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WM: Saudi-Arabien will für 2030 kandidieren – die Chancen und Probleme

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Die Spieler Saudi-Arabiens mit einem riesigen WM-Pokal: Bekommen sie bald ihr Heimturnier?Bild: keystone

In acht Jahren droht schon die nächste Wüsten-WM: Was Saudi-Arabien von Katar gelernt hat

Nach Katar 2022 ist möglicherweise vor Saudi-Arabien 2030. Die Saudis setzen im Kampf um die Weltmeisterschaft auf die Unterstützung von Lionel Messi und die guten Kontakte zu Gianni Infantino. Dabei steht an der Spitze des Staates ein Kriegsverbrecher.
10.12.2022, 09:44
Raphael Gutzwiller / ch media
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Inzwischen hat das saudische Team die Heimreise angetreten. Doch vorher hat es die grösste Überraschung des Turniers geschafft: Mit dem 2:1-Überraschungserfolg gegen Argentinien haben die Saudis für einen historischen Erfolg gesorgt. Der Sieg war so wertvoll, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman einen Feiertag ausrief und jedem Spieler einen Rolls-Royce schenkte. Zwar schied Saudi-Arabien doch noch in der Gruppenphase aus, doch es zeigte: Das Team ist im Unterschied zu jenem aus Katar konkurrenzfähig an einer Fussball-WM.

Schon in acht Jahren soll bereits wieder eine WM in der Wüste gespielt werden. Saudi-Arabien will sich gemeinsam mit Ägypten und Griechenland um die Austragung der Weltmeisterschaft bewerben. Wieder soll sie im Winter stattfinden. Die Saudis sollen als Bewerbungsanführer bereit sein, Infrastrukturprojekte bei den Mitstreitern zu unterstützen. Ägypten und vor allem Griechenland dienen bei dieser Kandidatur vor allem als Argumentationshilfe.

Denn eigentlich gibt es keinen Grund, warum die Fussball-WM nach dem Turnier 2026 in Nordamerika schon wieder auf die arabische Halbinsel zurückkehren soll. Nun entsteht aber eine fast romantische Erzählung: Die erste Weltmeisterschaft auf drei Kontinenten soll Europa, Asien und Afrika miteinander vereinen. Es ist eine Argumentation, wie sie die Fifa gerne weiterverbreiten würde.

epa10339641 A Saudi fan gestures ahead of the FIFA World Cup 2022 group C soccer match between Saudi Arabia and Mexico at Lusail Stadium in Lusail, Qatar, 30 November 2022. EPA/Neil Hall
Gibt es 2030 eine saudische Heim-WM?Bild: keystone

Menschenrechtssituation ist viel schlimmer als in Katar

Die Situation in Saudi-Arabien bezüglich Menschenrechten ist derweil noch deutlich schlimmer als in Katar. Laut Amnesty International kommt es zur systematischen Diskriminierung von Frauen, zu Folter in Gefängnissen, der Verfolgung von Personen, die im Journalismus arbeiten oder sich für Menschenrechte einsetzen, zu religiöser Diskriminierung sowie zu vielen Hinrichtungen.

An einem einzigen Tag im März dieses Jahres hatte das Königreich 81 Menschen hinrichten lassen. Und nicht zuletzt tobt im Jemen seit sieben Jahren ein von Saudi-Arabien angezettelter Krieg. Nach Schätzungen des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) hat dieser Krieg den Tod von fast einer Viertelmillion Menschen verursacht. Zudem sind Millionen von Jemeniten noch immer mit der grössten humanitären Krise der Welt konfrontiert, mehr als die Hälfte der Bevölkerung leidet unter akuter Nahrungsmittelknappheit.

Infantinos Nähe zum Kronprinzen

Im Fussball werden solche Themen jedoch gerne ausgeblendet. Gerade auch bei der Fifa. Der aktuelle Präsident Gianni Infantino liess sich sowohl an der WM 2018 als auch am aktuellen Turnier in Katar gerne mit dem Kronprinzen ablichten. Vom WM-Eröffnungsspiel 2018 in Russland gibt es dieses Bild: Bin Salman links, der russische Präsident Wladimir Putin rechts und in der Mitte Infantino. Dass Infantino neben zwei Männern steht, die schon zu jenem Zeitpunkt Kriege angezettelt und für viele Menschenleben verantwortlich sind, scheint ihn nicht zu stören.

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Gianni Infantino (Mitte) mit dem saudischen Kronprinzen Bin Salman (links) und Wladimir Putin (rechts).Bild: imago images/Shutterstock

Bis heute achtet Infantino darauf, seine Partner nicht zu brüskieren. Den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nannte er nie so, dafür spricht er sich beim G20-Gipfel für einen Waffenstillstand während der WM aus. Auch zu Saudi-Arabien und dem Kronprinzen pflegt der Fifa-Präsident gute Beziehungen. Es gibt Gerüchte, wonach er seine berufliche Zukunft im arabischen Raum sieht, falls er 2027 seinen Posten abgeben muss. Der Walliser soll bereits seit einiger Zeit in Katar wohnen, Steuern bezahlt er weiterhin in der Schweiz. Vielleicht verlegt er seinen Wohnsitz dann nach Saudi-Arabien. Zumindest taucht er sogar kurz in einem Werbevideo für das Land auf.

Lionel Messi wirbt für Saudi-Arabien

Marketing für Saudi-Arabien macht auch Lionel Messi. Der siebenfache Weltfussballer hat sich für viel Geld einspannen lassen. Und so wirbt Messi auf seinem Instagram-Kanal mit einem romantischen Foto und dem Hashtag «VisitSaudi» dafür, die Region am Roten Meer zu besuchen. Dabei plant Messis Heimatland Argentinien ebenfalls, sich als WM-Gastgeber 2030 zu bewerben – gemeinsam mit Paraguay, Uruguay und Chile.

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Lionel Messi wirbt für Saudi-Arabien und verlor mit Argentinien an der WM 2022 gegen ebendieses Land.Bild: keystone

Nun möchten die Saudis neben Messi auch noch dessen ewigen Rivalen Cristiano Ronaldo einspannen. Ihm soll ein Angebot des saudi-arabischen Klubs Al-Nassr vorliegen. Dort würde der portugiesische Nationalspieler in zweieinhalb Jahren rund 200 Millionen Euro kassieren. Für den Fall, dass Ronaldo doch lieber in Europa weiter kicken möchte, hat Saudi-Arabien eine Absicherung: Auch das mit saudischem Geld vollgepumpte Newcastle United soll an einer Verpflichtung des Portugiesen interessiert sein.

Newcastle United als Kopie von PSG

Nicht nur punkto Marketing haben sich die Saudis durch Katar (WM-Botschafter David Beckham) inspirieren lassen. Wie das kleine Emirat mischt auch Saudi-Arabien im europäischen Klubfussball mit. Während «Qatar Sports Investments» seit 2011 aus dem französischen Mittelfeldklub Paris St.Germain einen Weltklub formte, hat ein vom saudischen Staatsfonds Public Investment Fund angeführtes Konsortium im November 2021 Newcastle United übernommen. Der Premier-League-Klub wurde damit auf einen Schlag zum reichsten Klub der Erde. Damals war Newcastle Tabellenletzter der englischen Topliga, inzwischen steht das Team mit dem Schweizer Nationalspieler Fabian Schär bereits auf Rang 3. Es gilt als realistisch, dass auch Newcastle zu einem absoluten Spitzenklub Europas werden kann. Mit oder ohne Ronaldo.

Wie Katar nutzt auch Saudi-Arabien «Sportswashing» zur Imagepolitur. Geld spielt dabei keine Rolle. In der Golf-Region ist ein regelrechter Wettstreit um die prestigeträchtigsten Sport-Veranstaltungen ausgebrochen. Saudi-Arabien trägt etwa neuerdings Formel-1-Rennen oder gut dotierte Tennis-Exhibitions aus - und finanziert eine neue Golftour. Und nun soll wie in Katar der grösste Sportevent der Welt folgen: die Fussball-Weltmeisterschaft 2030. Spätestens dann soll für das saudische Team die WM länger dauern als nur drei Gruppenspiele. (aargauerzeitung.ch)

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Fans aus aller Welt an der Fussball-WM 2022 in Katar
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Fans aus aller Welt an der Fussball-WM 2022 in Katar
Portugal.
quelle: keystone / abir sultan
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«Das ist am Fussball so schei**e!» – watsons Fussball-Laien schauen ikonische WM-Szenen
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63 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FrancoL
10.12.2022 10:02registriert November 2015
"Dass Infantino neben zwei Männern steht, die schon zu jenem Zeitpunkt Kriege angezettelt und für viele Menschenleben verantwortlich sind, scheint ihn nicht zu stören."
wieso auch? er ist ja neutral.
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ZEUS aKal-El
10.12.2022 12:08registriert März 2021
Ja warum nicht?

Für 2034 kann sich dann Iran gemeinsam mit Israel bewerben.
Für 2038 China. In Tibet wird dann ein Stadion gebaut. Taiwan ist auch dabei.
Für 2042 dann wieder Russland mit erweitertem Staatsgebiet Donezk.
Und für 2046 als Krönung: Nordkorea mit dem eroberten Südkorea.
Alles für den Frieden.
🙄

Infantino hat sie doch nicht mehr alle🤦
Man hat ja gehört wie er von der aktuellen WM schwärmt: beste WM, meisten Tickets verkauft, Rieseneuphorie im Land...
Das kommt mir bekannt vor: "largest inauguration crowd ever"🍊

Wie tief kann die FIFA noch sinken??
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Adi53
10.12.2022 09:59registriert August 2014
Wann lernt der rest der Welt, das man nicht an eine WM fährt, die sich in der Wüste abspielt. Für Geld macht man die Augen zu und vergisst schnell und zeigt uns, was Menschenleben uns bedeuten.
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63
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