Erinnerst du dich an die Einführung der Rückpassregel? Nicht?! Also: 1992 wurde von der FIFA festgelegt, dass ein Torhüter einen Rückpass eines Mitspielers nicht mehr mit den Händen aufnehmen durfte. Weil das neue Regelwerk zunächst ungenau formuliert war, umgingen findige Spieler die Regel, indem sie den Ball ihrem Torhüter aus dem Lauf per Knie zurückspielten. Schliesslich mussten die Regeln entsprechend angepasst werden.
Ähnliches geschieht nun auch bei der neuen Abstossregel, die seit dieser Saison gilt. Der Torhüter muss den Ball nicht mehr aus dem Strafraum spielen und die eigenen Verteidiger dürfen im Gegensatz zu den gegnerischen Stürmern im Stafraum stehen. Benfica nutzte die neue Regel beim 1:0-Sieg gegen die AC Milan für einen cleveren, aber gleichzeitig ziemlich fiesen Trick.
Torhüter Odisseas Vlachodimos chipt den Ball bei einem Abstoss in der 30. Minute einem Verteidiger zu, der nur wenige Meter entfernt steht. Während die Milan-Spieler zum Pressing ansetzen, köpft dieser den Ball sofort zu Vlachodimos zurück, der wiederum mit einem langen Abwurf den überraschenden Angriff einleitet.
Gemäss FIFA-Regeln wäre der Trick wohl illegal, denn in Regel zwölf heisst es, dass ...
Der Schiedsrichter liess hier aber Gnade vor Recht walten und könnte hinterher auch auf eine unklare Formulierung der Regel bestehen. Denn welchen Spieler sollte der Unparteiische verwarnen? Ist der Chip von Vlachodimos bereits unsportlich, erst der Kopfball des Benfica-Verteidigers oder gar nur die gesamte Aktion und beide müssten Gelb sehen? Klar ist, dass die FIFA und das regelbestimmende IFAB die neue Abtossregel definitiv genauer formulieren sollten.
Weil viele Fragen dazu kommen: Nach unseren Informationen hat ein Mitgliedsverband der UEFA (bereits vorher) beim IFAB nachgefragt und zur Antwort bekommen, dass diese Spielweise erlaubt ist. Das Kuriose: Keiner der beiden Spieler tut für sich genommen etwas Unerlaubtes. ... https://t.co/aR8n9ZUyEe
— Collinas Erben (@CollinasErben) July 29, 2019
... Allerdings umgehen sie gemeinsam die »Rückpassregel«. Andererseits wird auf diese Weise das Spiel, wie @VAR_Watch zu Recht anmerkt, nicht verzögert, sondern beschleunigt. Mal schauen, ob das erlaubt bleibt, wenn es Schule macht. (af)
— Collinas Erben (@CollinasErben) July 29, 2019
Dass die neue Abstossregel auch positiv im Sinne der Erfinder interpretiert werden kann, bewies zuletzt Inter Mailand. Im International Champions Cup gegen Juventus Turin (1:1, 3:4 nach Penaltys) zeigten die «Nerazzurri» bei einem Spielzug eindrücklich das Potenzial der neuen Regel.
Vor einem Abstoss presste Juventus extrem hoch, die Inter-Verteidiger spielten sich im Strafraum den Ball zunächst gemächlich zu, bis sie nach aussen passten und der Ball in vier extrem schnellen Direktpässen zu einem aussichtsreichen Gegenstoss führte.
Besonders spielstarke Teams dürften also von der neuen Abstossregel profitieren, indem sie die verteidigende Mannschaft vermehrt ins Pressing locken können, um sie dann blitzschnell auszuhebeln. (pre)