Sport
Tennis

Wie Saudi-Arabien mit Djokovic und Nadal als Marionetten provoziert

Carlos Alcaraz of Spain watches his shot to Alexander Zverev of Germany during their quarterfinal match at the Australian Open tennis championships at Melbourne Park, Melbourne, Australia, Wednesday,  ...
Eines der Aushängeschilder des «Six Kings Slams»: Carlos Alcaraz.Bild: keystone

Wie Saudi-Arabien mit Djokovic und Nadal als Marionetten provoziert

Mit seiner Gewerkschaft setzt sich Novak Djokovic für die Bedürfnisse schlechter verdienender Kollegen ein. Gleichzeitig provoziert er mit der Teilnahme an einem exklusiven Schaukampf in Saudi-Arabien eine Zweiklassengesellschaft und einen offenen Bruch im Männertennis.
12.02.2024, 18:2012.02.2024, 18:20
Simon Häring / ch media
Mehr «Sport»

Wer im Tennis zu Ruhm und Ehre kommen will, der muss seinen Namen bei einem der vier Grand-Slam-Turniere in die Siegerliste eintragen; in Melbourne, Paris, London oder New York. Wer das einmal schafft, der hat zugleich ausgesorgt: Nicht weniger als 2,7 Millionen strich Carlos Alcaraz für seinen Wimbledon-Sieg im letzten Sommer ein. Spieler wie er, Novak Djokovic oder Rafael Nadal werden dadurch zu Figuren, mit denen sich die Reichen und Mächtigen der Welt gerne umgeben. Und sie sind käuflich.

Sechs Millionen Franken für den Sieger

Bestes Beispiel dafür ist der «Six Kings Slam», wie das Einladungsturnier unbescheiden heisst, das zwischen dem 14. und 20. Oktober in Riad, in der Hauptstadt Saudi-Arabiens, stattfindet - und damit in der Woche vor den Swiss Indoors Basel. Weder geht es um Weltranglistenpunkte, noch um sportliche Meriten. Der Köder ist ein anderer: Geld. Sechs Millionen Franken erhält der Sieger, wie die britische Zeitung «The Telegraph» berichtet.

Die sechs Teilnehmer stehen ebenfalls schon fest: Rekord-Grand-Slam-Sieger Novak Djokovic, Carlos Alcaraz, Rafael Nadal, Australian-Open-Sieger Jannik Sinner, Daniil Medwedew und Holger Rune. Selbst wer keine Partie gewinnt, kann sich die Taschen füllen: 1,5 Millionen Franken erhält jeder, der in den Wüstenstaat auf der arabischen Halbinsel reist.

Djokovic, Nadal, Alcaraz, Sinner, Medvedev, Rune: Die sechs prominenten Teilnehmer des «Six King Slams».
Die sechs prominenten Teilnehmer des «Six King Slams».Bild: zvg

Zeitgleich spielt die Konkurrenz des distinguierten Sextetts im belgischen Antwerpen, in Stockholm oder in der kasachischen Hauptstadt Astana um einen Titel, um Weltranglistenpunkte und um vergleichsweise lächerliche 150'000 Franken Preisgeld für den jeweiligen Sieger. Die Turniere gehören der ATP-250er-Kategorie und damit der tiefsten Klasse im Kalender an.

Kein Teil davon ist der «Six Kings Slam», der terminlich in die europäische Hallensaison fällt und ganz bewusst in einer Woche vorgesehen ist, in der keine Masters-1000-Turniere und ATP-500-Turniere wie die Swiss Indoors Basel über die Bühne gehen. Denn wer zeitgleich an einem Schaukampf teilnimmt, würde von der Profi-Organisation der Männer sanktioniert.

Ruhetag, um Regelwerk auszutricksen

Ein weiterer Passus im Regelwerk besagt, dass die Spieler während der laufenden Saison nicht an «inoffiziellen Veranstaltungen» teilnehmen, die an «drei oder mehr aufeinanderfolgende Tagen» stattfinden. Wer dagegen verstösst, verliert seinen Platin-Status. Über diesen erhalten die Sportler Zugang zum Bonuspool am Ende des Jahres sowie zu Rentenbeiträgen. Der Bonuspool ist eine Art Gewinnbeteiligung an den Profiten der Turniere und umfasste 2023 die Rekordsumme von 33,5 Millionen US-Dollar, die unter den Spielern nach einem nicht öffentlichen Schlüssel aufgeteilt wurden.

FILE - Fabio Fognini of Italy, left, and Gael Monfils of France, play tennis in Riyadh, Saudi Arabia, Dec. 13, 2019. Like other sports, women?s tennis is looking into the possibility of getting into b ...
Schon 2019 und 2022 gab es in Riad grosse Schaukämpfe.Bild: keystone

Fussball, Golf und jetzt Tennis

Doch auch diesen Fallstrick, der schnell Millionen kosten kann, umgehen die Organisatoren des «Six Kings Slam» mit einem Griff in die Trickkiste. Wie der Modus aussieht, ist zwar noch nicht festgelegt, sicher ist aber, dass es nach zwei Spieltagen einen Ruhetag gibt. Das Problem ist damit gelöst.

Das Tennisturnier ist weiterer Beleg dafür, wie Saudi-Arabien sich den globalen Sport einverleibt. Mit Milliarden aus dem Staatsfonds lockt das Land Fussballer wie Cristiano Ronaldo in den Wüstenstaat. Im Golf hat die mit exorbitanten Summen prämierte LIV-Turnierserie zu einer Abspaltung von der PGA-Tour gesorgt. Nun macht sich Saudi-Arabien daran, auch die Tennislandkarte zu erobern. Die Next-Gen-Finals finden dort statt, die WTA Finals sollen folgen, ebenso ein Masters-1000-Turnier der Männer.

epa10388740 A handout photo made available by the Saudi Al-Nassr Club on 04 January 2023 shows Al-Nassr's new Portuguese forward Cristiano Ronaldo attending a presenting ceremony at Mrsool Park S ...
Anfang 2023 wechselte Cristiano Ronaldo zu Al-Nassr nach Saudi-Arabien. Viele Weltklassefussballer sollten dem Portugiesen folgen.Bild: keystone

Womöglich sind das alles Zugeständnisse. Denn die Angst geht um, dass Saudi-Arabien eine Konkurrenz-Tour aus der Taufe heben könnte, wenn man das Land nicht teilhaben lässt. Man stelle sich vor, Iga Swiatek, Novak Djokovic oder Rafael Nadal würden plötzlich nicht mehr die vier Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York spielen, sondern in Riad, Mekka oder Dschiddah. Weil dort mehr Geld fliesst.

Wer beobachtet, mit welcher Geschwindigkeit und Vehemenz das Land seine Strategie verfolgt, kann nicht mehr von einem Schreckensszenario sprechen, das kaum eintreffen wird. Der «Six Kings Cup» ist ein Manifest dafür, dass im Sport selbst Undenkbares möglich wird und alles nur eine Frage des Preises ist. Ein Preis, den Saudi-Arabien zu zahlen bereit ist, um Novak Djokovic und Rafael Nadal vor den Karren spannen zu können.

epa11105154 Novak Djokovic of Serbia speaks to the media during his post match press coneference following his Men?s semifinal loss to Jannik Sinner of Italy on Day 13 of the 2024 Australian Open at M ...
Auch Novak Djokovic macht Saudi-Arabien wohl seine Aufwartung.Bild: keystone

Rafael Nadal als Botschafter

Mitte Januar war bekannt geworden, dass Nadal künftig als Botschafter für Saudi-Arabiens Tennisverband auftritt. Er sehe «grosses Potenzial» im Wüstenstaat. Künftig soll er das Königreich jährlich besuchen, «um den Sport zu fördern». Auch eine neue Rafael-Nadal-Akademie soll entstehen. Überall in Saudi-Arabien sehe «man Wachstum und Fortschritt, und ich freue mich, Teil davon zu sein», sagte der 22-fache Grand-Slam-Sieger.

Rafael Nadal mit dem saudischen Abdulaziz bin-Turki al Saud und Arij Mutabagani, der Präsidentin des saudischen Tennisverbands.
Rafael Nadal mit dem saudischen Abdulaziz bin-Turki al Saud und Arij Mutabagani, der Präsidentin des saudischen Tennisverbands.Bild: zvg

Zwar attestieren Beobachter Saudi-Arabien eine positive Entwicklung. Doch es bleibt dennoch ein kleptokratisch regiertes Land, das Frauen wie Menschen zweiter Klasse behandelt, die einer männlichen Vormundschaft unterliegen und deren Zugang zum Gesundheitswesen und zu Bildung erschwert ist, das Homosexuelle foltert und Dissidenten ermorden lässt.

Saudi-Arabien verkörpert damit alles, das nicht mit unserem Verständnis einer freien Gesellschaft zu vereinbaren ist: Es gibt keine freien Wahlen, keine Religionsfreiheit, keine Gewaltenteilung, keine Pressefreiheit, keine Versammlungsfreiheit, keine Meinungsfreiheit. Regelmässig kommt es zu Amputationen, Steinigungen und Auspeitschungen. Bilder davon erreichen den Westen kaum, oder wir blenden sie aus. Was wir hingegen sehen, sind glanzvolle Wettkämpfe mit den besten (männlichen) Sportlern der Welt.

Und 2034 kommt die Fussball-WM

Dass Saudi-Arabien im Demokratieindex der britischen Zeitschrift «The Economist» unter 167 Ländern den 150. Rang belegt? Egal: Wir haben ja Djokovic, Nadal und 2034 die Fussball-Weltmeisterschaft. Transportiert wird das freundliche Bild einer offenen, einer innovativen Gesellschaft. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International nennen diese Imagepflege aus dem Einmaleins für Kleptokraten schlicht Sportswashing.

Russia- Saudi Arabia, Soccer, Moscow, June 14, 2018 Crown Prince Mohammed bin Salman, Gianni Infantino (SUI) FIFA President, Vladimir PUTIN, President Russia, RUSSIA - SAUDI ARABIA 5-0 FIFA World Cup  ...
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman 2018 an der Fussball-WM 2018 in Russland mit Gianni Infantino und Wladimir Putin.Bild: imago/ActionPictures

Das Sextett, das im Oktober um ein megalomanes Preisgeld spielt, scheint das wenig zu kümmern. Auch fehlt das Bewusstsein, damit eine Spaltung in der Tenniswelt zu provozieren und eine Zweiklassengesellschaft zu schaffen. Gerade im Fall von Novak Djokovic ist das besonders stossend. Weil er sich mit seiner Spielergewerkschaft auf die Fahne geschrieben hat, für eine gerechtere Verteilung der Einkommen und bessere Entlöhnung der weniger erfolgreichen Spieler einzusetzen. Nun scheint er den offenen Bruch mit der Profiorganisation der Männer, der ATP, in Kauf zu nehmen.

Die sechs Teilnehmer des Saudi-Schaukampfs sind in monetärer Hinsicht Könige. Und dafür in den Augen vieler moralische Bettler. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Alle Grand-Slam-Titel von Novak Djokovic
1 / 26
Alle Grand-Slam-Titel von Novak Djokovic
US Open 2023: Djokovic – Medwedew 6:3, 7:6, 6:3.
quelle: keystone / justin lane
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Hier kannst du die 20 Grand-Slam-Siege von Roger Federer nacherleben
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
14 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mondblüemli
12.02.2024 18:54registriert Oktober 2021
Man muss es nicht schauen. Und von Djokovic habe ich auch nichts anderes erwartet. Von Nadal hingegen schon. Aber eben. Ich muss es nicht schauen und das werde ich auch nicht.
6710
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dogbone
12.02.2024 23:19registriert August 2014
Moralische Bettler trifft es auf den Punkt. Aber das wird keinen von den sechs weiter interessieren.
Überrascht und besonders enttäuscht bin ich von Nadal. Das hätte ich jetzt nicht erwartet.
257
Melden
Zum Kommentar
14
    «Man muss sich immer erst wieder beweisen» – Genoni steht vor seiner 11. Weltmeisterschaft
    Leonardo Genoni ist seit einem Jahrzehnt die Lebensversicherung der Nationalmannschaft. Verblüffend: Eishockey schauen tut der gebürtige Zürcher gar nicht gern.

    Während der Playoffs macht er sich jeweils rar, seit seiner Zeit unter Arno Del Curto beim HC Davos gibt Leonardo Genoni in der entscheidenden Phase der Meisterschaft keine Interviews. Warum sollte er auch? Siebenmal schon mündete diese Eigenheit im Meistertitel. Vor der Abreise an die WM nimmt sich der Goalie des EV Zug hingegen viel Zeit und analysiert messerscharf und eloquent.

    Zur Story