Obwohl ein Weiterkommen in die Hauptrunde aufgrund des um 23 Treffer schlechteren Torverhältnisses im Vergleich mit Olympiasieger Frankreich nur noch in der Theorie möglich war, war es für die Schweizer eine äusserst wichtige Partie. Denn mit einem weiteren Unentschieden nach dem sensationellen 26:26 gegen die Franzosen wären sie in den WM-Playoffs im Mai gesetzt gewesen und hätten somit einen schwächeren Gegner zugelost erhalten. Dieses Ziel wurde nun auf bittere Art und Weise verpasst.
Einem Punkt kamen die Schweizer trotz eines 9:13-Rückstandes zur Pause sehr nahe. Sie starteten in der zweiten Halbzeit eine Aufholjagd, in der 51. Minute glichen sie zum 23:23 aus, vier Minuten später gingen sie mit 25:24 erstmals seit dem 5:4 (15.) in Führung. Nach dem 27:26 (57.) gelang den Schweizern dann aber kein Treffer mehr. Zunächst unterlief Andy Schmid ein technischer Fehler, dann brachte Manuel Zehnder den Ball nicht im Tor unter. So setzte es die siebente Niederlage in Serie gegen Nordmazedonien ab.
Die Schweizer starteten gut in die Partie, verwerteten drei der ersten vier Abschlüsse. Der auch im dritten Spiel starke Torhüter Nikola Portner hatte nach zehn Minuten bereits fünf Paraden (total zehn) auf dem Konto. Nach dem 3:2 (7.) lief in der Offensive dann aber nicht mehr viel zusammen. In den nächsten 14 Angriffen erzielten die Schweizer gerade mal noch zwei Tore. So stand es in der 23. Minute 5:10 aus ihrer Sicht. Zwar kamen sie auf 8:10 (26.) heran, bis zur 29. Minute wuchs der Rückstand aber wieder auf fünf Tore (8:13) an. Das wurde der SHV-Auswahl letztendlich zum Verhängnis.
Andy Schmid wird beim letzten Spiel der Schweizer zum Spieler der Partie gekürt. Mit seinen zwölf Toren totalisiert der fünffache Bundesliga-MVP nun 1094 Treffer in Länderspielen, womit er Marc Baumgartner (1093) als Schweizer Rekordhalter abgelöst hat.
Nach der Partie war das Interesse in der Mixed Zone, in der die Spieler mit den Journalisten sprechen, am 40-jährigen Schmid gross. Dabei liess er aufhorchen, sagte er doch, dass es vielleicht sein letzter Match überhaupt gewesen sei.
Andy Schmid, was sagen Sie zur Partie?
«Wir zeigten in der zweiten Halbzeit einen aufopferungsvollen Kampf. Es ist für mich unerklärlich, warum wir in der ersten Hälfte (9:13) so gehemmt gespielt haben und so Nordmazedonien in die Partie kommen liessen. Das führte dazu, dass wir fast schon eine perfekte zweite Halbzeit spielen mussten, um noch zu gewinnen, was uns annähernd gelang. Wir zogen das Momentum auf unsere Seite, gingen in Führung, gaben es dann aber wieder aus den Händen. Es ist enttäuschend, dass wir heute nicht im Minimum einen Punkt geholt haben, denn ich finde, dass wir von der Qualität her die bessere Mannschaft sind.»
Sie haben Marc Baumgartner als besten Schweizer Länderspiel-Torschützen abgelöst. Ist Ihnen das bewusst?
«Lukas Maros hat mir nach dem elften oder zwölften Tor gesagt, dass ich es jetzt geschafft habe. Das war aber ehrlich gesagt nicht das Ziel, sondern wir wollten logischerweise einen Punkt holen. Wenn ich dann noch langsamer und älter bin, werde ich sehen, dass ich darauf stolz sein kann.»
Es war Ihr letztes Spiel auf der ganz grossen Bühne, kommt da schon Wehmut auf?
«Ich habe in den letzten fünf Minuten 3:30 Minuten geweint. Von daher ist Wehmut wahrscheinlich leicht untertrieben. Es war mein letztes Spiel für die Nationalmannschaft und dies in jenem Land, in dem ich zwölf Jahre lebte, in dem meine Kinder auf die Welt kamen, in dem ich meine beste Zeit im Handball hatte. Deshalb ist es irgendwo ein schöner Abschluss der internationalen Karriere. Ich weiss nun definitiv, dass es keinen Handball-Gott gibt. Denn wenn dieser das Spiel geschaut hätte, hätte er uns siegen lassen in meiner letzten Partie. Von daher war es für mich die Bestätigung, dass es ihn nicht gibt.»
War es ein kitschiges Ende?
«Ich weiss nicht. Ich bin kein Fan von Kitsch, das wirft mir meine Frau vor. Ich bin auch kein Romantiker. Es war eine unglaublich lange Reise mit der Nationalmannschaft. Ich erlebte viele Tiefs, kämpfte immer wieder dagegen an. Dann bekamen wir ein paar junge Wilde dazu, die den Handball genau so lieben wie ich. Deshalb durften wir heute hier spielen. Ich werde versuchen, diesen Weg als Trainer weiterzugehen. Nun gehe ich erst einmal nach Hause und sammle meine Gedanken. Ich werde mit meinem Verein (Kriens-Luzern) sprechen, es gibt den Verband, ich habe eine Familie, vielleicht war es gar mein letztes Spiel überhaupt. Das werde ich in den nächsten Tagen entscheiden, ich weiss es noch nicht.»
Die WM-Playoffs sind also definitiv kein Thema?
«Nun werde ich auf das festgenagelt und dann laufe ich wieder auf. Ich wünsche es mir eigentlich nicht. Ich glaube, es ist an der Zeit, das Feld zu räumen für die Weiterentwicklung der anderen. Ich weiss, dass es in meinen Schatten nicht einfach ist zu gedeihen, und wir haben so viele junge Pflanzen, die gedeihen müssen. Deshalb ist es an der Zeit, ihnen das Sonnenlicht zu geben.» (lak/sda)
Nordmazedonien - Schweiz 29:27 (13:9)
Berlin. - SR Covalciuc/Covalciuc (MDA).
Strafen: 2mal 2 Minuten gegen Nordmazedonien, 1mal 2 Minuten gegen die Schweiz.
Nordmazedonien: Tomovski/Kizikj; Omeragikj, Velkovski, Gjorgiev, Mitev (5), Taleski (3), Markoski (1), Kuzmanovski (4), Nenad Kosteski (5), Nikola Kosteski (1), Peshevski (4), Jagurinovski (3), Lazarevski (1), Djonov, Atanaseivikj (2).
Schweiz: Portner (1)/Grazioli; Schmid (12), Meister (1), Rubin (1), Tynowksi (1), Manuel Zehnder (8), Lier, Kusio, Raemy, Maros (2), Laube, Gerbl, Samuel Zehnder (1), Willecke, Ben Romdhane.
Bemerkungen: Schweiz ohne Röthlisberger, Schelker, Küttel (alle verletzt), Markovic (private Gründe) und Aellen (überzählig). (sda)