Yann Sommer spricht mit guter Laune über seinen Nati-Rücktritt.Bild: keystone
Einen Monat nach Xherdan Shaqiri tritt ein zweiter bedeutender Schweizer aus dem Nationalteam zurück. Goalie Yann Sommer macht nach 94 Länderspielen Platz für Gregor Kobel.
19.08.2024, 12:1219.08.2024, 13:22
Gut gelaunt und mit emotionalen Worten verabschiedete sich Yann Sommer von der Nationalmannschaft. Wer erwartet hatte, einen geknickten ehemaligen Nationalgoalie zu sehen, wurde positiv überrascht. Zwar erzählte Sommer, dass ihm Nationalcoach Murat Yakin für die Zukunft keine Stammplatz-Garantie geben konnte, das sei aber Teil des Business. Kein Groll vom langjährigen Schlussmann im Schweizer Nationalteam, der schon immer für Positivität gestanden hat. Im Gegenteil: «Der Austausch mit dem Trainerstaff war ehrlich. Ich habe das geschätzt.»
Yann Sommer über die Gründe für den Rücktritt:
«Man hat mir nicht mehr versichern können, die Nummer-1-Rolle zu haben, aber das war nicht der Grund für den Rücktritt. Der Grund war, dass ich schon eine lange Zeit für die Nati spielen durfte. Jetzt möchte ich etwas mehr Zeit für anderes haben: für meine Familie, aber auch für Ziele, die ich mit Inter Mailand noch erreichen möchte.»
In einem Hotel am Zürcher Flughafen erzählte Sommer mit viel Leidenschaft von den Erlebnissen – den jüngsten wie die Europameisterschaft in Deutschland und weiter zurückliegenden wie seine ersten Länderspiele vor zwölf Jahren und dem Beginn seiner Ära als Nachfolger von Diego Benaglio. Stolz und Vorfreude habe ihn damals erfüllt. «Es war eine wunderbare Reise», zog er als Fazit. Nationalmannschafts-Direktor Pierluigi Tami lobte ihn in einer Videobotschaft als «ein Beispiel für alle», sowohl als Goalie, als auch als Mensch.
Die Abschiedsbotschaft von Yann Sommer
Video: instagram/yann sommer
Über 150 Mal für die Schweiz
Mit nur wenigen Länderspielen als Erfahrungsschatz avancierte Sommer nach der WM 2014, die er als Ersatzkeeper miterlebt hatte, zum Unverzichtbaren. Seither verpasste er nur wenige Länderspiele und ein einziges davon an einer der letzten fünf Endrunden. Seine anfänglichen Konkurrenten, Roman Bürki und Marwin Hitz, gingen angesichts der klaren Hierarchie nach einigen Jahren als Ersatzkeeper vorzeitig in den Nati-Ruhestand.
Yann Sommer über mögliches Bedauern:
«Es gibt kein Bedauern. Ich mache das in meinem ganzen Leben so: Ich gehe immer all-in. Ich habe immer alles dafür getan, um den bestmöglichen Erfolg zu haben.»
Mit seinen 94 Länderspielen liegt Sommer in den Top 10 der Schweizer Nationalspieler mit den meisten Einsätzen, kein Goalie war öfter für die Nati im Einsatz als der 35-Jährige, der nach den Spielen oftmals als Erster vor den TV-Kameras seine Analyse abgab. Zählt man seine Einsätze in den Junioren-Nationalteams dazu, kommt er auf über 150 Spiele im Schweizer Trikot. Mit der U21 stand er 2011 im EM-Final. «Ich musste es mir auch nochmals vorsagen: Seit ich 15 Jahre alt war, bin ich Schweizer Nati-Goalie.»
Yann Sommer über die Reaktionen der Familie:
«Einerseits war die Familie traurig, weil die schönen Nationalmannschaftsreisen vorbei sind. Auf der anderen Seite gab es viel positives Feedback. Sie freuen sich auf mehr Zeit mit mir.»
Mit der A-Nationalmannschaft überstand Sommer an jedem bestrittenen grossen Turnier die Vorrunde, an den Europameisterschaften 2021 und 2024 kam das Out erst im Viertelfinal. Unvergessen ist seine Parade im Achtelfinal in Bukarest gegen Kylian Mbappé, mit der er das Penaltyschiessen gegen Frankreich entschied. Sein 94. und letztes Länderspiel bestritt er im Juli beim Penalty-Out gegen England im EM-Viertelfinal. Es sei nun der richtige Zeitpunkt gekommen, um Abschied von der Nationalmannschaft zu nehmen.
Den Entscheid zum Nati-Rücktritt fällte Sommer nach den Ferien und noch vor den Gesprächen mit dem Trainerstaff um Goalietrainer Patrick Foletti und Coach Murat Yakin. Dass Yakin dem Vernehmen nach nicht die ganz grossen Anstrengungen unternahm, um ihn vom Rücktritt abzubringen, stört den Keeper nicht: «Das gehört dazu. Wir haben das Glück, in der Schweiz seit Jahren sehr viele gute Goalies zu haben.»
Grosse Fussstapfen
Mit Gregor Kobel steht ein Nachfolger zur Verfügung, der zwar erst fünf Länderspiele bestritten hat, sich im Klub aber schon ausreichend bewiesen hat. Der Spieler von Borussia Dortmund gilt seit mehreren Saisons als der beste Goalie in der Bundesliga und schielte dementsprechend ungeduldig auf die Nummer-1-Position in der Schweizer Nationalmannschaft.
Yann Sommer über eine mögliche Rückkehr in die Super League:
«Ich schliesse nichts aus, aber im Moment ist das noch kein Thema. Ich bin sehr glücklich bei Inter Mailand und habe dort eine tolle Aufgabe, bei einem grossen Klub im Tor zu stehen. Ich habe immer gesagt, ich spiele so lange Fussball, wie ich es gerne mache. Wenn ich ins San Siro einlaufe, habe ich Gänsehaut. Das zeigt mir, dass ich am richtigen Ort bin.»
Trotz der beeindruckenden Referenzen wird der Zürcher allerdings einiges leisten müssen, um seinen Vorgänger vergessen zu machen. Yann Sommer war mit seiner Konstanz entscheidend am erfolgreichsten Jahrzehnt der Schweizer Nationalmannschaft beteiligt, und er wird weiterhin seine eigene Geschichte schreiben. Sein Vertrag mit Inter Mailand läuft noch bis 2026. Von einem kompletten Abschied vom Fussball will er noch gar nichts wissen: «Ich habe immer noch Gänsehaut, wenn ich in Mailand aufs Spielfeld laufe. Das sagt mir: 'Du machst das Richtige!'» (abu/sda)
Der Bericht von letzter Woche:
Die Pressekonferenz im Liveticker zum Nachlesen:
Yann Sommer wird noch heute zurück nach Mailand reisen.
«Das gehört einfach dazu, es ist Teil des Geschäfts. Wir hatten in der Schweiz das Glück, dass wir in den letzten Jahren immer sehr gute Torhüter hatten. Es war für mich gut, dass man mir die Ausgangslage so ehrlich mitgeteilt hat. Und eben, das gehört einfach dazu.»
«Ich schliesse nichts aus, aber im Moment ist das noch kein Thema. Ich bin sehr glücklich bei Inter Mailand und habe dort eine tolle Aufgabe, bei einem grossen Klub im Tor zu stehen. Ich habe immer gesagt, ich spiele solange Fussball, wie ich es gerne mache. Wenn ich ins San Siro einlaufe, habe ich Gänsehaut. Das zeigt mir, dass ich am richtigen Ort bin. Solange ich diesen Ehrgeiz noch habe, werde ich weiter Fussball spielen.»
«Es war ein extrem schöner Moment, ein grosses Ziel, das in Erfüllung ging. Ich habe das gemeinsame Training mit Diego Benaglio sehr geschätzt, konnte dort als junger Goalie sehr viel lernen. Als er dann zurücktrat, ging der Traum in Erfüllung. Dann war es mehr Vorfreude als Druck. Der Druck gehört dazu.»
«Nein, da gab es keinen Kontakt.»
«Ja, die gab es auch. Aber es ist normal, dass die ersten Gespräche – egal ob auf Klub-Ebene oder in der Nati – zuerst mit dem Goalietrainer stattfinden. Ich habe aber auch Murat Yakin den Entscheid persönlich mitgeteilt. Ich kenne ihn schon lange, es war ein guter Austausch.»
«Nein, ich habe nicht beispielsweise mit Diego Benaglio, ich war ja sein Nachfolger, gesprochen. Es war eine persönliche Sache. Das wichtigste war es für mich, den richtigen Zeitpunkt zu finden und ich glaube, das ist mir gelungen. Natürlich werde ich die Kabine vermissen, die Jungs vermissen. Aber es ist der richtige Moment. Ich werde künftig ein grosser Fan der Nati sein.»
«Ich weiss es nicht. Mal schauen. Ich denke eher nicht. Für mich ist der Abschied nach heute fix, dann ist das Kapitel abgeschlossen.»
Adrian Arnold ergänzt: «Wir werden Sommer und Shaqiri sicher noch offiziell verabschieden. Bei welchem Spiel ist noch offen.»
«Ich hatte eigentlich den Entscheid schon vor den Gesprächen mit dem Verband gefällt gehabt. Aber die Gespräche waren trotzdem wichtig. Man hat mir nicht mehr versichern können, die Nummer 1 zu sein, aber das war nicht der Grund für den Rücktritt. Der Grund war die lange Zeit, die ich schon für die Nati habe spielen dürfen und künftig etwas mehr Zeit für anderes zu haben.»
Bild: keystone
«Es gab geteilte Reaktionen. Einerseits waren sie traurig, weil die schönen Nationalmannschaftsreisen vorbei sind. Auf der anderen Seite gab es viel positives Feedback. Die Familie freut sich auf mehr Zeit mit mir. Die Absenzen waren als Vater nicht immer einfach. Das Umfeld ist sehr dankbar für die Momente, das finde ich sehr schön.»
«Das habe ich mir gar nicht überlegt. Nein, gibt es nicht. Ich mache das in meinem ganzen Leben so: Ich gehe immer all-in. Ich habe immer alles dafür getan, um den bestmöglichen Erfolg zu haben. Man bedauert vielleicht mal eine Niederlage, aber das gehört zum Sport. Daraus lernt man auch. Jedes Ausscheiden an einem Turnier tut weh. Aber mit etwas Abstand sieht man nur noch die guten Momente.»
«Das Penaltyschiessen gegen Frankreich war eines der grössten Highlights. Die ganze Historie dieses Spiels war so unglaublich mit dem 3:1-Rückstand gegen eine grosse Fussball-Nation. Es war ein grosser Moment für die Schweiz als Fussball-Nation. Der Penalty von Mbappé, das Feiern mit den Fans und die Videos, wie die Schweiz danach Party gemacht hat. In den 12 Jahren A-Nationalmannschaft gibt es so viele schöne Momente. Im grossen und ganzen ist es eine schöne, emotionale Reise.»
Auch Nationalmannschaftsdirektor Pierluigi Tami wendet sich per Videobotschaft noch an Yann Sommer. Mein Italienisch ist leider zu wenig gut, um übersetzen zu kommen. Es wird sich auch bei Sommer bedanken.
Yann Sommer bedankt sich auch bei den Medien für die jahrelange Zusammenarbeit und setzt auch noch zu etwas Rüge an: Es sei unnötig gewesen, am vergangenen Donnerstag bereits zu veröffentlichen, dass Kobel die neue Nummer 1 werden.
«Ich möchte mich bei meinen Mitspielern bedanken. Ich möchte mich beim Staff und Verband bedanken – auch bei den Arbeitern, die im Hintergrund stehen. Ich möchte mich bei meiner Familie bedanken. Und nicht zuletzt auch bei meinen, unseren Fans. Wir haben immer eine extreme Unterstützung erlebt. Gerade an der letzten EM war es sehr laut, es war richtig schön.»
«Es war mir wichtig, Leute die mir nahestehen, vorzeitig zu informieren. Es war mir wichtig, dass ich das nicht vor dem Saisonstart in Mailand veröffentliche. Es war mir auch wichtig, dass ich den Rücktritt richtig kommunizieren kann. Es fühlt sich richtig an, ich glaube, es ist ein guter Entscheid. In diesen 20 Jahren habe ich wenige Zusammenzüge verpasst. Es war eine schöne Reise, die mir viel bedeutet hat. Ich war auch viele Tage weg von der Familie, da habe ich in Zukunft mehr Zeit. Ich habe auch Ziele mit Inter Mailand, auf die ich mich vermehrt fokussieren kann.»
«Ich habe abgemacht, dass ich in den Urlaub fahre und mir Gedanken über die Nati-Zukunft gemacht. Es ist für mich eine wichtige und spezielle Entscheidung, seit ich 15 bin, bin ich Nationaltorhüter. Das hat mir immer sehr viel bedeutet. Ich bin aus dem Urlaub zurückgekommen und habe mit dem Staff und Goalietrainer Foletti abgemacht, dass wir uns im August nochmals sprechen. Das haben wir gemacht. Das war ein gutes und ehrliches Gespräch. Er hat mich in meiner Entscheidung bestätigt, dass der Rücktritt die richtige Entscheidung ist. Das war etwa vor zwei Wochen. Dannach habe ich mich definitiv entschieden, aus der Nati zurückzutreten.»
«Es ist mir sehr wichtig, persönlich hier zu sein. Ich möchte euch in meine Gefühlswelt mitnehmen ab dem Zeitpunkt nach der Europameisterschaft. Es war mir wichtig, vor der EM keine Gedanken über die Zukunft zu machen. Ich wollte meinen vollen Fokus in das Turnier stecken. Die EM war für uns eine extrem schöne und emotional tolle Zeit. Ich habe schon einiges erlebt und es war eines der Turniere, bei dem alles gepasst hat. Tolles Camp, tolle Stimmung von unseren Fans, wir waren erfolgreich. Ich hab das alles aufgesogen und es hat mich extrem stolz gemacht. Es hat mir viel bedeutet, für unser Land aufzutreten.»
Bevor der Goalie spricht, bedankt sich SFV-Sprecher Adrian Arnold bei Sommer für seine Leistungen.
Noch ist das Podium aber leer.
Mit seinen 94 Länderspielen liegt Sommer in den Top 10 der Schweizer Nationalspieler mit den meisten Einsätzen, kein Goalie war öfters für die Nati im Einsatz als der 35-Jährige, der nach den Spielen oftmals als Erster vor den TV-Kameras seine Analyse abgab. Zählt man seine Einsätze in den Junioren-Nationalteams dazu, kommt er auf über 150 Spielen im Schweizer Trikot. Mit der U21 stand er 2011 im EM-Final.
Bild: keystone
Eine Überraschung war die Ankündigung des aktuellen Keepers von Inter Mailand in einem Hotel am Zürcher Flughafen nicht mehr. Seit einigen Tagen wurde spekuliert, dass sich Nationalcoach Murat Yakin für den kommenden Zyklus des Schweizer Nationalteams mit der WM 2026 als Endpunkt einen Wechsel auf der Goalieposition wünscht. Nun ist dieser vollzogen: Der acht Jahre jüngere Gregor Kobel übernimmt.
Yann Sommer erklärt seinen Rücktritt aus der Schweizer Nationalmannschaft.
Der 35-jährige Goalie von Inter Mailand bestritt in den letzten gut zwölf Jahren 94 Länderspiele. Seit dem Sommer 2014 war er Stammkeeper an drei Europameisterschaften und zwei Weltmeisterschaften gewesen. Er informiert am Montagmorgen über seine Gründe.
Wir berichten ab 10.30 Uhr im Liveticker und Stream.
Die Karriere von Xherdan Shaqiri
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Die Karriere von Xherdan Shaqiri
Die wichtigsten Momente in der schillernden Laufbahn von Xherdan Shaqiri – einem Fussball-Star, der keinen Schweizer Fan kalt lässt.
quelle: keystone / alexander hassenstein / pool
«Neymar und Mbappé simulieren gleich oft»
Video: watson
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