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WM 2022 in Katar: Das sind die Frauen an der Fussball-Weltmeisterschaft

Frauen der Geschichte

«Man ist da, weil man es verdient hat» – das sind die Frauen an der Fussball-WM

An der WM in Katar leiten zum ersten Mal Frauen die Spiele der Männer. Einer von ihnen wurde in Katar bereits die kalte Schulter von den Fussballverantwortlichen gezeigt.
19.11.2022, 15:0520.11.2022, 09:39
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Eine der wichtigsten Regel für Fussball-WM-Fans ist: Der Schiri ist immer schuld. Doch bei der kommenden WM in Katar ist diese Regel nicht mehr allgemeingültig. In Katar gilt nämlich je nach Spiel: DIE Schiri ist immer schuld.

Denn im Wüstenstaat ohne Frauenrechte geben zum ersten Mal in der 92-jährigen Geschichte der Männer-Fussball-WM auch Frauen auf dem Rasen den Ton an: Von den 36 Schiedsrichter*innen, 69 Assistent*innen und 24 VAR-Offiziellen sind 6 Frauen.

Und so werden wohl auch Stephanie Frappart, Salima Mukansanga, Yamashita Yoshimi, Neuza Back, Karen Diaz Medina und Kathryn Nesbitt an der kommenden WM für viele Emotionen und verworfene Hände sorgen – und am Schluss doch immer recht behalten.

Giovanni Marti, Media Relations Officer der FIFA, sagt gegenüber watson: «Diese Frauen sind für Katar benannt worden, weil sie eben zu den besten Referees der Welt gehören.»

Stephanie Frappart

Referee Stephanie Frappart gives directions during the French Cup final soccer match between Nice and Nantes at the Stade de France stadium, in Saint Denis, north of Paris, Saturday, May 7, 2022. (AP  ...
Stephanie Frappart aus Frankreich.Bild: keystone

Die Französin Stephanie Frappart ist nicht nur eine der erfolgreichsten Frauen im Schiri-Geschäft, sondern eine der Erfolgreichsten unter den Schiris überhaupt.

Ein Karrierehöhepunkt war sicherlich, dass Frappart das Finale der Frauen-Weltmeisterschaft 2019 zwischen den USA und den Niederlanden in ihrem Heimatland Frankreich leiten durfte.

In einer internationalen Männerliga war sie vor zwei Jahren die erste Frau, die während einer Champions League zum Einsatz kam. Die «Süddeutsche Zeitung» titelte damals:

«Französische Schiedsrichterin pfeift Geschichte.»

Und die Geschichte ging weiter: Ein Jahr darauf leitete die 38-Jährige als erste Frau ein WM-Qualifikationsspiel. Zudem ist sie seit 2019 fest in das Schiedsrichterteam der Ligue 1 integriert, die höchste französische Spielklasse der Männer – auch da als erste Frau in der Liga.

Pierluigi Collina, der Vorsitzende der FIFA-Schiedsrichterkommission, sagte über Frappart und ihre Kollegin Kateryna Monzul, die ebenfalls ein WM-Qualifikationsspiel leitete:

«Sie haben in den vergangenen Jahren sehr hart gearbeitet und diese Ernennungen sind eine Anerkennung für die gute Arbeit, die sie geleistet haben.»

Frappart gab dem Magazin «The Athletic» kürzlich ein Interview, in dem sie ihre Taktik auf dem Fussballplatz beschreibt. Der Weg zum Erfolg sei es, ruhig zu bleiben und immer zu wissen, in welchen Momenten gelächelt, wann diskutiert und wann die Körpersprache bewusst eingesetzt werden müsse.

Zudem sei der Einsatz in Katar nicht so speziell für sie, denn: «Ich war die erste Schiedsrichterin in Frankreich. Ich war die erste in Europa. Ich war immer die Erste. Ich weiss, wie man damit umgeht.» Und das treffe auch auf ihre beiden Kolleginnen zu, sagt sie. Denn die waren Pionierinnen in Afrika und Asien.

Das Interview beendet sie mit dem Satz:

«Man ist da, weil man es verdient hat.»

Salima Mukansanga

FILE - Referee Salima Mukansanga, of Rwanda, gestures towards the players during the African Cup of Nations 2022 group B soccer match between Zimbabwe and Guinea at the Ahmadou Ahidjo stadium in Yaoun ...
Salima Mukansanga.Bild: keystone

Die ruandische Schiedsrichterin Salima Mukansanga ist seit 2012 für die FIFA im Einsatz.

Der «New York Times» sagte sie, dass sie eigentlich Basketballerin werden wollte. Doch es kam alles anders:

«Der Zugang zur Basketball-Infrastruktur war dort, wo ich aufgewachsen bin, schwierig. Und so bin ich bei den Schiedsrichtern gelandet, was ich auch nie bereut habe.»

Diese Fügung brachte die 34-Jährige auf dem internationalen Fussballrasen bis ganz an die Spitze: Sie pfiff unter anderem bei den Olympischen Spielen, die 2021 stattfanden, an der Frauen-WM 2019 in Frankreich und beim Afrika-Cup der Frauen 2016 in Kamerun sowie beim Afrika-Cup der Frauen 2022 in Marokko.

Beim Africa Cup of Nations in diesem Jahr übernahm sie erstmals bei einem internationalen Männerspiel das Kommando – somit war Mukansanga die erste Afrikanerin, die bei einem Top-Fussballereignis der Männer amtierte.

Als sie für den Africa Cup of Nations nominiert wurde, sagte sie dem amerikanischen Sportkanal ESPN:

«Wir werden der Welt zeigen, dass wir etwas können.»

Yamashita Yoshimi

FILE - Japanese referee Yoshimi Yamashita warms up during a training session Monday, June 27, 2022, at JFA YUME Field in Chiba, near Tokyo. (AP Photo/Eugene Hoshiko, File)
Yoshimi Yamashita
Yamashita Yoshimi.Bild: keystone

Yamashita Yoshimi kann einen illustren Schiri-Lebenslauf vorweisen:

Die 36-jährige Japanerin war bereits 2019 bei einer Weltmeisterschaft im Einsatz. Und zwar an der Frauen-WM 2019 in Frankreich, wo sie zwei Spiele pfiff – darunter den Achtelfinal. Bei den Olympischen Spielen, die 2021 stattfanden, leitete sie das Spiel zwischen den Vereinigten Staaten und Schweden im Frauenwettbewerb.

Yoshimi ist die einzige Frau, die in der höchsten japanischen Liga, der J1 League, regelmässig Spiele der Männer leitet.

In diesem Jahr agierte sie dann auch auf internationalem Parkett bei einem Männerspiel, und zwar an der AFC Champions League – als erste Schiedsrichterin und Asiatin in diesem Wettbewerb überhaupt.

Yoshimi erklärte im «Guardian» in Hinblick auf die WM den Druck, den auf den Frauen-Schiris lastet, so:

«Ich möchte, dass es als völlig normal angesehen wird, dass Frauen als Schiedsrichterinnen bei Männerspielen tätig sind, daher muss das, was in Katar geschieht, fortgesetzt werden. Ich spüre einen gewissen Druck, das Vertrauen aller zu gewinnen.»

Die Assistentinnen

Zu den drei weiblichen Schiris gesellen sich drei Assistentinnen.

Neuza Back (38) aus Brasilien

epa10020761 A handout photo made available by the Brazilian Football Confederation of the Brazilian Neuza Back while posing in Chapeco, Brazil (Issued 18 June 2022). Brazilian Neuza Back, 37, will be  ...
Bild: keystone

Ebenfalls eine, die weiss, wie es ist, eine der Ersten zu sein, ist die Brasilianerin Neuza Back. Sie war die Erste, die ein Spiel in der brasilianischen Männerliga begleitete und gehörte 2021 zu den ersten Frauen überhaupt, die an einem FIFA-Männerwettbewerb dabei waren: an der Klub-Weltmeisterschaft in Katar.

Beim Finalspiel in Katar war Back als eine von zwei Frauen Teil des Schiedsrichtergespanns. Bei der Ehrung nach dem Spiel wurden die Frauen zweitklassig behandelt: Scheich Joaan bin Hamad bin Khalifa Al Thani, Präsident des katarischen Fussballverbandes, weigerte sich, ihre Hand zu schütteln.

Karen Diaz Medina (38) aus Mexiko

Karen Medina FIFA referee
Bild: Screenshot FMF comision de arbitros

Ebenfalls aus Lateinamerika kommt Karen Diaz Medina, die in der mexikanischen Liga pfeift. Vor einem Jahr sagte sie dem Fussballverband Concacaf auf die Frage, was ihr wichtigstes Ziel sei im Fussball:

«Mein grösster Traum als Schiedsrichterin ist es, jedes einzelne Spiel zu geniessen.»

Kathryn Nesbitt (34) aus den USA:

US: Red Bulls vs Montreal Impact Assistant referee Kathryn Nesbitt during MLS Fussball Herren USA game between New York Red Bulls & Montreal Impact NYRB won 3 - 1 PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY L ...
Bild: imago sportfotodienst

Kathryn Nesbitt wurde 2020 zur Schiedsrichterassistentin des Jahres der amerikanischen Major League Soccer (MLS) ernannt – die bislang erste und einzige Frau, der diese Ehre zuteilwurde.

Bevor die Amerikanerin Schiedsrichterin wurde, war die Sportskanone in ihrer Jugend Wettkampf-Eiskunstläuferin, Volleyballerin und Fussballerin. Später hatte sie eine Assistenzprofessur für analytische Chemie an der Towson University in Maryland inne. Zwei Wochen vor der Frauen-WM 2019 kündigte sie der Wissenschaft, um sich voll und ganz auf den Fussball konzentrieren zu können.

Die 34-Jährige hat übrigens via Twitter davon erfahren, dass sie aufgeboten worden war für die WM 2022, wie sie der «Washington Post» verraten hat. Und sie sagt da auch:

«Eines der wichtigsten Dinge, die ich in meiner Karriere gelernt habe, ist, dass man am meisten beeindrucken kann, wenn man seine Arbeit gut macht – das war auch in der Chemie so, wie Fussball eine Männerdomäne.»

«Light the Sky»

Die Anwesenheit der sechs Offiziellen an der WM wird von der FIFA gebührend inszeniert. Im Video eines der vier FIFA-WM-Songs haben die Schiris einen Gastauftritt: Wie Freiheitsstatuen halten sie in heldenhafter Pose ihre Fahnen und Gelben Karten in die Höhe, während vier der bekanntesten Sängerinnen der arabischen Welt «Light the Sky» singen.

WM-Schiedsrichterinnen Light the Sky
Die sechs Schiedsrichterinnen bei Minute 1:37 in «Light the Sky».

Vier der bekanntesten arabischen Sängerinnen und die sechs besten Schiedsrichterinnen der Welt erhellen den Himmel für die Fussballfans:

Schlussendlich werden die Leistungen der sechs Frauen in der Gruppenphase sowie das Weiterkommen ihrer Nationalteams darüber entscheiden, ob sie für die Finalrunden im Einsatz stehen – genau wie bei ihren männlichen Kollegen. Doch egal, wie viele Male sie am Schluss auf dem Platz stehen: Die Sichtbarkeit von Frauen im Fussball ist mit ihrem Einsatz beim wichtigsten Fussball-Event überhaupt einen Schritt weiter.

Und die Sichtbarkeit von Frauen im Fussball ist wichtig, will man sie für eine Karriere gewinnen. Sie ist eine Motivation für junge Mädchen, die so echte Vorbilder auf dem Fussballplatz haben. Diese WM könnte somit ein Katalysator für mehr Frauen auf dem Rasen bei zukünftigen Fussball-Weltmeisterschaften sein. Collina sagte 2021:

«Ich bin sicher, dass die Ernennung weiblicher Offizieller für Spiele der Männer in Zukunft eine absolute Selbstverständlichkeit wird.»

Noch eher unsichtbar sind diese Frauen im Fussball:

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wir (M)Ostschweizer*innen nun im Süden
19.11.2022 15:50registriert Juni 2019
"Bei der Ehrung nach dem Spiel wurden die Frauen zweitklassig behandelt: Scheich Joaan bin Hamad bin Khalifa Al Thani, Präsident des katarischen Fussballverbandes, weigert sich, ihre Hand zu schütteln."
Ja denn, gehen wir zum Tagesgeschäft über....
verurteilen wir noch 2-3 vergewaltige Frauen.
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Walter Sahli
19.11.2022 16:12registriert März 2014
Ist schon bekannt, welche Spiele von Frauen gepfiffen werden? Katar - Senegal vielleicht? Oder USA - Iran? Argentinien - Saudi-Arabien?
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Schlaf
19.11.2022 15:59registriert Oktober 2019
Hoffentlich pfeifft auch eine Frau ein Gruppenspiel von Katar.
Dies wäre ein Zeichen der Gastgeber.
Denke aber dies wird nicht geschehen, Geld um sich schmeissen muss einfacher sein für die Herscherfamilie, als Zeichen zu setzen.
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