Womit bringen Sie Ihre Liebsten auf die Palme?
«Wenn ich schlecht gelaunt bin und keine Lust zum Reden habe, dann antworte ich nur noch einsilbig. Das nervt die Menschen in meinem Umfeld dann schon sehr stark. In solchen Momenten ist es einfach am besten, wenn man mich ein wenig in Ruhe lässt. Nach einer Weile komme ich dann selber wieder zu ihnen zurück und spreche mehr.»
Welches ist Ihr Lieblingswort auf Rätoromanisch?
«Vom Klang her das witzigste Wort finde ich ‹Tschitschapulvra›. Das heisst Staubsauger. Dann gibt es noch das Wort ‹Increschantüm›, das mir von der Bedeutung sehr gut gefällt. Es bedeutet, Heimweh nach der romanischen Region zu haben. Für mich ist diese Region und diese Sprache Heimat. Doch ich bin Schweizerdeutsch aufgewachsen, weil meine Eltern kein Romanisch sprechen.»
Auf welche Diskussion mit Ihren Eltern würden Sie lieber verzichten?
«Mich nervt es am meisten, wenn die Eltern immer wissen möchten, wann man wieder zu Hause ist. Ich plane manchmal nicht gerne alles durch, bin lieber etwas spontan und habe nicht immer alles durchgeplant. Deshalb freue ich mich auch sehr darauf, nach der Europameisterschaft von zu Hause auszuziehen. Ich wechsle nach Schweden zu BK Häcken FF aus Göteborg. Für mich wird das eine neue Erfahrung sein, alleine zu wohnen. Auf diese Freiheit freue ich mich sehr.»
Ihr Vater ist Pastor: Wie religiös sind Sie selbst?
«Ich glaube auf jeden Fall an Gott, an das Universum und an Energien. Ich glaube aber nicht unbedingt an das Christentum. Wenn ich zu Hause bin, gehe ich in die Kirche meines Vaters. Unsere nigerianische Kirche ist etwas ganz anderes als jene der Katholiken. Vielleicht ist sie inhaltlich näher den Reformierten, sie ist aber vor allem auch mit den Vorfahren verbunden. Bei uns singt man viel, man isst, es ist auch mal laut. In der Kirche spielen Schlagzeuge, Keyboards, es wird getanzt. Doch mein Vater erzählt auch aus der Bibel und predigt auf Englisch. Hauptsächlich kommen zu ihm Afrikaner an die Messe.»
Ihre Familie ist fussballverrückt. Wer kritisiert Sie davon am meisten?
«Wenn es darum geht, welche Person einfach gerne spricht und seine Meinung sagt, dann ist es wohl mein kleiner Bruder. Ein wenig ernsthafter gesehen, ist es aber schon mein Vater. Er gibt mir in ruhigerem Rahmen sehr konstruktive Tipps und sagt, was ich verbessern könnte. Dieses Feedback ist mir sehr wichtig. Von ihm kommen andere Inputs als jene vom Verein oder von Trainern. Mir ist seine Meinung wichtig. Er und andere Familienmitglieder kommen auch häufig an meine Spiele in Hoffenheim.»
Seit 2017 leben Sie in Spanien, aber sie stammen aus dem bergigen Kanton Obwalden. Was mögen Sie lieber: Berge oder Meer?
«Ich habe gerne den Ausgleich von beidem: Wenn ich zu Hause im Kanton Obwalden bin, dann geniesse ich es, Berge anzuschauen. Aber ich vermisse dann auch das Meer. Wenn ich in Spanien bin, vermisse ich die Berge aber schon sehr. In der Schweiz und gerade in Obwalden haben wir es wunderschön. Wenn ich entscheiden müsste, dann würde ich wohl die Berge nehmen – mit einem See.»
Mode zählt zu Ihren Hobbys. Welches Accessoire braucht es 2022?
«Ich interessiere mich für Mode, weil man Dinge gut miteinander kombinieren kann. Manchmal kann man mit Style etwas ausdrücken, das gefällt mir. Ein bestimmtes Accessoire braucht es für 2022 jedoch nicht. Accessoires trage ich nur selten. Doch am Handgelenk darf eine Uhr nicht fehlen. Scheint die Sonne, dann braucht es eine stylische Sonnenbrille.»
Sie sind in den USA aufgewachsen. Welche amerikanische Eigenschaft vermissen Sie in Europa?
«Ich glaube, die Amerikaner sind sportspezifisch immer sehr positiv und geben in allem, was sie machen, 110 Prozent. Das fehlt etwas in der Schweizer Kultur. Ich war damals 10, als wir aus den USA in die Schweiz zügelten. Das war für mich schwierig, hatte ich doch viele Freunde dort. Aber in der Schweiz hat sich dann alles gut entwickelt. Und es gibt auch Dinge, die ich nicht vermissen: Die Amerikaner sind schon auch ziemlich oberflächlich und manchmal etwas unecht überfreundlich.»
Welches Ritual haben Sie vor einem Spiel?
«Vor einer Partie habe ich kein spezielles Ritual. Viele Spielerinnen haben so etwas, aber mich würde das eher stressen, wenn sich der Zeitplan ändern sollte und ich das Ritual nicht durchführen könnte. Vor einem Spiel sammle ich meinen Fokus und höre Musik auf meinen Kopfhörern. Welche Musik das ist, kommt sehr auf meine Stimmung an. Häufig höre ich aber sehr laute Musik, die mich aufputscht.»
Worüber sprechen Sie bei Ihrem nächsten Comedy-Auftritt?
«Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich wieder als Comedian auftrete, aber ich denke schon. Dabei bleibe ich wohl beim Fussball. Zuerst habe ich mein Leben als Frau im Fussball thematisiert. Doch ich habe aber auch überlegt, dass es genug andere Dinge im Fussball gibt, die witzig sind. Es ist zum Beispiel lustig, wenn es um irgendwelche Fans im Stadion geht. Einige sind sonst seriöse Familienväter und gehen dann ins Stadion, fluchen dort rum und eskalieren völlig. Ich hatte immer sehr Respekt vor einem Stand-Up-Auftritt. Es ist super hart, wenn die Leute nicht lachen. Ein Kumpel von mir hat mich damals dazu gebracht. Ich habe aber rasch wieder aufgehört, da es nicht so gerne gesehen wurde, wenn man als aktive Profifussballerin über Frauenfussball lästert.»
Wovor hatten Sie als Kind Angst?
«Als Kind habe ich mich immer im Lift gefürchtet. Irgendwie hat mir einfach der kleine Raum nicht behagt. Komischerweise bin ich darin aber lange nicht stecken geblieben. Das ist mir erst viel später einmal im Junioren-Nationalteam passiert, aber da hatte ich keine Angst mehr. Aber auch heute noch habe ich an wenigen Orten Platzangst - etwa, wenn ich eine Höhle besichtigte.»
Welches Vorurteil über Frauenfussball nervt am meisten?
«Dass der Frauenfussball zu langsam sei. Die Zeit einer 100-Meter-Läuferin wird nie mit jener von Usain Bolt verglichen. Ich finde es auch schlimm, dass unsere Torhüterinnen immer kritisiert werden. Sie haben andere Voraussetzungen als die Männer. Unsere Torhüterinnen sind viel kleiner. Es ist logisch, dass Torhüterinnen weniger hoch springen können.»
Was war das schönste Kompliment, das Sie je bekommen haben?
«In einem Testspiel gegen Frankreich kam ein Freund meines Freundes zum Spiel. Ich habe einen Trick gemacht, der ihm imponierte: Ich habe den Ball über die Gegenspielerin gespielt und ihn auf der anderen Seite angenommen. Seither spricht er mich jedes Mal, wenn ich ihn sehe, darauf an. Das freut mich sehr. Solche Komplimente bedeuten mir mehr, als wenn mein Äusseres gelobt wird.»
Was machen Sie, um sich gut zu fühlen?
«Wenn es mir mal nicht so gut geht, umgebe mich gerne mit Menschen, die mir guttun. Entweder treffe ich sie, unternehme etwas mit ihnen oder rufe sie an. Eine andere Strategie, um mich gut zu fühlen: Putzen. Es klingt vielleicht komisch, aber die Wohnung zu putzen, macht mir enorm gute Laune. Es ist nicht so, dass ich sehr perfektionistisch bin und jeden Tag staubsaugen muss, aber ich putze einfach gerne. Dann putze ich vielleicht auch mal die Fenster oder irgendwelche Schränke aus. Das Putzen bringt mich auf andere Gedanken.»
Wenn Sie alleine in die Ferien gehen könnten: Wohin würden Sie gehen und was würden Sie machen?
«Ich würde nach Island reisen, dort ist es wunderschön. Das Land finde ich unglaublich faszinierend. Dann würde ich dort einen Van mieten und in möglichst jeden Nationalpark gehen. Ich würde einfach rausgehen in die Natur, dort das Leben geniessen und einfach ein bisschen sein.»
Was würden Sie gerne ausprobieren, das Sie sich noch nicht getraut haben?
«Ich würde sehr gerne einmal auf den Machu Picchu steigen. Zudem würde gerne einmal Fallschirmspringen. Sowas habe ich noch nie gemacht. Ich liebe aber Adrenalin und an die Grenze zu gehen. Würde ich da oben stehen, hätte ich dann aber schon auch Angst. Darum müsste ich dann einfach schnell springen. Ich glaube aber nicht, dass ich sowas als Fussballprofi überhaupt machen darf. In unseren Verträgen steht jeweils drin, dass man keine Extremsportarten oder ähnliches machen darf, da die Verletzungsgefahr hoch ist.»
Sie gehen an den Kiosk und haben 20 Franken dabei, was kaufen Sie?
«Ein Knoppers-Schoggistängeli! Wir haben erst kürzlich an unserem Esstisch hier davon gesprochen, dass man dieses probieren muss. Doch ich habe ja 20 Franken, da kann ich mir noch mehr gönnen. Was im Moment natürlich nicht fehlen darf: Ein Panini-Heft von der EM 2022. Für mich ist so ein Sticker-Album auch eine schöne Erinnerung, wenn ich in ein paar Jahre darauf zurückschaue. Es ist schon sehr speziell, sich selber darin zu haben. Und ich finde es super, dass es das Heft inzwischen auch bei uns Frauen gibt.»
Weswegen haben Sie früher die Schule geschwänzt?
«Tatsächlich habe ich früher ein paar Mal die Schule geschwänzt. Das war sicher nicht clever. Meistens war das aber wegen des Fussballs, etwa für ein Training. Schule und den Spitzensport unter einen Hut zu bringen, war in der Schulzeit ein bisschen schwierig. Schwänzen wäre nicht nötig gewesen, wären Schule und Fussball besser aufeinander abgestimmt gewesen.»
Sie sind frisch verlobt. Warum funktioniert die «ewige Liebe» 2022 noch?
«Ich glaube, ich habe die richtige Person zur richtigen Zeit gefunden. Das Timing muss in der heutigen Zeit auch stimmen, da man mehr Möglichkeit hat, Leute kennenzulernen. Mit meiner Verlobten Charlotte Baret habe ich aber wirklich die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt getroffen. Sie vertritt dieselben Werte wie ich. Wir posten in den sozialen Medien auch Bilder von uns gemeinsam. Für mich war es immer so, dass ich es nicht nie verstecken wollte, dass ich auf Frauen stehe. Das hat auch negative Folgen, wie etwa als es nicht mehr funktioniert, wie damals mit Alisha Lehmann. Aber ich mache das, weil ich damit ein Vorbild sein kann. Ich habe schon viele Nachrichten von jungen Mädchen und Jungs erhalten, die sagten, dass ich ihnen mit meiner Offenheit geholfen habe, sich zu outen.»
Welches Erlebnis war für Sie das prägendste in Ihrer Jugend?
«Mir blieb nicht ein prägendstes Erlebnis am meisten hängen. Für mich war es aber sicher ein grosser Schritt, mit 18 das Zuhause zu verlassen. Ich bin damals von Thun nach Hamburg gewechselt. Am Anfang war es sehr schwierig, alles zu planen. Den Haushalt und den Arbeitsalltag unter einen Hut zu bringen, hat mir einiges abverlangt.»
Kylian Mbappé ist Ihr Idol: Was würden Sie sich gerne von ihm abschauen?
«Die Fähigkeit, wie Mbappé den Speed mit dem Dribbling kombinieren kann. Es ist sehr schwer, wenn man schnell ist, den Ball gekonnt mitnehmen. Kylian Mbappé inspiriert mir mit seiner Spielweise sehr, ich schaue mir viel ab, da wir eine ähnliche Position spielen. An der WM 2018 inspirierte er mich so sehr, dass ich wegen ihm fast lieber den Franzosen zuschaute als den Schweizern. Was mir auch an ihm gefällt: Trotz des Erfolgs wirkt er in Interviews einigermassen bodenständig.»
Was würden Sie ändern, wenn Sie Präsidentin des Fussball-Weltverbandes FIFA wären?
«Als FIFA-Präsidentin würde ich einführen, dass der Männer- und der Frauenfussball gleichgestellt sind. Es gäbe Prämiengleichheit, ausgeglichene Budgets für die Weltmeisterschaften. Und ich würde schauen, dass die FIFA auch für die Frauen eine Beachsoccer-WM organisiert.»
Welcher Augenblick war so schön, dass Sie ihn gerne wieder erleben würden?
«Das war mein Comeback nach dem dritten Kreuzbandriss. Wir haben im Letzigrund gegen Basel gespielt, ich wurde kurz vor Schluss eingewechselt und habe das Siegtor erzielt. Das Spezielle war nicht das Tor, sondern der Jubel. Viele Menschen haben sich für mich gefreut. Auch ich selber habe nicht mehr immer damit gerechnet, dass es nach diesen schweren Verletzungen nochmals zu einem so schönen Moment kommen wird.» (aargauerzeitung.ch)