Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Manchester United kriegte von Liverpool gestern Abend bei der 0:4-Pleite eine Lehrstunde verpasst und musste sich danach auch noch von Shrewsbury Town auf die Schippe nehmen lassen. Als ein Fan der «Red Devils» während des Spiels twitterte, dass die United wie Shrewsbury spiele, antwortete der Drittligist, dass man im Anfield immerhin ein Tor geschossen habe. In der 3. Runde des FA Cups verloren die «Shrews» mit 1:4.
We scored at Anfield this season. You didn’t. Levels. https://t.co/ttqZAfLnpj
— Shrewsbury Town FC (@shrewsweb) April 19, 2022
Von einem Torerfolg war die United gestern meilenweit entfernt. Liverpool war in allen Belangen überlegen und führte das Team von Trainer Ralf Rangnick phasenweise vor. Bei den vier Treffern nutzten die «Reds» die individuellen Fehler der «Red Devils» gnadenlos aus und zeigten schonungslos auf, wie weit ManUnited derzeit hinter der absoluten Spitze liegt.
Kein Wunder, ging Trainer Rangnick hart mit seinen Spielern ins Gericht. «Es ist peinlich, es ist enttäuschend, es könnte sogar erniedrigend sein», sagte der 63-jährige Deutsche sichtlich geknickt bei «Sky Sports». «Vor allem in der ersten Halbzeit waren wir überhaupt nicht auf der Höhe des Geschehens. Wir waren nirgendwo.» Die United kam in den ersten 45 Minuten nur auf 25 Prozent Ballbesitz, bei den Torschüssen stand es 0:9. Das Experiment mit einer Fünferkette funktionierte überhaupt nicht.
Doch auch nach Wiederbeginn wurde es nicht wirklich besser. «Wir spielten zu häufig diese 15-Meter-Pässe in ihre Pressing-Zone, die wir eigentlich nicht spielen wollten. Auch beim dritten und vierten Tor», kritisierte Rangnick und stellte ernüchtert fest: «Im Moment sind wir einfach nicht gut genug, um gegen einen Gegner wie Liverpool zu punkten.»
🗣 "Here in our club it has to start this summer."
— Football Daily (@footballdaily) April 19, 2022
Ralf Rangnick says that Manchester United need to begin their rebuild this summer pic.twitter.com/NKHDBAHESn
Grosses Lob hatte Rangnick dafür für den Gegner übrig: «Sie haben uns gezeigt, was für ein Kaliber sie sind. Wir müssen akzeptieren, dass sie uns inzwischen sechs Jahre voraus sind.» So lange soll es aber nicht gehen, um die Lücke zu schliessen. In zwei, drei Transferfenster könnte es möglich sein, wenn man wisse, welche Spielertypen man suche. Der Rebuild bei Manchester United müsse in diesem Sommer aber endlich beginnen.
Harsche Kritik mussten sich die «Red Devils» auch von den beiden Klub-Legenden Gary Neville und Roy Keane anhören, die das Spiel als Experten für den TV-Sender «Sky» verfolgten. «Ich bin nicht einmal mehr wütend, ich bin einfach nur noch traurig», erklärte der langjährige United-Captain Keane. «Da war kein Herz, keine Seele, kein Stolz, kein einziger Leader. Es fehlt dem Team schlicht an Qualität. Das ist nicht mehr der Verein, für den ich gespielt habe.»
🗣 "Rashford played like a child up front."
— Football Daily (@footballdaily) April 19, 2022
🗣 "Lingard coming on to save Man United? He should've left two years ago."
Roy Keane does not hold back on his criticisms of the individual performances from Man United's players pic.twitter.com/1tZEhw6nCg
Die Spieler hätten eigentlich die individuelle Klasse, aber sie sind einfach keine Mannschaft. «Dieses Team ist nicht einmal sympathisch, es gibt keine Seele, keine Emotionen», so Keane, der auch vor Einzelkritik nicht zurückschreckte: «Jesse Lingard soll ManUnited als Einwechselspieler retten? Er hätte den Klub schon vor zwei Jahren verlassen müssen, er ist einfach nicht gut genug für ManUnited. Marcus Rashford spielte wie ein Kind in der Sturmspitze und das Pass- und Defensivspiel von Harry Maguire. Schlicht nicht genug für ManUnited.»
Für Keanes ehemaligen Teamkollegen Gary Neville haben die «Red Devils» gar einen historischen Tiefpunkt erreicht. «Ich habe in meinen 40 Jahren noch nie ein Team von ManUnited gesehen, das in einem Fussballspiel so schlampig und fragil war. ManUnited ist eine Million Kilometer von diesem Liverpool-Team entfernt. In jeder Beziehung. Auf und neben dem Platz. Das war ein in allen Belangen ernüchternden Abend.»
Wie Keane attestierte auch Neville den Spielern, die beim 0:4 auf dem Platz standen, mangelnden Einsatzwillen und fehlende Klasse. «Sie haben aufgegeben und haben mit dieser Saison bereits abgeschlossen.» Nur einen wollte der langjährige United-Rechtsverteidiger herausheben: den 19-jährigen Tunesier Hannibal Mejbri, der in der 84. Minute eingewechselt wurde. «Er hat sich wenigstens voll reingehängt und gezeigt, dass es ihm nicht passt, wenn Liverpool sein Team ein ums andere Mal ausspielt.»
Den Grund für die aktuelle, sportliche Misere glaubt Neville auch zu kennen. «In den letzten 10 Jahren hat das Management ständig die Kompetenz des Trainers untergraben, indem es die Spieler über den Coach gestellt hat. Spieler wie Cristiano Ronaldo, Jadon Sancho oder Paul Pogba wurden mit Pianomusik und viel Palaver vorgestellt und in einen Gott-gleichen Status gehoben. Wenn man sich Liverpool, Manchester City oder Chelsea anschaut, dann ist dort der Trainer die wichtigste Person im Klub.» Wie Keane forderte auch Neville jetzt einen konsequenten Umbau des Kaders.
🗣 "They've undermined managers over the last ten years by elevating the players to a god like status."@GNev2 disagrees with Graeme Souness saying you can't be critical of the owners of Manchester United pic.twitter.com/QElLa9sORd
— Football Daily (@footballdaily) April 19, 2022
Das wird die grosse Aufgabe von Ralf Rangnick sein, der seinen Trainerjob nach der laufenden Saison abgeben wird und als Berater für die United fungieren wird. «Sechs, sieben, acht oder vielleicht auch zehn neue Spieler» sollen kommen. Schon feststehen soll, wer sein Nachfolger an der Seitenlinie wird: Gemäss dem «Guardian» soll der aktuelle Ajax-Trainer Erik ten Hag ManUnited ab Sommer übernehmen und aus den «Red Devils» endlich wieder eine schlagfertige Mannschaft machen. Die Grundvoraussetzung dafür? «Der Klub muss ihm von Anfang an den Rücken stärken und ihm die totale Kontrolle über die Transfers geben.» Nur so könne ManUnited an die Spitze zurückkehren.