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Granit Xhaka: In Deutschland beliebter als in der Schweiz

Warum Granit Xhaka im Ausland besser ankommt als in der Schweiz

Der DFB-Sportdirektor Rudi Völler und viele Schweizer Fussball-Fans sagen: «Ich würde Granit Xhaka an der EM am liebsten nicht sehen.» So deckungsgleich die Aussage im Wortlaut ist, so verschieden ist sie in ihrem Inhalt. Lob für Xhaka in Deutschland, Kritik in der Schweiz. Das sind die Gründe für diese Diskrepanz.
13.02.2024, 18:1313.02.2024, 20:34
Stefan Wyss / ch media
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Switzerland's Granit Xhaka reacts during the UEFA Euro 2024 qualifying group I soccer match between Romania and Switzerland at the National Arena stadium in Bucharest, Romania, Tuesday, November  ...
In Deutschland gefeiert, in der Schweiz geduldet: Granit Xhaka.Bild: keystone

Das Lob für Granit Xhaka kam buchstäblich von der höchsten Instanz des deutschen Fussballs. «Er ist der Häuptling, bei der Schweiz und bei Leverkusen. Im Gruppenspiel gegen uns an der EM würde ich ihn am liebsten nicht sehen», sagte Rudi Völler. Weltmeister als Spieler, WM-Finalist als Trainer. Heute Sportdirektor des DFB.

Das war im letzten Dezember. Völler kommentierte die EM-Auslosung und Xhaka hatte eben Bayer Leverkusen als Leader in die Winterpause geführt. Die Sicht auf Xhaka hat sich seither in Deutschland nicht geändert. Er ist mit Bayer nach dem 3:0 vom letzten Samstag gegen Bayern München auf Meisterkurs und gerade der gefeierte Star der Bundesliga. Der beste Spieler auf deutschen Plätzen. Er hat ligaweit die meisten Pässe geschlagen. Die meisten Bälle an den Mitspieler gebracht. Und am zweitmeisten Kilometer zurückgelegt. In Deutschland sind sich Fans, Beobachter und Experten sicher: Wir sehen gerade den besten Xhaka überhaupt.

«Anerkennung in Deutschland höher»

Und bei uns? Da wird etwas weniger gejubelt, wenn es um Xhaka geht. Da halten es viele mit Rudi Völler. Sie wollen Xhaka «am liebsten nicht sehen». Aber sie meinen es anders als Völler. «Weg mit ihm! Er beweist in der Öffentlichkeit immer wieder, dass er als Nati-Captain untragbar ist», schrieb ein erboster Leser dieser Zeitung im November stellvertretend für viele, nachdem die Nationalmannschaft die Qualifikation für die EM erlitten hatte.

Eine Nationalmannschaft, die Xhaka vor nicht allzu langer Zeit in den EM-Viertelfinal führte und für die er die Rekordzahl von 121 Spielen absolvierte. Xhaka sagte vor wenigen Wochen gegenüber dem Streamingdienst DAZN: «Die Anerkennung für mich ist in Deutschland definitiv höher als in der Schweiz, wo ich ein bisschen mehr kritisiert werde.»

In Deutschland gefeiert, bei uns nur geduldet. Bestenfalls. Dabei ist Xhaka auch im Nationalteam der Mann der meisten Ballkontakte. Der meisten angekommenen Pässe. Der meisten zurückgelegten Kilometer. Woher also diese Diskrepanz in der Wahrnehmung? Liegt es daran, dass die Deutschen, dieses Volk mit vier Weltmeistertiteln, mehr vom Fussball verstehen?

Kaum. Vielmehr wird Xhaka in den beiden Ländern verschieden gesehen, weil er in beiden Ländern verschiedene Funktionen ausübt und verschiedene Erwartungen schürt. In Deutschland ist er einfach ein Fussballer, der unfassbar gute Leistungen zeigt. Auf dem Platz. Mehr ist nicht gefragt. Zumal er bei einem Klub spielt, der wenig im medialen Fokus steht, wenig polarisiert.

In der Schweiz auch ein Repräsentant

In der Schweiz aber ist Xhaka unter anderer Beobachtung. Hier geht es nicht nur um seine Leistung auf dem Rasen. Geurteilt wird auch über seine Aussagen nach dem Spiel. Über seine Gesten während des Spiels. Und nicht zuletzt auch über sein Verhalten neben dem Platz, das, sind wir ehrlich, eigentlich niemanden etwas angeht. Aber weil er Nati-Spieler ist und auch noch Captain, urteilen die Menschen nicht nur über den Fussballer Xhaka, sondern auch über Xhaka als Repräsentanten eines ganzen Landes.

Es mag Menschen geben, die mit der multikulturellen Zusammensetzung des Fussball-Nationalteams ihre Mühe haben und sich deshalb gerne ohne rational erklärbaren Grund am kosovarisch-stämmigen Xhaka abarbeiten. Aber es gibt auch Menschen, die sich ganz gezielt daran stören, wenn Xhaka den Doppeladler zeigt oder sich trotz anders lautender Empfehlung kurz vor der EM ein Tattoo stechen lässt. Wenn er sich im WM-Spiel gegen Serbien in den Schritt greift oder sich nicht impfen lässt gegen Corona. Oder wenn er, wie zuletzt während der EM-Qualifikation wiederholt erlebt, öffentliche Kritik am Trainer äussert. Das alles hat wenig mit dem Fussballer Xhaka zu tun. Dafür ganz viel mit dem Schweiz-Repräsentanten Xhaka.

Fussballer dort, Repräsentant hier. Liegt da der Schlüssel zur Antwort, weshalb Xhaka in Deutschland gefeiert und in der Schweiz nur geduldet wird? Ja und nein. Den zweiten Teil der Antwort findet man nämlich nicht im Gesellschaftspolitischen, sondern ganz simpel in den letzten Leistungen Xhakas für die Schweiz. Wie oft gab er uns in letzter Zeit die Möglichkeit, ihn im Nationalteam zu feiern? Das letzte, mit Abstrichen, gute Länderspiel zeigte Xhaka 2022 im WM-Spiel in Katar gegen Serbien. Wirklich herausragend war er im Schweizer Dress letztmals 2021 im EM-Achtelfinal gegen Frankreich.

Der Schweizer Fan hat das Recht, Xhaka an seinen Leistungen im Nationalteam zu messen und nicht an denjenigen im Klub. Und wenn diese wieder stimmen, wird aus dem Geduldeten auch hierzulande schnell wieder der Gefeierte. Wie nach der Rückkehr von der EM 2021. Damals musste am Flughafen Zürich keiner mehr Autogramme schreiben und für mehr Selfies hinstehen als Granit Xhaka. Da war er nicht bloss geduldet, sonder definitiv auch gefeiert. (aargauerzeitung.ch)

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76 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Aniki
13.02.2024 18:48registriert März 2019
Ich habe bei Xhaka immer den Eindruck, dass es hauptsächlich rassistische und nicht sportliche Gründe sind, weshalb er nicht die Wertschätzung erhält, die er eigentlich verdienen würde. Dabei ist er wahrscheinlich (zumindest meiner Meinung nach) der beste Fußballer, den die Schweiz je hatte.
20146
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Ich-möchte-verstehen
13.02.2024 19:46registriert April 2022
Ich bin nicht ganz glücklich mit dieser Analyse. Zum einen fehlt mir der Aspekt, wie Xhaka im Spiel eingesetzt wird, vom Trainer, seinen Mitspieler, ... und das macht Xabi Alonso einfach herausragend. Zum anderen sollte sich die Presse bei uns auch an der eigenen Nase nehmen. Wenn sich die Presse auf Tattoos, Gesten, Haarfarbe, ... stützt, statt auf seine Qualitäten im Fussball, dann wird sein Image leider auch durch das geprägt.
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TRN
13.02.2024 19:13registriert Dezember 2021
In der Schweiz wird es auch immer etwas als suspekt wahrgenommen, wenn jemand konsequent den Erfolg sucht, sich konsequent jeder Herausforderung auf und neben dem Platz stellt und - für den Erfolg und das Erreichen von Zielen - offen und direkt sagt was er denkt. Für die Wertkonservativen gehört sich sowas nicht und in linken Kreisen taucht schnell der Verdacht von patriarchalen, unterdrückerischen Wesenszügen auf. Offen dazu zu stehen, dass man unbedingt Erfolg haben will kommt bei uns nicht gut an.
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