«Nicht so, wie ich erwartet habe», sprudelt es aus ihr heraus, als sie gebeten wird, ihr bisheriges Jahr zusammenzufassen. Der Saisonbeginn sei kompliziert und etwas frustrierend gewesen. Bei den ersten Wettkämpfen «hat es noch nicht Klick gemacht, obwohl eigentlich alles da war». Mit ihrem sensationellen Sieg über 200 Meter an den diesjährigen Europameisterschaften in Rom dann die grosse Erlösung – endlich passte alles. Mujinga Kambundji nahm den Schwung mit und bestätigte vor wenigen Tagen ihre gute Verfassung: Mit 10,90 Sekunden blieb sie in La Chaux-de-Fonds nur eine Hundertstelsekunde über ihrem eigenen Schweizer Rekord.
Das Gesicht der Schweizer Leichtathletik ist in Topform, und das kurz vor den Olympischen Sommerspielen in Paris. «Wenn es so weitergeht, wäre es perfekt», meint auch Kambundji. Die aktuell schnellen Läufe tun ihr gut, sie weiss aber auch: «In Paris interessiert es niemanden, was du vorher läufst, da kommt es nur darauf an, was du dort leistest.» Am Dienstagabend in Luzern auf der 100- und 200-Meter-Bahn anzutreten, sei für sie die ideale Vorbereitung. Dass das Leichtathletik-Meeting so nahe von ihrem Zuhause in Bern stattfindet und dadurch viel Aufwand entfällt, sieht sie als «mega Pluspunkt».
Die Rennen auf der Allmend seien sowieso immer ein Saison-Höhepunkt. Einst war es eines der ersten Meetings, an dem sie gegen internationale Stars antrat, dann kam sie jedes Jahr stärker zurück, und heute ist sie so etwas wie das Aushängeschild des Events. Heute nimmt sie zum zwölften Mal teil. Zu diesem Jubiläum überreichte ihr das Organisationskomitee von Spitzen Leichtathletik Luzern bei der gestrigen Medienkonferenz ein kleines Geschenk – Schokolade, die sie sich für nach den Olympischen Spielen aufsparen will.
Vom Pressetermin und dem Leichtathletik-Event abgemeldet hat sich Hürdenspezialistin Ditaji Kambundji, die zehn Jahre jüngere Schwester von Mujinga Kambundji, aufgrund von muskulären Problemen. Und obwohl sie physisch nicht vor Ort ist, ist sie doch irgendwie mit dabei. «Noch schnell bevor ich die Frage beantworte: Meine Schwester hat sich nicht verletzt», entgegnet Mujinga Kambundji auf die Einstiegsfrage, die eigentlich sie selbst betraf. Wir sehen eine grosse Schwester, die der Sportwelt ungefragt versichert, dass es «Didi» gut geht, und dass deren Fernbleiben vom heutigen Leichtathletik-Meeting eine reine Vorsichtsmassnahme ist.
Wir sehen danach im persönlichen Interview eine grosse Schwester, die es sich seit einigen Jahren gewohnt ist, an Medienterminen über ihre jüngere Schwester zu sprechen. Vor allem aber sehen wir eine grosse Schwester, die dies noch immer mit derselben herzlichen Manier tut. «Ich bin extrem stolz auf sie und geniesse es sehr, dass ich das alles mit ihr erleben und ihr einiges mitgeben kann», so die 32-Jährige.
Ditaji Kambundji und manche andere Nachwuchsathletinnen und -athleten dürften viel von der erfahrenen Mujinga Kambundji mit auf den Weg bekommen. Mehr als nur die Technik und körperlichen Fertigkeiten, um in der Leichtathletik Rekordzeiten zu laufen. Was von aussen weniger ersichtlich ist, im Gespräch über den Sport als Lebensschule aber hervorsticht, ist die gründliche und rationale Seite der schnellen Bernerin. «Ich will immer so gut wie möglich verstehen, was man macht, wieso man es macht und was der Prozess dahinter ist, um für meinen Weg Verantwortung zu übernehmen», erzählt sie über sich.
Deshalb auch ihr Rat für jüngere Sportlerinnen und Sportler: «Jede Person ist anders. Um weiterzukommen, musst du schliesslich so viel wie möglich von dir selbst verstehen, und dann musst du dir das holen, was du brauchst – bei Trainern, beim Medical Staff und allen um dich herum.» Eine Herangehensweise, die vielleicht ihr Schlüssel zum Erfolg ist.