Karriere. Ich habe es noch nie erlebt, dass ich solche Probleme mit einem Trainer hatte.»
Florian Kohfeldt hiess dieser Trainer. Er wurde mittlerweile aber nach nur neun Monaten bereits wieder entlassen. Steffen erinnert sich: «Es sind Sachen vorgefallen, mit denen ich nicht einverstanden war. Und weil ich einer bin, der nicht auf's Maul sitzt, habe ich das angesprochen. Ich bin ein ehrlicher Typ und verlange das auch von meinem Gegenüber – wenn das nicht der Fall ist, dann ist es eben schwierig, dann kommt es von einem zum anderen ...»
Mit Steffen als Leidtragender, wobei diese Entwicklung nicht zwingend vorauszusehen war. Zu Beginn der Saison war er unter Mark van Bommel gesetzt. In der Champions League erzielte Steffen gar zwei Treffer. Doch der Holländer, im Sommer erst gekommen, wurde Ende Oktober bereits wieder entlassen. Danach ging es für Steffen bergab.
Wie geht es nun weiter? Steffen hat noch ein weiteres Jahr Vertrag in Wolfsburg. Er sagt: «Ich fühlte mich in Wolfsburg immer sehr wohl. Ich bin nun seit viereinhalb Jahren dort, hatte erfolgreiche Jahre dort. Aber klar, ich darf mich nicht blenden lassen. Das letzte halbe Jahr hat das Bild getrübt. Und es braucht zwei Seiten, damit eine weitere Zusammenarbeit Sinn macht. Darum werde ich das nach den Ferien gut besprechen müssen mit dem Verein. Wenn der Verein mir nahe legt, etwas Neues zu suchen, dann gehe ich diesen Weg. Ich bin ein Typ, der Veränderungen nicht grundsätzlich abgeneigt ist. Andererseits geht der Trend ja in Richtung sehr junge und talentierte Spieler. Und da ich auch schon ein bisschen älter bin …»
So richtig euphorisch tönt das nicht. Wobei eben: Im Sommer wartet der nächste Trainer in Wolfsburg, Niko Kovac übernimmt. Vielleicht passt es zwischen Kovac und Steffen wieder besser. Denn eines gilt es nicht zu vergessen: Im Hinblick auf die WM ist die Spielpraxis zu Beginn der Saison essenziell. «Das war für mich schon in den letzten Monaten wichtig. Und ich habe versucht, es anzusprechen. Man muss dann natürlich aufpassen, dass es nicht so rüberkommt, als würde man nur seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. Aber am Ende bist du als Fussballer in einem grossen Mannschaftssport trotzdem ein Einzelspieler.»
Für Steffen haben die Nationalmannschaft und die WM eine besondere Bedeutung. Denn im November könnte er mit dann 31 Jahren zum ersten Mal überhaupt an einem grossen Turnier dabei sein. 2015 debütiert Steffen in der Nati. Die EM 2016 verpasst er allerdings wegen eines Muskelfaserrisses. Danach dauert es lange, bis ihn Vladimir Petkovic wieder aufbietet, die WM 2018 zieht darum auch vorüber. 2019 gelingt die Rückkehr, im September 2020 sieht es so aus, als könnte er sich wieder festbeissen.
Doch das Pech geht weiter. Erst erkrankt Steffen an Corona. Dann holt er sich im Frühjahr 2021 eine Sprunggelenksverletzung – also findet auch die EM 2021 ohne ihn statt. Er sagt: «Ich habe eine WM und zwei Europameisterschaften verpasst. Darum ist diese WM nun ein riesiges Ziel für mich. Aber der Trainer hat halt schon recht, wenn er betont, wie wichtig die Spielpraxis ist. Ohne regelmässig zu spielen, kann ich der Mannschaft nicht helfen – das habe ich gegen Portugal gemerkt.»
Es folgen darum wegweisende Wochen für Renato Steffen. Bleiben oder wechseln? «Noch ist alles offen. Aber wenn ich gehe, dann muss ich zu einem Klub wechseln, wo ich die Leute kenne und ich mich auf Anhieb wohl fühle.»
Zuvor bleibt am Sonntag noch einmal ein letztes Nati-Spiel, wieder gegen Portugal. Da gibt es nicht nur für Steffen einige Dinge gutzumachen.