Am Ende wurde es doch noch einmal spannend. Angedeutet hatte sich der Anschlusstreffer der Engländerinnen gegen Frankreich nicht wirklich, doch brachte Keira Walsh den Titelverteidigerinnen mit ihrem Schuss vom Strafraumrand, den Torhüterin Pauline Peyraud-Magnin nicht mehr entscheidend ablenken konnte, die Hoffnung zurück. Und tatsächlich kamen die «Lionesses» dem Ausgleich noch nahe, doch fehlte das letzte Glück. Am Ende jubelten die Französinnen über einen verdienten 2:1-Sieg zum Auftakt der Europameisterschaft in der Schweiz.
Die Engländerinnen von Trainerin Sarina Wiegmann müssen sich hingegen ärgern und fragen, weshalb sie nicht schon früher die Entschlossenheit und den Mut gezeigt haben, der sie in der Schlussphase noch einmal hoffen liess. Lange zeigten sie im ausverkauften Letzigrund in Zürich nämlich nicht, weshalb sie erneut zu den Topfavoritinnen auf den EM-Titel gelten.
Dabei hatte England noch gut begonnen. Schon in der ersten Minute kam Lauren James zu einer guten Chance, die aber mit einem Schuss übers Tor endete. In der 16. Minute jubelten die Engländerinnen dann über das Führungstor.
Wieder war es James – die aktivste Frau in der Anfangsphase –, die den Angriff einleitete. Von links dribbelte sich die Flügelspielerin von Chelsea in die Mitte und spielte auf Beth Mead. Die leitete weiter zu Lauren Hemp, deren Schuss von der französischen Torhüterin nach vorne abgelenkt wurde, Alessia Russo nutzte die Chance. Der Video-Assistent erkannte jedoch eine hauchdünne Abseitsstellung Meads beim Zuspiel von James. Danach wendete sich das Blatt.
Auch die Französinnen waren offensiv von Beginn weg sehr aktiv, setzten sich in 1-gegen-1-Situationen immer wieder durch. Zunächst fehlten aber die echten Torchancen, bis Alice Sombath nahe dem eigenen Strafraum eine schöne Balleroberung gelang, die Innenverteidigerin gleich nach vorne preschte und aus der eigenen Hälfte einen überragenden hohen Ball in die Spitze spielte. Dort startete Sakina Karchaoui in Richtung Tor, sah die weit vorne stehende Torhüterin Hannah Hampton und lupfte den Ball über die Engländerin – traf aber nur das Aussennetz. Es war ein Vorbote dessen, was in den nächsten Minuten passieren sollte.
Frankreich war in der Folge nämlich das bessere Team. In der 36. Minute spielte Lauren Hemp einen Fehlpass, nach welchem Elisa De Almeida sofort den Konter einleitete und Delphine Cascarino steil schickte. Diese hängte Jess Carter ab und fand dann die in der Mitte völlig frei stehende Marie-Antoinette Katoto, die nur noch einschieben musste. Der Mitfavorit auf den Titel führte – und erhöhte wenig später auf 2:0.
Wieder gelang durch eine gut getimte Grätsche eine Balleroberung, dieses Mal war es Maëlle Lakrar. Oriane Jean-François schnappte sich den freien Ball und spielte ihn sofort zu Sandy Baltimore. Was nun folgte, war schlicht Extraklasse! Die pfeilschnelle 25-Jährige setzte sich im Strafraum gegen mehrere Gegenspielerinnen durch, bekam den Ball von der am Boden liegenden Verteidigerin Lucy Bronze nochmal aufgelegt und hängte ihn in den Winkel. Den Engländerinnen blieb nur das Staunen.
Sollte England sich in der Halbzeit vorgenommen haben, es dem Gegner defensiv nicht mehr so einfach zu machen, war davon auf dem Feld nicht viel zu sehen. Denn schon in der 54. Minute unterlief Beth Mead ein Bock, der fast zum 0:3 geführt hätte. Goalie Hannah Hampton krallte sich den Schuss von Grace Geyoro im Nachfassen aber gerade noch vor der Linie. Immer wieder zeigten die «Lionesses» Unsicherheiten. In der 65. Minute führte eine solche von Goalie Hampton aus englischer Sicht glücklicherweise nur fast zu einem weiteren Gegentor.
Danach verlor die Partie etwas an Drive, Frankreich steuerte lange auf einen souveränen Sieg hin – auch weil es defensiv kaum etwas zuliess. Bis Keira Walsh die Spannung zurückbrachte. Doch das Team von Laurent Bonadei hielt der Schlussoffensive stand und machte im Duell der beiden Topfavoriten der Todesgruppe, in der auch noch die Niederlande und Wales sind, einen wichtigen ersten Schritt zum Gruppensieg.
Für Diskussionen sorgte noch ein Foul der Französin Karchaoui an England-Captain Leah Williamson. Die 29-Jährige von PSG sah dafür Gelb, für SRF-Expertin und Ex-Nati-Trainerin Martina Voss-Tecklenburg hätte Karchaoui aber vom Platz fliegen müssen. Auch der frühere Nati-Star Lara Dickenmann erklärte, dass ein Platzverweis nicht ungerechtfertigt gewesen wäre. Möglicherweise wäre England in Überzahl schon früher zum Anschlusstreffer gekommen.
Als Nächstes trifft Frankreich am Mittwochabend (21 Uhr) auf Aussenseiter Wales, England bekommt es drei Stunden zuvor mit den Niederlanden zu tun. Eine weitere Niederlage kann sich der Europameister dann nicht erlauben.
Frankreich – England 2:1 (2:0)
Zürich. 22'542 Zuschauer. SR Olofsson (SWE).
Tore: 36. Katoto 1:0. 39. Baltimore 2:0. 87. Walsh 2:1. (nih/sda)