Darum ist die Schweiz ein Goalieland
An den Torhütern lag es nicht. Nicht mal in den tristen 1970ern und 1980ern, als sich die Schweiz nie für eine Endrunde qualifizieren konnte. Wir haderten, dass wir keine treffsicheren Stürmer, keine brillanten Mittelfeldspieler und keine furchteinflössenden Verteidiger haben. Aber an den Goalies Erich Burgener und Karl Engel mäkelten wir kaum einmal rum.
Die Schweiz und ihre Torhüter: Das war, ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte. Marco Pascolo? Führte die Schweiz nach 28 Jahren Absenz wieder an eine WM? Jörg Stiel? Wurde in Gladbach zu einer Kultfigur. Pascal Zuberbühler? Blieb an der WM 2006 ohne Gegentor. Diego Benaglio? War eine grosse Nummer in der Bundesliga. Yann Sommer? Ist Nati-Rekordgoalie und qualifizierte sich mit der Schweiz fünfmal in Folge für die K.-o.-Phase einer Endrunde.
Selbst jetzt, nach Sommers Nati-Rücktritt, muss man sich um die Position zwischen den Pfosten keine grossen Sorgen machen. Es gibt auf der Welt nur zwei Torhüter – Diogo Costa (in der Schweiz zur Welt gekommen) und Giorgi Mamardaschwili –, die einen höheren Marktwert haben als Gregor Kobel, die künftige Nummer 1 der Schweiz. Und wenn sich Kobel mit Dortmund verletzen sollte? Bricht das Kartenhaus nicht zusammen. Jonas Omlin (Gladbach), Yvon Mvogo (Lorient) und Philipp Köhn (Monaco) haben nicht nur die Qualität, Kobel im Training einzuheizen, sondern ihn im Bedarfsfall auch zu ersetzen.
Auch im Eishockey hat die Schweiz überdurchschnittliche Goalies
Die Schweiz ist zweifellos ein Goalieland. Man kann es mit Zufall erklären, weil der Sport nie vollkommen berechenbar ist. Aber Zufall allein? Nein, auf keinen Fall. Weiten wir den Blickwinkel, so sehen wir: Im Eishockey waren die Goalies David Aebischer und Martin Gerber die ersten Schweizer Stars in der NHL, der weltbesten Liga.
Aber wie lässt sich das Goalie-Phänomen erklären? Da wäre mal der Punkt mit der Mentalität. Ein Torhüter muss in erster Linie verhindern. Darin gelten wir Schweizer als ziemlich gut. Ein Torhüter muss verlässlich sein. Auch da gibt es eine Übereinstimmung. Ein Torhüter soll das Risiko minimieren. Passt. Ein Torhüter muss Verantwortung übernehmen. Passt auch. Ein Torhüter muss diszipliniert sein und einen Sinn für Ordnung und Organisation haben. Sind das nicht unsere Paradedisziplinen?
Natürlich kann man einwenden: Gibt es in einem Migrationsland wie der Schweiz eine Volksmentalität? Sehr wohl. Unsere Torhüter heissen Kobel, Sommer, Zuberbühler, Stiel - Mvogo ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt. In der Offensive, wo Mut, Intuition, und Unberechenbarkeit gefragt sind, heissen unsere Spieler eher Embolo, Vargas, Okafor, Shaqiri, Ndoye, Duah. Zufall?
Torhüter sind Einzelsportler und Sonderlinge
Ein anderer Erklärungsversuch: Torhüter sind Einzelsportler im Mannschaftssport. Spielt ein Stürmer einen Fehlpass, resultiert im schlimmsten Fall keine Torchance. Solche Fehler werden selten als matchentscheidend gewertet. Ganz anders, wenn ein Torhüter daneben greift. Allein diese exponierte Position macht sie zu Einzelkämpfern. Ein Genre, in dem die Schweiz überproportional erfolgreich ist, wenn wir an Roger Federer, Marco Odermatt, Lara Gut-Behrami und viele andere denken.
Ein weiterer Punkt: Torhüter sind Sonderlinge. Früher hiess es, dass der Goalie und der linke Flügel einen an der Schüssel hätten. Das ist etwas böse. Aber eigen sind die Torhüter schon. Die Trinkflasche muss immer einen Fuss lang hinter dem linken Pfosten liegen. Das Frotteetuch hängt immer in der siebten Masche des Netzes.
Die Liste der Macken liesse sich beliebig erweitern. An Sonderlingen haben wir unsere Freude: Ueli Maurer, Emil, Nemo, Didier Cuche, Nicolas Hayek, Moritz Leuenberger. Auch sie auf ihre Art Goalies. (aargauerzeitung.ch)
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