Er sei froh, dass seinem Verband nicht «das Messer an den Hals gesetzt» werde, sagt Claudio Spescha. Der Satz des Präsidenten des SAFV, des Schweizerischen American Football Verband, gibt die aktuelle Gemütslage im Schweizer Sport recht gut wieder. Der war in Aufruhr, seit die Sportministerin Viola Amherd ihre Pläne für eine Frauenquote präsentiert hatte. Er setzte sich mit seiner ganzen Lobby-Power zur Wehr – mit Erfolg, wie sich gestern zeigte.
Doch beginnen wir von vorne. Vor einem knappen Jahr stellte das Bundesamt für Sport eine neue Sportförderungsverordnung zur Diskussion. Ein zentrales Element: die Einführung einer Frauenquote von 40 Prozent in den Leitungsorganen der Verbände. Zu erreichen: bis 2024. Mögliche Konsequenzen: Streichung von Finanzhilfen, also Subventionen, ohne die es für Sportverbände nicht geht.
Die Frauenquote ist ein Anliegen von Verteidigungs- und Sportministerin Viola Amherd. Die Walliserin hat sich die Frauenförderung auf die Fahne geschrieben, sei dies nun in der Armee oder eben im Sport. Tatsächlich ist der Frauenanteil in vielen Sportverbänden klein. Das will die Mitte-Bundesrätin ändern, weil sie sich mehr weibliche Perspektiven in den Führungsgremien wünscht.
Es brauche nun eine Initialzündung, sagte Amherd in einem der Interviews, die sie zum Thema gab. Doch die hiesigen Sportverbände liefen Sturm gegen ihren Verordnungsentwurf.
Die Kritik kam von allen Seiten, von den Schwingern, den Schwimmern, den Fussballern. Sie kam aus den Kantonen und von den Parteien. Der Tenor: Es gebe sowieso schon zu wenig Leute, die sich noch ehrenamtlich in einem Vorstand engagieren. Die 40-Prozent-Quote sei deshalb kaum umsetzbar und gefährde die Existenz vieler Verbände und Vereine. Und sie spiegle auch nicht die Verhältnisse im Sportland Schweiz, weil in vielen Vereinen und Verbänden der Frauenanteil gering sei.
Die Vernehmlassung für Amherds Pläne fiel, man kann es nur so sagen, vernichtend aus. Als sie gestern präsentierte, was der Bundesrat nun aus der geplanten Initialzündung gemacht hat, musste sie eine Frauenquote vorlegen, die an allen Ecken und Enden abgeschwächt worden ist.
So soll sie nun nur für den Sport-Dachverband Swiss Olympic und die nationalen Verbände gelten und statt ab 2024 erst ab 2025. Und wer sie nicht einhält, muss nicht mit finanziellen Sanktionen rechnen –, sondern lediglich erklären, warum er die Frauenquote nicht erfüllt. Und Massnahmen aufzeigen, die das ändern sollen. Comply or explain, einhalten oder erklären, so nennt sich dieses Prinzip – es kommt auch bei der Frauenquote in der Privatwirtschaft zum Einsatz und entspricht dem, was sich viele Sportverbände wünschten.
Taugt das noch für eine Initialzündung, Frau Amherd? Die, sagte die Bundesrätin, habe schon stattgefunden, allein durch die Diskussionen zum Thema Frauen in Sportvorständen, sagte die Bundesrätin. Das Bewusstsein sei stark gestiegen. Sie sprach von einer «sehr praktikablen» Lösung, die gleichzeitig das Ehrenamt nicht zu stark belaste. Und von der «direkten Wirkung» der auf die nationalen Verbände beschränkten Quote, weil das auch den Frauenanteil in den Vereinen fördere.
Aline Trede, die Fraktionschefin der Grünen, sieht das anders. Sie sagt, man müsse aufpassen, dass die Frauenquote für den Sport «nicht zur Farce» werde. Wer sich nur erklären müsse, aber keine Sanktionen zu befürchten habe, werde sich auch nicht verändern. Die Berner Nationalrätin sagt auch, sie sei enttäuscht, dass Amherd zurückgekrebst sei. Schliesslich habe sie die Frauenförderung zu ihrem Thema gemacht.
In der Welt des Sports sind die Reaktionen naturgemäss positiver – nicht nur beim Football-Verband mit seinem rein männlichen Vorstand. Jürg Stahl, der Präsident von Swiss Olympic, zeigte sich zufrieden und lobte das Augenmass des Bundesrats. Béatrice Wertli vom Turnverband sagte, der Beschluss des Bundesrats zeige, dass die Einwände des Sports ernst genommen worden seien.
Ein besonders männerlastiger Sportverband ist jener der Schwinger; im Vorstand sitzen nur Männer, die Schwingerinnen haben einen eigenen Verband, mit dem man aber künftig enger zusammenarbeiten will. Rolf Gasser, der Leiter der Geschäftsstelle des Eidgenössischen Schwingerverbands, begrüsst den Spielraum, den der Bundesrat den Schwingern zugestehen will. Als nationaler Verband ist der Schwingerverband von der neuen Regelung betroffen. Es sei aber noch zu früh, um zu sagen, dass man bis 2025 zumindest eine Frau im Vorstand haben werde. Das müsse in einem traditionellen Verband wie dem der Schwinger organisch wachsen, sagt Gasser.