«Kein Aufgebot» steht auf dem Matchblatt hinter dem Namen Joe Mendes, als der FC Basel am 26. August 2021 bei Hammarby IF gastiert. Es sollte ein denkwürdiges Spiel werden, in dem Arthur Cabral den FCB per Elfmeter ins Elfmeterschiessen rettet, wo dann tatsächlich trotz zwischenzeitlichen 0:3-Rückstands noch der Einzug in die Gruppenphase der Conference League gelingt. Mendes hatte einen Monat zuvor gegen Maribor für die erste Mannschaft debütiert und erinnert sich: «Das gegen Basel war ein hartes Spiel. Ich war damals in der Kabine und das Ausscheiden in extremis tat weh.»
Mittlerweile hat Mendes, dessen Eltern kongolesische und portugiesische Wurzeln haben und der in Stockholm geboren und aufgewachsen ist, bereits 622 Minuten für den FCB auf dem Rasen gestanden. Und damit deutlich mehr als für Hammarby, wo es bei dem einen Einsatz gegen Maribor bleiben sollte und der damals 18-jährige U-Nationalspieler Schwedens in der Folge in der zweiten Mannschaft eingesetzt wurde.
Die Geschichte von Mendes beginnt auch in Stockholm, allerdings ein paar Kilometer nordwestlich. Im Vorort Hjulsta wächst er auf und beginnt im Alter von fünf Jahren mit dem Fussballspielen im Quartierklub. Mit zwölf Jahren geht er in die Akademie von AIK Solna, dem Stadtrivalen von Hammarby IF. Als 18-Jähriger wechselt Mendes die Seiten, weil AIK ihm noch keinen Profivertrag geben will. «Es gab schon ein paar böse Nachrichten», sagt Mendes, der mit verschränkten Armen und leiser Stimme von seiner Karriere erzählt.
Doch schon ein Jahr später kehrt Mendes heim. Nach einer guten Saison bei der zweiten Mannschaft von Hammarby kauft ihn sein Jugendklub AIK aus dem Zweijahresvertrag heraus und verhilft Mendes im Alter von 19 Jahren zum Debüt in der Allsvenskan, Schwedens erster Liga. «AIK ist und bleibt mein Herzensklub», sagt Mendes heute.
Im Januar 2023 wagt er den Schritt ins Ausland. Braga, eine 200'000-Einwohner-Stadt im Norden Portugals, dessen Sporting Clube alle Saisons seit 2015 unter den Top 5 in Portugal beendete, lautet das Ziel. «Es war ein grosser Schritt, aber ich war bereit», sagt Mendes. Taktisch und technisch sei das Niveau in Portugal deutlich höher. Aber auch in der Super League, wo direkter nach vorne gespielt wird als in der Ballbesitz-Liga Portugals, wird gemäss Mendes deutlich besserer Fussball gespielt als in Schweden.
Mit den Portugiesen gewinnt Mendes 2024 den Liga-Pokal und spielt Champions League. Gegen Real Madrid bekommt er es als Rechtsverteidiger zweimal mit Vinicius Junior zu tun. «Da kam der meiner Meinung nach aktuell beste Spieler der Welt auf mich zu. Aber ich habe mich gegen seine Dribblings gut behauptet», sagt Mendes. Insgesamt 41 Mal trägt er in anderthalb Jahren das rot-weisse Trikot. Doch 1899 Spielminuten sind ihm nicht genug. Weil die Aussichten auf mehr Spielzeit in der neuen Saison düster sind, bittet Mendes Bragas Sportdirektor im August um einen Wechsel.
Kurz vor dem Ende des Transferfensters gibt es zum ersten Mal Kontakt mit dem FC Basel. «Basel ist der grösste Klub der Schweiz und hat sich sehr um mich bemüht», sagt Mendes, der zwar ab und zu seine Cousins in Genf besucht hat, aber sonst noch nie in der Schweiz war. Als Sportdirektor Daniel Stucki und Trainer Fabio Celestini ihm dann in einem Zoom-Call sagen, dass sie jemanden suchen, der sofort helfen kann, sagt Mendes zu. «Mein Vater und mein Berater rieten mir, ich solle auf mein Herz hören.»
Seit dem 15. September und dem Cupspiel in Nyon ist Mendes jetzt Stammspieler beim FCB. Celestini sagt: «Wir hatten zu Beginn keine anderen auf seiner Position. Aber er macht es mit seiner Dynamik auch gut.» Nur flanken dürfte er gerne noch öfter. Denn das könne er eigentlich auch sehr gut, sagt der Trainer.
Mendes selber ist mit seinem Auftakt in Basel zufrieden.. «Wir haben eine super Atmosphäre im Team, ich verstehe mich mit allen gut und bin super happy, hier zu sein», sagt Mendes. Auch der gemeinsame Ausflug auf die Herbstmesse sei ein Zeichen für die gute Stimmung gewesen. Dass es von Mendes keine Fotos auf der Achterbahn gibt, liegt an dessen Höhenangst. «Ich bin eher für den Autoscooter zu haben», sagt er und lacht.
Am meisten Zeit verbringt Josafat Wooding Mendes, den seit Kindheitstagen aber alle Joe nennen, mit Moussa Cissé und Romario Baro, die ebenfalls sehr spät erst zum Team stiessen. Durch seine Vielsprachigkeit (Lingala, Englisch, Schwedisch und ein bisschen Französisch und Portugiesisch) hatte Mendes, der unterdessen in Aesch eine Wohnung bezogen hat, wenig Anpassungsschwierigkeiten. Dass er regelmässig Besuch von der Familie erhält, hilft dem jüngsten von vier Kindern ebenfalls.
Mendes ist bisher nur ausgeliehen, doch der FCB besitzt eine Kaufoption für den Spieler, dessen Marktwert auf drei Millionen Franken geschätzt wird. «Ich bin sehr glücklich hier. Warum sollte ich also nicht länger bleiben? Aber konkrete Gedanken hierzu habe ich mir noch keine gemacht», sagt Mendes. Sein persönliches Ziel ist ambitioniert: «Ich will dem Team mit guten Leistungen helfen, die Meisterschaft möglichst weit oben abzuschliessen.»
Dann könnte sich auch Nationaltrainer Jon Dahl Tomasson melden. Denn seit seinem Debüt für Schweden in einem Freundschaftsspiel gegen Island im Januar 2023 folgte kein weiteres Aufgebot mehr. Für die U21 ist Mendes mittlerweile zu alt. Aber nach der verpassten EM will Schweden mit vielen jungen Spielern die langjährige Krise der Nationalelf beenden. Und auch Mendes würde gerne dabei mithelfen. Das ist auch der Grund, warum er bislang Angebote des Kongo, der sich sehr um Mendes bemüht, ausgeschlagen hat.
Aber auch das Heimatland seiner Mutter ist «eine Option». Seit seinem Wechsel nach Basel stand bisher nicht mehr «kein Aufgebot» hinter dem Namen Joe Mendes. Und auch auf Nationalmannschaftsebene soll sich das irgendwann ändern.