In der Bundesliga-Partie zwischen Union Berlin und Wolfsburg kam es am vergangenen Samstag zu einer kuriosen Situation. Danilho Doekhi schoss die Berliner mit dem einzigen Treffer der Partie zum Sieg – und zwar in der 25. Minute der Nachspielzeit der ersten (!) Halbzeit. Grund für das lange Nachspielen war ein fast 30-minütiger Unterbruch, der von den Fans provoziert wurde, indem sie Tennisbälle auf das Spielfeld warfen. Angesichts der langen Verzögerung schickte der Schiedsrichter die beiden Teams zwischenzeitlich zurück in die Kabine, die Partie stand kurz vor einem Abbruch.
Fan-Proteste gegen die DFL sorgen für Unterbrechungen | In der Fußball-Bundesliga haben Fan-Proteste gegen den Investoren-Deal der Deutschen Fußball-Liga (DFL) erneut zu Unterbrechungen https://t.co/DKazbBhrsJ ( ... #Bundesliga #Fanprotestehttps://t.co/kKvpQXS9or
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In der Bundesliga bringen die Fans mit ähnlichen Aktionen seit Wochen ihren Unmut über die Investitionspläne der Deutschen Fussballliga (DFL) zum Ausdruck. Im vergangenen Dezember hatten die 36 Klubs der ersten und zweiten Bundesliga das Bestreben der DFL, einen Investor an Bord zu holen, mit der erforderten Zweidrittelmehrheit gutgeheissen. Gegen eine Zahlung von rund einer Milliarde Euro soll der zukünftige Geldgeber bei einer Vertragsdauer von maximal 20 Jahren eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen erhalten.
Die beiden letzten verbleibenden Firmen, die als mögliche Investoren infrage kommen, sind Blackstone und CVC, zwei der grössten Private-Equity-Unternehmen der Welt. Das Geschäftsmodell dieser Beteiligungsgesellschaften besteht darin, dass sie sich an nicht börsennotierten Unternehmen beteiligen und diese auf strategischer Ebene beraten. Finanziert werden Private-Equity-Unternehmen durch private Geldgeber und institutionelle Anleger. Im Falle von CVC und Blackstone gehört auch der saudi-arabische Staatsfonds PIF zu den Investoren.
Seit die DFL den Investoren-Deal bekannt gegeben hat, kommt es in der ersten und zweiten Bundesliga immer wieder zu Protestaktionen. Ob in Köln, Berlin, Leverkusen, Bochum oder Wolfsburg – die Botschaft, welche die Fans über Transparente kundtun, ist laut und deutlich: Sie wollen die Investoren nicht. «Nachhaltiges Wachstum statt schnelles Geld» oder «Private-Equity-Heuschrecken ohne Einflussnahme? Verkauft uns nicht für dumm» ist in den Fankurven zu lesen.
Angesichts der Entrüstung in den deutschen Stadien hat sich die DFL jüngst zu Gesprächen bereit erklärt, wobei die Verantwortlichen festhalten, dass «nicht jeder Austausch garantieren kann, dass alle Gesprächspartner im Anschluss einer Meinung sind».
Ohne Verhandlungsmasse kein Dialog mit der DFL. Wir fordern umgehende, offene Neuabstimmung zum Investoren- Deal!https://t.co/jqw5YBDnr7#keineinvestoreninderdfl #zukunftprofifußall #DFL #gegendenmordernenfußball pic.twitter.com/CmVW1us4tO
— Unsere Kurve (@UnsereKurve) February 9, 2024
Für das Fanbündnis «Unsere Kurve» geht dieses Angebot aber zu wenig weit: «Das jetzige Dialog-Angebot ist kein Umdenken. Es ist ein Feigenblatt. Denn es enthält kein Angebot für Verhandlungen», schreibt das Bündnis auf seiner Website und fordert die Liga dazu auf, «umgehend eine offene und damit transparente Neuabstimmung zum DFL-Investoren-Deal einzuleiten». Eine Neuabstimmung wird wohl auch deshalb gefordert, weil die Zweidrittelmehrheit mit 24 Ja-Stimmen bei 36 Vereinen denkbar knapp erreicht wurde.
Axel Hellmann, Mitglied des DFL-Präsidiums, lehnt eine Neuabstimmung ab. Der Entscheid, so Hellmann, sei rechtsgültig. Würde noch einmal darüber abgestimmt werden, hätten die Vereine die Möglichkeit, rechtlich gegen diese Zweitabstimmung vorzugehen, erklärt er.
Hellmann kritisiert die Fanproteste und warnt davor, dass die Liga auch vor Spielabbrüchen nicht zurückschrecken wird: «Wenn das bedeutet, dass wir auf einen Spielabbruch zulaufen, dann wird es den geben und dann wird er auch sanktioniert werden müssen. Denn wir können Spielabbrüche im Sinne der Einheitlichkeit, der Wettbewerbsfähigkeit und der Integrität des Fussballs nicht zulassen.»
Stein des Anstosses ist für die Fans insbesondere die Intransparenz bezüglich des Ablaufs der geheimen Abstimmung, bei der sich die Klubs für die Investoren-Pläne ausgesprochen hatten. Im Fokus steht dabei die Stimme von Martin Kind, Geschäftsführer der Profiabteilung beim Zweitligisten Hannover 96.
Kind, der mit dem Verein seit Jahren in Streitigkeiten verwickelt ist, habe sich – so der Vorwurf – entgegen der Weisung des Vereins für den Deal ausgesprochen. Da die Zweidrittelmehrheit auf die Stimme genau erreicht wurde, wäre Kinds mutmassliches Ja-Votum also das Zünglein an der Waage gewesen. Im Sinne der in der Bundesliga herrschenden «50+1-Regel» hätte der Verein jedoch ein «Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung».
Mittlerweile fordern auch immer mehr Klubs, darunter Union Berlin, der Karlsruher SC, Hertha BSC, Hannover 96 und der VfB Stuttgart eine neue, transparente Abstimmung. Claus Vogt, Präsident des VfB Stuttgart, schrieb auf Twitter:
#DFL pic.twitter.com/MM55LmqIsG
— Claus Vogt (@clausvogt1893) February 7, 2024
Mit dem Einstieg eines Investors, so die Wahrnehmung vieler Fans, werde die Kommerzialisierung des Fussballs weiter vorangetrieben. Auch die mögliche Einflussnahme des zukünftigen Geldgebers auf den deutschen Fussball ist vielen ein Dorn im Auge. Befürchtet wird beispielsweise, dass zur Erhöhung der TV-Einnahmen die Spiele gestaffelt stattfinden könnten, dass analog zum spanischen Supercup Turniere ins Ausland verlagert werden oder dass finanzstarke Vereine letztlich stärker von den zusätzlichen Millionen profitieren und das Leistungsgefälle verstärkt wird.
Laut Fan-Sprecher Thomas Kessen öffne die DFL mit dem angekündigten Deal «die Büchse der Pandora». Finanzschwache Vereine könnten besonders unter Druck geraten: «Der Investor kann sagen, ‹Mensch, Schalke 04, wir überweisen euch 100 Millionen Euro, wenn ihr dafür hier eine Mehrheit schafft, dass wir vielleicht doch nächste Saison mal drei Spiele in Riad haben.›»
Hertha-Stürmer Fabian Reese versteht die Argumentation der Fans: «Wir müssen aufpassen, dass wir die DNA im Fussball nicht verlieren», sagte er nach dem Spiel gegen den HSV am vergangenen Wochenende, das ebenfalls von Unterbrüchen betroffen war. Reese kritisiert jedoch die Art und Weise, wie die Fans ihrem Unmut Ausdruck verleihen: «Ein Protest bringt uns nicht weiter».
Die Fronten zwischen den Fans und der DFL scheinen so verhärtet wie noch selten zuvor. Während die Fans ankündigten, die Proteste auszuweiten, zeigte die DFL zuletzt wenig Verhandlungsbereitschaft. «Ich weiss nicht, wie weit das noch gehen kann und soll, aber wir müssen zueinander finden», brachte Hansa-Trainer Mersad Selimbegovic die verfahrene Situation treffend auf den Punkt.
Haha, genau...
"Integrität des Fussballs"
Hab meinen Lieblingswitz der Woche schon gefunden.
Es fehlt die Erwähnung, dass es bereits die 2. Abstimmung war, weil das 1. Ergebnis ein Nein war, stimmte man paar Monate später nochmals ab. Die Aussage der DFL eine 3. Abstimmung sei nicht zulässig, kann man daher nicht für voll nehmen.
Als abschreckendes Bsp warum die Proteste notwendig sind, dient die spanische Liga.